Editorial

Mit einiger Verspätung melden wir uns mit dem 89. Infoheft in der Gestalt, die ihm Dirk Teschner und das W3Buero, Berlin gegeben hat. Das Heft hat zwei Schwerpunkte, den angekündigten und nunmehr vor der Tür stehenden Krieg gegen den Irak sowie dem Grundrechtsabbau, vor allem im Bereich des Demonstrationsrechts. Anlässlich der Vorführung des Films The Trials Of Henry Kissinger von Eugene Jarecki im September diesen Jahres im Haus der Demokratie diskutierten wir unter anderem die Frage, wie sich denn die amerikanische Gegenöffentlichkeit zum angekündigten Krieg äußert. Wir dokumentieren daher die Erklärung not in our name amerikanischer Kulturschaffender, die auch zu der großen Demonstration am 6. Oktober 2002 in mehreren amerikanischen Großstädten aufgerufen hatten. Wolfgang Kaleck befasst sich mit dem Fall Kissinger, den die meisten von uns wahrscheinlich nur als elder statesman und Friedensnobelpreisträger kennen. Manch einem wird in diesem Zusammen-hang vielleicht auch noch die Diskussion um die Einladung Kissingers zur Eröffnung des Jüdischen Museums in Berlin erinnerlich sein; schon damals war die Rede von möglichen Verwicklungen in Kriegsverbrechen. Dieter Deiseroth, IALANA und Richter am Bundesverwaltungsgericht, äußert sich in seinem Artikel zu der Frage, welche völkerrechtlichen Konsequenzen sich ergeben könnten, wenn die USA das Hoheitsgebiet der Bundesrepublik für einen US-Krieg gegen den Irak nutzen wollen. In einem weiteren Beitrag befasst sich Silke Studzinsky mit der Frage, welche Konsequenzen die Anwendbarkeit der 3. und 4. Genfer Konvention für die Gefangenen in Guantanamo auf Cuba haben könnte. Sodann haben uns natürlich die Fragen um die Demonstrationsfreiheit im Wendland beschäftigt. Der RAV rief dieses Jahr zur Demonstration gegen die Endlagerung von Atommüll am Samstag, den 9. November 02, in Gorleben auf. Die zunehmende Grundrechtsfeindlichkeit der Bezirksregierung und des Landes zwang zur Erwiderung. Wurden in den vergangenen Jahren Genehmigungen zu Demonstrationen bis zuletzt hinausgezögert, durch umfassende Absperrungen der Transportstrecken weite Bereiche unpassierbar gemacht, durch zahllose Platzverweise Aufenthaltsverbote ausgesprochen, durch rechtswidrige Massen-Ingewahrsamnahmen Demonstranten eingesperrt, soll der Aufruf zur Demonstration nunmehr ein Zeichen gegen die Freiheit vom Recht im Wendland setzen. In einem offenen Brief haben wir uns an die Richterinnen und Richter im Wendland gewandt. Weiter drucken wir das Vorwort zur Broschüre “Die polizeiliche Ingewahrsamnahme” ab. Die Broschüre wird voraussichtlich noch dieses Jahr erscheinen und sich mit den anwaltlichen Fragen der Verteidigung im FGG Verfahren befassen.
Die Demonstrationsfreiheit ist darüber hinaus auch im europäischen Zusammenhang ein gefährdetes Grundrecht. Anlässlich der diversen Gipfeltreffen der Regierenden Europas kam es immer wieder zur rechtswidrigen Aufhebung des Schengener Abkommens über die innereuropäische Reisefreiheit. Dateien über angeblich reisende Gewalttäter wurden zwischen Schweden, Deutschland und Italien ohne rechtliche Grundlagen hin- und hergeschoben. Die Innenminister der europäischen Staaten, allen voran Schily und der ehemalige italienische Innenminister Scajola, nutzten die Ereignisse von Göteborg und Genua, um eine europäische Gipfel-Polizei zu fordern. Während Europa wirtschaftlich und polizeilich zusammenwächst, hinkt die bürgerliche Freiheit hinterher. Die Brüsseler Kolleginnen und Kollegen der SAD schufen anlässlich des EU-Gipfeltreffens in Laeken/Brüssel ein sog. LEGAL-TEAM. Wir dokumentieren durch den Abdruck zweier Berichte die Tätigkeiten der europäischen LEGAL-TEAMs und drucken einen Aufruf zur Schaffung eines europäischen Legalteams in der Bundesrepublik ab. Wolfgang Kaleck berichtet über den Stand der Ermittlungsverfahren gegen argentinische Militärs, die durch die Staatsanwaltschaft Nürnberg geführt werden. Weiter dokumentieren wir den Aufruf zur Öffnung der Archive über den Herbst 1977 sowie einen Artikel Wolf Dieter Vogels, der noch einmal die Fragen zum Tod Baaders, Enßlins und Raspes zusammenfaßt. Weiter rezensiert Wolfgang Kaleck das Lehrbuch zum Völkerstrafrecht von Kai Ambos. Auch möchten wir noch einmal auf diesem Wege alle Interessierte zu unserer kommenden Vorstandssitzung und Mitgliederversammlung am 6. und 7. Dezember 2002 in Berlin einladen. Am 6. Dezember wird Prof. Dr. Fritz Sack seinen Vortrag gouverning through crime zur Diskussion stellen. Wir freuen uns sehr, dass wir unser Gründungsmitglied Herrn Prof. Dr. Sack für diesen Vortrag gewinnen konnten. Ganz zum Schluss bitten wir um freundliche Beachtung unserer Fortbildungsangebote am Ende des Heftes. Viel Anregung bei der Lektüre wünscht Hannes Honecker