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VON FRAUEN AUF DER FLUCHT

Marily Stroux

Alles hinter sich gelassen, geflohen, gekämpft, überlebt... um jetzt hier ihren Alltag mit uns teilen. Frauen wie du und ich, sagt der erste Blick. Sie könnten unsere Kindheitsfreundinnen oder unsere Nachbarinnen sein. Frauen, die wir treffen im Bus, in der Schule oder bei der Arbeit.

Das, was sie erlebt haben, was sie riskiert haben für sich und ihre Familien, sieht Mensch ihnen nicht gleich an. Doch wer ihre Geschichten kennt, sieht sie gleich mit ganz anderen Augen. Die Kraft dieser Frauen sollte uns Mut machen und anstecken.
Auf der Insel Lesbos ankommende alleinstehende Frauen werden seit ein paar Jahren im Hotspot Moria untergebracht: Meist in Containern oder aber auch manchmal in Zelten. In den Fertighäusern sind 20 bis 22 Frauen untergebracht. Es gibt nur eine Toilette und zu wenige Kochgelegenheiten. Nato-Stacheldraht trennt die verschiedenen Gruppen in verschiedene Sektoren. Moria ist ein Gefängnis, das offene Tore hat, aber nicht für alle. Wäre der Hotspot nicht mit Menschen dreifach überbelegt, würde man die Tore wieder ganz verschließen. Doch die würdelosen Lebensbedingungen gekoppelt mit den Zäunen führten schon kurz nach der Geburt des EU-Türkei-Deals zu ständigen Revolten. Moria brennt immer wieder, und die meisten Menschen dort haben schon mehrfach alle ihre Habe verloren.
Ende Februar 2018 befinden sich nach offiziellen Angaben 212 alleinstehende Frauen in dem Lager. Sie kommen aus Kamerun, der Republik Kongo (Kongo-Brazzaville), der Demokratischen Republik Kongo, Syrien, Äthiopien, Afghanistan, Eritrea, dem Irak, Jemen, dem Iran, Somalia, Marokko, Palästina, Ghana, Algerien, Zimbabwe, von den Komoren, aus Nigeria und der Dominikanischen Republik.
Vier dieser Frauen leben schon seit über einem Jahr in Moria, obwohl die Unterbringung dort rechtlich auf maximal für 25 Tage ausgelegt ist, innerhalb derer die Identifizierung und Registrierung der neuangekommenen Flüchtlinge durch die Behörden eigentlich stattfinden soll.
Die Frauen dieser Ausstellung habe ich auf der Insel Lesvos über unterschiedliche Menschen und Gruppen kennengelernt, die ich hier erwähnen will, weil es neben dem Überlebenswillen dieser Frauen nur die Solidarität der Unterstützer*innen möglich macht, das unmenschliche Experiment EU-Türkei-Deal an den Außengrenzen Europas zu besiegen.

Ein Ausstellungsprojekt im Rahmen von Elbinsel Frauenfest 2018. Zusammen mit dem Bürgerhaus Wilhelmsburg, Dolle Deerns Kirchdorf und vielen andere Gruppen.

Danksagung an: Refugee Rescue Mo Chara, Proactiva, Sea Watch, Familie Gerontara, Dorf der Alle Zusammen, Siniparxis, No Border Küche Lesvos, Watch the Med Alarm Phone.

Die Ausstellung wurde finanziell unterstützt von Nordkirche weltweit.

Die Ausstellung wandert durch Wilhelmsburg und kann angefragt werden bei:

Marily Strouxmarily@busyshadows.org
Photos/Handcolorierung/Interviews: Marily Stroux

 

[Hinweis der Onlinebearbeiterin: Die Printversion des InfoBriefs #115 enthält Bilder von Marily Stoux, die in der entsprechenden PDF hier auf unserer Webseite zu sehen sind.]

RAV Visuelle Auseinandersetzung #03:
»DIE ROTE TASCHE, BRENNENDE SCHUHE UND ANDERE GESCHICHTEN VON FRAUEN AUF DER FLUCHT.«
»Die Kraft dieser Frauen sollte uns Mut machen und anstecken«.
Von Marily Stroux

Die Redaktion des RAV InfoBrief bedankt  sich  bei Marily Stroux für den Abdruck ihrer Ausstellung und möchte auch in Zukunft in vergleichbarer Form bildliche Auseinandersetzungen mit rechtspolitischen Fragestellungen aufgreifen.