Mit Schreiben vom heutigen Tag hat der Republikanische Anwältinnen- und Anwälteverein e. V. (RAV) die Europäische Kommission über die deutschen Regelungen zur Gebührenerhebung für die Bearbeitung und Erteilung von Aufenthaltserlaubnissen an türkische Staatsangehörige und Arbeitnehmer in Kenntnis gesetzt und die Einleitung eines Vertragsverletzungsverfahrens gegen die Bundesrepublik Deutschland angeregt.
Der EuGH hat in den vergangenen Jahren wiederholt auf die Bedeutung der sog. standstill-Klauseln des Assoziationsrechts (Art. 41 Abs. 1 ZP zum Assoziierungsabkommen EWG-Türkei, Art. 13 ARB 1/80) hingewiesen. Diese Regelungen verbieten es, nach in Kraft treten des Zusatzprotokolls bzw. des Assoziationsratsbeschlusses ARB 1/80 im Jahr 1973 bzw. 1980 neue Beschränkungen für assoziationsberechtigte türkische Staatsangehörige und Arbeitnehmer einzuführen oder ihre Rechtsposition unverhältnismäßig zu verschlechtern. Zudem leitet der EuGH aus dem Diskriminierungsverbot (Art. 10 ARB 1/80) die Unzulässigkeit solcher Regelungen ab, die assoziationsberechtigte türkische Arbeitnehmer gegenüber EU-Bürgern unverhältnismäßig benachteiligen.
Die derzeitige deutsche Praxis wird diesen europarechtlichen Vorgaben unter anderem im Bereich des Ausweisungsschutzes, des Familiennachzugs, der Visafreiheit oder des Gebührenrechts nach Auffassung des RAV nicht gerecht. So haben sich etwa die Gebühren für die Erteilung oder Verlängerung von Aufenthaltstiteln gegenüber 1973 teilweise vervierfacht, während von EU-Bürger keine oder nur geringe Gebühren erhoben werden. Gleichwohl sieht die Bundesregierung bislang keinen Handlungsbedarf, obwohl der EuGH erst jüngst, mit Urteil vom 29.4.2010, in einem Vertragsverletzungsverfahren (Rechtssache C-92/07) vergleichbare Regelungen in den Niederlanden für eurorechtswidrig erklärt hat.
Das nun bei der EU-Kommission anregte Vertragsverletzungsverfahren soll dazu beitragen, zügig die Gebührenregelungen an die geltende Rechtslage anzupassen und darüber hinaus auf eine verstärkte Beachtung der Rechtsstellung assoziationsberechtigter türkischer Staatsangehöriger und Arbeitnehmer in Deutschland hinwirken.
Ansprechpartner
Rechtsanwalt Carsten Gericke, RAV- Geschäftsführer, Tel. 040.43135110
RAV regt bei EU-Kommission Vertragsverletzungsverfahren gegen Deutschland an (PDF)