Sie sind hier: RAV > PublikationenInfoBriefeInfoBrief #119, 2020 > »Seuchen-Sozialismus«

INFORMATIONEN ZUR COVID-19-KATASTROPHE

VOLKER EICK

An (Falsch)Informationen herrscht unter den Bedingungen von Krise und Katastrophe kein Mangel. Für die kapitalistischen Kernstaaten wird man wohl ›nur‹ von einem Höhe- oder Wendepunkt einer gefährlichen Entwicklung, der massive Funktionsstörungen vorausgingen, sprechen. Für das, was als Trikont bezeichnet wird, muss man von anhaltendem Niedergang nach einem Schadenereignis ausgehen, das mit der dortigen Infrastruktur und den dortigen Hilfskräften nicht wird bewältigt werden können. Einige Websites bieten zuverlässig rechts- und sozialpolitische Informationen in Zeiten von COVID-19.
Die Website-Betreibenden werden ihre Arbeit auch (und gerade dann) fortsetzen, wenn es heißt, die ›Krise‹ sei zu beenden und die ›Katastrophe‹ ausgeblieben. So wie bereits Ende März die Deutschen WirtschaftsNachrichten eine ganz andere ›Krise‹ zu erkennen meinte: Erpressung und Fremdbestimmung. Denn die Politik lasse es zu, dass die etwa 530.000 offiziell nachgewiesenen Corona-Fälle »über die restlichen 7,7 Milliarden Menschen bezüglich der Freizügigkeit und der wirtschaftlichen und existentiellen Bedingungen implizit ›bestimmen‹«.(1)
Drei Wochen später beklagte die Neue Zürcher Zeitung einen grassierenden »Seuchen-Sozialismus« und fordert eine Beantwortung auch dieser ›Klassenfrage‹ durch umgehende Entstaatlichung.(2) Wirtschaftsverbände und Lobby-Organisationen beschweigen zwar vornehm die ihnen zugeschanzten Steuermilliarden der letzten Wochen, fordern aber ebenfalls eine Beendigung der ›Krise‹ jetzt und kündigen bereits Lohnkürzungen, längere Arbeitszeiten – und selbstredend die Fortsetzung ihrer Boni-Zahlungen – an.

MIT DER WIRTSCHAFT AUS DEM RECHTSSTAAT

Der amtierende Bundestagpräsident Wolfgang Schäuble (CDU) wiederholt Ende April seine Haltung von 2007 und 2012, dass in Zeiten der ›Krise‹ das Recht auf Leben nicht im Mittelpunk stehen kann und stellt so ein Grund- und Menschenrecht in Frage.(3) Mit kleinerem Karo hatte das Anfang April schon der NRW-Innenminister Herbert Reul getan, als er darauf hinwies, in Zeiten von Corona »hätte ich keinerlei Verständnis dafür, dass ausgerechnet Versammlungen und Demonstrationen stattfinden dürften. […] Es gibt auch keinen Grund zu einer entsprechenden verfassungsrechtlichen oder rechtspolitischen Privilegierung der Grundrechtsausübung nach Artikel 8 des Grundgesetzes, zumal ich mich mit vielen anderen in der Meinung einig weiß, dass deren teils doch recht einseitig anmutende staatspraktische Bevorzugung in der Folge des sog. Brokdorf-Beschlusses des Bundesverfassungsgerichtes vielleicht auch in anderen Zusammenhängen einmal auf den Prüfstand gestellt werden sollte«.(4)

AKTUELLE INTERNET-QUELLEN ZU COVID-19

Die sozialpolitische Dimension von COVID-19 dürfte in den nächsten Wochen und Monaten noch an Bedeutung zunehmen. Nachfolgend eine kleine Auswahl an Internet-Adressen.
Die sozialpolitische Dimension von COVID-19 wird mit Informationen und Dokumenten, auch in globaler Perspektive, u.a. hier beleuchtet:


Die rechtspolitische Dimension, u.a. mit Blick auf das Verhalten von Ordnungsämtern, Polizei, Militär sowie sonstigen Akteuren, die (Grund)Rechte einschränken (wollen) und sich selbst durch Willkür, Befugnisübertretungen und/oder racial profiling auszeichnen, wird hier dokumentiert:


Eine feministische Perspektive wird in Beiträgen und Informationen zu den Folgen von COVID-19 – insbesondere für LGBTQ-Communities und Einzelpersonen, also für lesbische, schwule, bisexuelle, transsexuelle, transgender, queere, intersexuelle und asexuelle Menschen – in englischer Sprache auf dem Blog des ›Centre for Feminist Foreign Policy‹ (CFFP) geboten:


Die juristische Dimension, soweit Änderungen der Rechtslage mit direktem Bezug zu COVID-19 in Verordnungen und Gesetze gegossen, in Gerichtsurteilen abgelehnt, modifiziert oder bestätigt wurden, wird u.a. hier abgebildet:

Wir veröffentlichen im Folgenden vier Beiträge, die sich mit COVID-19 und dem Recht (Versammlungs-, Verfassungs- und Nebenstrafrecht) bzw. der Situation von Rechtsanwältinnen und Rechtsanwälten in der Pandemie auseinandersetzen. Die Beiträge konnten die rechtspolitische Situation bis zum 23. April 2020 berücksichtigen.

Volker Eick ist Politikwissenschaftler und Mitglied im erweiterten Vorstand des RAV.

(1)    Folker Hellmeyer, Wenige Hunderttausend bestimmen über das Schicksal von Milliarden, DWN v. 27. März 2020.
(2)    Eric Gujer, Die Seuche besiegen wir nicht mit Sozialismus – nach der Corona-Krise braucht es weniger Staat und nicht mehr, NZZ v. 17. April 2020.
(3)    Robert Birnbaum & Georg Ismar, Schäuble will dem Schutz des Lebens nicht alles unterordnen, Der Tagesspiegel v. 26. April 2020; vgl. Hans-Rüdiger Minow, ›Wir müssen alle sterben‹: Durchbruch des Sozialdarwinismus in der Corona-Pandemie, www.german-foreign-policy.com/news/detail/8261/ [02.05.2020].
(4)    Ministerium des Innern Nordrhein-Westfalen, Schriftlicher Bericht des Ministers des Innern für die Sitzung des Innenausschusses am 23.04.2020 zu dem Tagesordnungspunkt ›Versammlungen in NRW während der CoViD-19-Pandemie‹ (Sitzung des Innenausschusses am 23.04.2020), S. 7-8.