»Ja, wir sorgen uns um Dich«
Rede von Peer Stolle zur Freilassung des Rappers Toomaj Salehi
Weil er sich an regierungskritischen Protesten nach dem Tod von Mahsa Amini beteiligte, ist der iranische Rap-Musiker Salehi zu mehr als sechs Jahren Haft verurteilt worden. In seinen Texten hatte er die iranische Regierung kritisiert.
»Mit viel Bewunderung, Freude und Respekt blicken wir auf die Menschen im Iran. Aber auch mit großer Bestürzung und Wut auf die anhaltende und brutale Repression seitens des iranischen Regimes. Einer Repression, der viele zum Opfer fallen; der Rapper Toomaj Salehi, wegen dem wir uns heute versammeln, ist nur einer von ihnen. Auch ihm wird Krieg gegen Gott vorgeworfen und ihm droht die Todesstrafe.
Wir als Rechtsanwält*innen, als Verein, fühlen uns solidarisch mit den Menschen im Iran, die tagtäglich für ihre elementaren Rechte ihr Leben riskieren. Wir haben wie viele andere Petitionen unterschrieben, Kundgebungen organisiert, auf die Situation unserer Kolleg*innen aufmerksam gemacht und für unseren bereits seit 2018 inhaftierten Kollegen Amirsalar Davoudi die Patenschaft übernommen.
Für uns als Anwält*innen ist es selbstverständlich, sich für die Rechte unserer Mandant*innen einzusetzen, mit dem Recht gegen Ungleichheit zu kämpfen, es einzusetzen, um unseren Mandant*innen, den Menschen, Freiräume zu erkämpfen oder zu verteidigen.
Wir wissen aber auch, dass die Strukturen, die Ungleichheit, Ungerechtigkeit und Unfreiheit produzieren, nicht im Gerichtssaal verändert werden können, sondern dass dies nur möglich ist, wenn Druck von außerhalb kommt, aus der Gesellschaft. Wenn sich Leute zusammenschließen, auf die Straße gehen, ihren Unmut ausdrücken und dafür sorgen, dass es nicht so bleibt, wie es ist.
Auch Toomaj hat das getan. Er hat in seinen Songs die Ungerechtigkeit des Regimes angeprangert. Er ist aber auch – als es Zeit dafür war – auf die Straße gegangen, um seinen Protest auszudrücken. Toomaj hat gesagt, wenn du und ich eine Einheit werden, dann gibt es keine Grenzen.
Wenn Kurd*innen und Belutsch*innen und alle anderen Menschen, die im Iran leben, sich gegenseitig sehen, sich anerkennen in ihrer Unterschiedlichkeit aber auch in ihren Gemeinsamkeiten, wenn sich Männer explizit hinter einer feministischen Parole versammeln, Frauen mit unglaublichem Mut für ihre Rechte kämpfen und Arbeiter*innen streiken,… das ist vielleicht, was Toomaj unter Einheit versteht, die keine Grenzen mehr kennt.
Tommaj hat auch gesagt, wenn ihr euch ernsthaft gesorgt hättet, dann wäret ihr an meiner Seite. Ja, wir sorgen uns um dich, Toomaj. Wir sorgen uns um die vielen, die in iranischen Gefängnissen sitzen, um die zum Tode Verurteilten, um die, die tagtäglich ihre Freiheit, ihre Gesundheit und ihr Leben für ihre Rechts aufs Spiel setzen.
Diese Sorge treibt uns auf die Straße, an deine Seite, Toomaj, an die Seite all der anderen. Lasst uns deswegen zusammenstehen, nicht nur heute und hier, sondern auch morgen und übermorgen und überall dort, wo die elementaren Rechte der Menschen mit Füßen getreten werden.
Freiheit für Tommaj,
Freiheit für Amirsalar Davoudi,
Freiheit für alle politischen Gefangenen!
Für die Abschaffung der Todesstrafe und ein Ende der Repression
Frau Leben Freiheit
Jin Jihan Azadi«
Peer Stolle ist Rechtsanwalt in Berlin, Vorstandsvorsitzender des RAV und Mitglied der Redaktion des Infobriefs