Zur Entgrenzung der Grenzen
Volker Eick
Die damalige britische Innenministerin Theresa May prägte 2012 den Begriff des »hostile environment« (feindliche Umgebung), der fortan die Migrations- und Asylpolitik auf der Insel bestimmen sollte. Zugleich markierte er neue Grenzziehungen im Innern und nach außen, wie er im vorstehenden Beitrag von Berenice Böhlo für die EU skizziert wird. Erfunden hat May den Begriff aber nicht, das war vielmehr Liam Byrne, der damalige Minister für Migrationsangelegenheiten aus der Labour Party: »We are trying to create a much more hostile environment in this country if you are here illegally«.(1)
Die Attraktivität von Grenzziehungen erklärt sich, so die Autorinnen von ›Bordering‹, aus einer durch den Neoliberalismus induzierten doppelten Krise von Regierbar- und Staatlichkeit (Kap. 1), die als globales Phänomen zu beobachten sei. Nachdem ein historischer Rückblick auf die Praktiken von Grenzziehungen gegeben wurde (Kap. 2), konzentriert sich Kapitel 3 auf Grenzziehungen, die einerseits der Logik von Firewalls für Computer folgen, die darüber entscheiden, wer oder was passieren darf und dabei zugleich Registrierungen vornehmen – auf dem Flughafen sind das die Kontrollpunkte, die zugleich die Landesgrenzen darstellen. Eheregister, in den festgehalten wird, wer wen welcher Nationalität geheiratet hat, sind ihr Äquivalent. Hier geht es um bürokratische Grenzziehungen zu Migrant*innen im Landesinnern, die – kodifiziert etwa in den britischen Immigration Acts von 2014 und 2016 – den Zugang zu Arbeit, Wohnraum und Ausbildung für illegalisierte Migrat*innen verweigern (Kap. 4). Kapitel 5 analysiert die ›Grauzonen‹ des Migrationsregimes, die abgehängt und vernachlässigt nur das Vegetieren in rechtsfreien Räumen erlauben; der Dschungel von Calais und die Küstenregion rund um Dover sind die entsprechenden Fallbeispiele. Schließlich fasst Kapitel 6 die empirischen und theoretischen Ergebnisse – sie gehen auf ein EU-Forschungsprojekt des 7. Rahmenprogramms zurück (http://www.borderscapes.eu) – zusammen und schließt mit Ansätzen zu einem international angelegten Widerstand gegen die herrschende Anti-Migrationspolitik.
Nira Yuval-Davis, Georgie Wemyss, Kathryn Cassidy, Bordering. Cambridge 2019
Volker Eick ist Politikwissenschaftler und Mitglied im erweiterten Vorstand des RAV.
(1) Vgl. Alan Travis, ›Officials launch drive to seek out illegal migrants at work‹, The Guardian v. 16. Mai 2007, https://www.theguardian.com/uk/2007/may/16/immigration.immigrationandpublicservices.