Sie sind hier: RAV > PublikationenInfoBriefeInfoBrief #114, 2017 > Die Rolle der Juristen im Widerstand gegen Hitler

Die Rolle der Juristen im Widerstand gegen Hitler

REZENSION ZUR FESTSCHRIFT FÜR JUSTUS PERELS

Ralf Oberndörfer

Friedrich Justus Perels (1910-1945) war Justitiar der Bekennenden Kirche und neben Friedrich Weißler und Lothar Kreyssig einer der wenigen Juristen, die dem Widerstand gegen das NS-Regime zugerechnet werden können. Wenige Wochen vor Kriegsende wurde Perels bereits inhaftiert und auf dem Marsch vom Gefängnis in der Lehrter Straße (Nähe Hauptbahnhof) zum Prinz-Albrecht-Palais (heute ›Topographie des Terrors‹)  in Berlin mit anderen erschossen. Basierend auf den Beiträgen einer Tagung Perels zum Gedenken ist 2017 eine Festschrift erschienen, die Die Rolle der Juristen im Widerstand gegen Hitler untersucht und einige furchtlose Juristen würdigt.
Möchte man bei so unterschiedlichen Persönlichkeiten wie Perels, Weissler, Richard Schmid, Adam von Trott zu Solz und Josef Wirmer Gemeinsamkeiten für ihr Handeln finden, so lassen sich aus den biographischen Beobachtungen, denen ein Überblicksaufsatz von Claudia Fröhlich zu Rechtsdenken und Rechtspraxis im Nationalsozialismus voransgestellt ist, drei Faktoren hervorheben: ein stabiles persönliches Wertesystem, ein gewisses Maß an Handlungsspielraum, den die meisten der hier Genannten zu erweitern glaubten, indem sie den Beruf des Rechtsanwalts ausübten, sowie die Überzeugung von der Wirksamkeit juristischer Schritte gegen Verfolgung, auch in einer Diktatur. 1937 wurde Friedrich Weißler im KZ Sachsenhausen von der SS zu Tode getrampelt. 1940 erhielt Richard Schmid vom Volksgerichtshof eine Zuchthausstrafe. 1943 billigte der gläubige Katholik Josef Wirmer die Pläne für ein Attentat gegen Hitler. Ihre Bemühungen, mit Denkschriften, Eingaben, Plädoyers und Schriftsätzen gegenüber dem furchtbaren ›Behemoth‹ (Franz Neumann) des NS die Rechtsordnung und ihre Mandant*innen zu verteidigen, erwiesen sich als immer weniger wirksam. Die Nachricht von den Massenverbrechen hatte auch sie erreicht.
Für Friedrich Justus Perels war der protestantische Glaube, den er bereits im Schülerbibelkreis bei Martin Niemöller stärken und erkunden konnte, das stabile Wertesystem. Über die Intentionen seines Vaters bei dieser Arbeit schreibt Joachim Perels (*1942): »Er begnügte sich nicht damit, eine zutreffende Interpretation eines biblischen Textes mit anderen erarbeitet zu haben« (S. 51). Genau dies – Theologie und Jurisprudenz sind Textwissenschaften – hätte auch für kritische Jurist*innen zu gelten, die mehr sein wollen als die Subsumtionsmaschinen der hM. Norm und Ethik ergänzen einander, wo Exegese sinnlos wird, in der normierten Unmenschlichkeit, muss das Gewissen allein handeln. Das Beharren auf einen staatsfreien Bereich des religiösen Bekenntnisses begegnet uns heute in der Debatte um die Rechtmäßigkeit des Kirchenasyls mit aller (rechtsstaatlichen) Härte.
Clarita Müller-Plantenberg betont in ihrem Vorwort für die Stiftung, wie wichtig der Gegenwartsbezug für die Auseinandersetzung mit den juristischen Fragen und Methoden jener Juristen sei. Im dritten Teil des Bandes widmen sich zwei Beiträge den Utopien und Aporien in Völkrecht und Völkerstrafrecht. Ein dritter Beitrag plädiert unter Bezug auf Wolfgang Abendroth angesichts zunehmender sozialer Ungleichheit für eine neue kapitalismuskritische Analyse des NS-Systems. Ein kleiner Band, der große Fragen stellt und den persönlichen Mut jener Wenigen notwenigerweise wieder in Erinnerung ruft.

Stiftung Adam von Trott, Imshausen e.V. (Hg.): Die Rolle der Juristen im Widerstand gegen Hitler. Festschrift für Friedrich Justus Perels. Baden-Baden 2017.

Ralf Oberndörfer ist freiberuflicher Rechtshistoriker und Vorsitzender des Forum Justizgeschichte e.V.