Rechte der Gefangenen von Guantanamo
Welche Verpflichtungen folgen aus der völkerrechtswidrigen Behandlung der Gefangenen für die Hohen Vertragsparteien des Abkommens, wenn seine Regeln nicht eingehalten werden? In Guantanamo sind nach fast einem Jahr immer noch fast sechshundert Personen, die im Zusammenhang mit dem Krieg in Afghanistan gefangen genommen wurden, inhaftiert.
Ihre Situation ist dadurch gekennzeichnet, dass sie nicht wissen, ob überhaupt und wenn ja welche Vorwürfe ihnen zur Last gelegt werden, Beweismittel werden vorenthalten, sie haben keinen Zugang zu VerteidigerInnen , weder eine Kontrolle der Haftbedingungen noch ein Beschwerderecht dagegen ist möglich; internationalen Menschenrechtsorganisationen wie amnesty u.a. wird der Zutritt verweigert.
Das Internationale Rote Kreuz, das Zutritt in Guantanamo hatte, ist nicht befugt, öffentliche Stellungnahmen abzugeben.
Die USA bezeichnen die Gefangenen als „unrechtmäßige Kombattanten“, denen der Status als Kriegsgefangener nicht zukommt und die auch ansonsten nicht unter den Schutz der Genfer Konvention fallen.
Nach der 3. Genfer Konvention, (Art 5 Abs. 2 ) ist jedoch jeder während eines bewaffneten Konflikts Gefangene bis zur endgültigen Feststellung, ob er Kombattant iSd Konvention ist, als solcher zu behandeln. Das gilt sowohl für vemeintliche Taliban wie auch mutmaßliche Al Quaida Angehörige.
Jedoch selbst wenn man allen während des bewaffneten Konflikts in Afghanistan Gefangenen keinen Status als Kriegsgefangene zubilligen würde, zählen sie zur Zivilbevölkerung, die dem Schutz der 4.Genfer Konvention unterliegen (zur Frage des Status und der Rechte der Gefan-genen in Guantanamo: Kurth in ZRP, 2002, 404 ff; amnesty international, human rights watch, Audeoud in der fr. Ausgabe der Le monde diplomatique, April 2002, mit jeweils weiteren Nachweisen).
I. Welche Rechte sind bei der Verbringung der Gefangenen nach Guantanamo und durch ihre Behandlung dort verletzt, bei Anwendung der GK III?
Als Kriegsgefangene müßten sie nach Beendigung des bewaffneten Konflikts frei gelassen werden (Art 118 GK III), es sei denn, ihnen werden konkrete Kriegsverbrechen vorgeworfen.
Dann jedoch müssen sie wiederum als Beschuldigte behandelt werden, also erfahren, was ihnen vorgeworfen wird und die Möglichkeit haben, einen Verteidiger zu beauftragen und Akteneinsicht erhalten; ihre Namen müssen bekannt gegeben werden und Rechtsmittel gegen eine Verurteilung müssen zulässig sein (im einzelnen Art. 199 ff GK III).
Die Gefangenen in Guantanamo wissen nach einem Jahr noch nicht einmal, was ihnen vorgeworfen wird, noch sind sie verteidigt.
Unter diesen Umständen verstößt das weitere Festhalten gegen humanitäres Völkerrecht und auch gegen sonstige Konventionen.
Aber auch ihre Unterbringung in Käfigen, die immer wiederkehrenden Verhöre, die stattfinden ohne jeglichen Zugang zu anwaltlichem Beistand, stellen eine menschenunwürdige Behandlung im Sinne der Genfer Konvention III dar und öffnen zudem Folter Tür und Tor.
So werden z.B. pakistanische Staatsangehörige vom pakistanischen Geheimdienst verhört.
Dieser ist bekannt für regelmäßige Folter, Schläge und Misshandlung von Personen, um Geständnisse zu entlocken.
Im einzelnen ist völlig unbekannt, wie und von wem Verhöre durchgeführt werden. Die Gefangenen haben keine Möglichkeit ein Gericht anzurufen oder sich zu beschweren (amnesty 2.8.2002).
II. Zu welchen Konsequenzen führt dann eine völkerrechtswidrige Behandlung von Kriegsgefangenen durch die USA?
Da die USA wie oben beschrieben die Gefangenen völkerrechtswidrig nach Guantanamo verbracht haben und dort wiederum entgegen humanitärem Völkerrecht behandeln, hat jeder andere Vertragsstaat, also auch Deutschland, die Verpflichtung, die Täter vor Ort und ihre Befehlsgeber zu ermitteln und vor eigene Gerichte zu stellen.
Die Bundesrepublik hat in § 6 Nr. 9 StGB die unmittelbare Anwendung des deutschen Strafrechts festgelegt, wenn eine Verpflichtung aufgrund eines internationalen Abkommens besteht.
III. Welche Rechte sind bei Anwendung der GK IV verletzt?
Und auch hier gilt, dass ein wegen einer Straftat Beschuldigter unverzüglich erfahren muss, was ihm vorgeworfen wird, die Möglichkeit haben, sich verteidigen zu lassen oder einen Verteidiger beigeordnet zu bekommen, die Beweismittel zu erfahren und gegen eine Verurteilung Rechtsmittel einzulegen (im einzelnen Art. 71 ff GK IV).
Angehörige der Zivilbevölkerung dürfen ebenfalls nicht unmenschlich behandelt, gefoltert, getötet werden (s. Art. 3, 27 ff. GK IV) so dass auch die ständigen Verhöre und die Art der Unterbringung verboten sind.
IV. Welche Folgen hat eine völkerrechtswidrige Behandlung der Zivilbevölkerung?
Da die USA, wie oben beschrieben, die Gefangenen völkerrechtswidrig nach Guantanamo verbracht haben und dort wiederum entgegen humanitärem Völkerrecht behandeln, hat jeder andere Vertragsstaat, also auch Deutschland, die Verpflichtung, die Täter vor Ort und ihre Befehlsgeber zu ermitteln und vor eigene Gerichte zu stellen.
Die Bundesrepublik hat in § 6 Nr. 9 StGB die unmittelbare Anwendung des deutschen Strafrechts festgelegt, wenn eine Verpflichtung aufgrund eines internationalen Abkommens wie z.B. der Genfer Konvention besteht.
Als zu prüfende Tatbestände des materiellen Strafrechts kommen u.a. Freiheitsberaubung, Menschenraub, Nötigung und Körperverletzung in Betracht.
Es wird deutlich, dass es unter dem Blickwinkel der Konsequenzen der völkerrechtswidrigen Behandlung der in Guantanamo gefangenen Afghanistan Kämpfer unerheblich ist, ob auf sie die 3. oder 4. Genfer Konvention Anwendung findet. In beiden Fällen ist u.a. Deutschland verpflichtet, tätig zu werden und Ermittlungen auf zu nehmen.