Fortsetzung des Großverfahrens gegen 46 Rechtsanwältinnen und Rechtsanwälte in der Türkei. Auch nach zwei Jahren Untersuchungshaft ist kein Ende der Inhaftierung von Kolleginnen und Kollegen im sogenannten KCK-Anwälteverfahren in Sicht. Das Gericht weigert sich weiterhin, elementarste Regeln zur Durchführung eines Strafprozesses anzuwenden.
Am 19. Dezember 2013 fand der neunte Hauptverhandlungstag im Massenverfahren gegen 46 überwiegend kurdische Rechtsanwältinnen und Rechtsanwälte in Silivri bei Istanbul statt. Aus Deutschland waren Vertreterinnen und Vertreter des RAV, der Vereinigung Berliner Strafverteidiger e.V. und erstmals auch der Bundesrechtsanwaltskammer anwesend. Sie beobachteten das Verfahren als Teil einer internationalen Delegation von Berufsverbänden.
Der Vorwurf der Anklage ist die angebliche Mitgliedschaft der Kolleginnen und Kollegen in der ›Union der Gemeinschaft Kurdistans‹ (KCK). Allen ist gemein, dass sie Abdullah Öcalan in den Jahren 2010 und 2011 im Rahmen seiner Verteidigung in der Haftanstalt auf der Insel Imral? besuchten. Festgenommen wurden sie im November 2011.
Durch vorherige Äußerungen des Vorsitzenden erwartete die Verteidigung für den anberaumten Verhandlungstag das Plädoyer der Staatsanwaltschaft. Bisher hatte jedoch keine Beweisaufnahme stattgefunden. Damit bestand die Befürchtung, dass das Gericht das Verfahren nach nur neun Verhandlungstagen ohne Beweisaufnahme zum Abschluss bringen wolle.
Während der Verhandlung kommentierte die Verteidigerin Oya Aydin, dass dieses Verfahren einem Theaterstück gleichkomme, in dem die Verteidigerinnen und Verteidiger versuchen »Gerechtigkeit zu spielen«, das Gericht sich jedoch schon weit von allen Verfahrensregeln entfernt habe.
Die Einlassungen der Angeklagten und Anträge der Verteidigung hatten deshalb zum Ziel, das Gericht zu einem fairen Verfahren anzuhalten und dazu zu bewegen, in die Beweisaufnahme einzutreten. Mehrfach forderte die Verteidigung das Gericht auf, das Verfahren nach den Regeln der Prozessordnung durchzuführen. Die Verteidigung warf dem Gericht zudem vor, allein ein politisches Verfahren zu führen, anstatt geltendes Recht anzuwenden.
Erneut wurden alle wesentlichen Anträge der Verteidigung abgelehnt, insbesondere die Ladung der in der Akte aufgeführten Zeugen zu veranlassen. Offenbar soll ohne deren Vernehmung der Akteninhalt als wahr unterstellt werden. Dies bedeutet einen eklatanten Verstoß gegen die türkische Strafprozessordnung.
Letztlich erklärte sich das Gericht lediglich dazu bereit, einen behördlichen Gutachter zu technischen Fragen hinsichtlich der Kommunikation der Angeklagten untereinander zu beauftragen sowie eine Akte aus einem Parallelverfahren in der Stadt Van beizuziehen.
Erfreulich ist allein, dass am Ende des zehnstündigen Verhandlungstages weitere vier der angeklagten Kolleginnen und Kollegen haftverschont wurden. Ohne Begründung blieb allerdings, warum dies nach mehr als zwei Jahren Untersuchungshaft erfolgte und weiterhin elf Angeklagte in Haft bleiben müssen.
Der nächste Verhandlungstermin ist für den 8. April 2014 festgesetzt. Eine über drei Monate andauernde Verhandlungspause in einem Verfahren, in dem weiterhin elf Anwältinnen und Anwälte inhaftiert sind, ist ein weiterer deutlicher Verstoß gegen das Beschleunigungsgebot. Immer noch fehlt es bei diesem Verfahren an jeglicher Transparenz und nachvollziehbarer Verhandlungsführung des Vorsitzenden.
Der RAV und die Vereinigung Berliner Strafverteidiger e.V. fordern die sofortige Freilassung der inhaftierten Kolleginnen und Kollegen sowie die Einstellung des Verfahrens.
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Republikanischer Anwältinnen- und Anwälteverein e.V.
Vereinigung Berliner Strafverteidiger e.V.
Bericht vom 9. Verhandlungstag (PDF)