Am 17.09.2013 fand der achte Hauptverhandlungstag in dem Massenverfahren gegen 46 überwiegend kurdische Kolleginnen und Kollegen in Silivri bei Istanbul statt. Aus Deutschland waren Vertreterinnen der VDJ, des RAV und der Vereinigung Berliner Strafverteidiger e.V. anwesend, die das Verfahren als Teil einer internationalen Delegation von Berufsverbänden beobachteten.
Anklagevorwurf ist die angebliche Mitgliedschaft der Kolleginnen und Kollegen in der Union der Gemeinschaft Kurdistans (KÇK). Alle haben Abdullah Öcalan in den Jahren 2010/2011 im Rahmen seiner Verteidigung in der Haftanstalt auf der Insel Imralı besucht und wurden im November 2011 festgenommen.
Obwohl der Prozess bereits im Juli 2012 begann, kam es erst gestern zum Abschluss der Einlassungen der angeklagten Anwältinnen und Anwälte. Grund dafür ist, dass lediglich alle drei Monate ein Hauptverhandlungstag stattfindet. Dies ungeachtet der Tatsache, dass sich nach wie vor 15 Kolleginnen und Kollegen seit fast zwei Jahren in Untersuchungshaft befinden.
Die Delegation erwartete heute – wie die Verteidigung auch – entsprechend der Strafprozessordnung die Eröffnung der Beweisaufnahme. So beantragte die Verteidigung die Vernehmung von Zeugen und warf der Staatsanwaltschaft vor, bereits durch die Einleitung der Ermittlungen ihr Amt missbraucht zu haben: "Schon früher gab es Eingriffe in die Menschenrechte, nun gibt es auch direkte Angriffe auf die anwaltliche Berufsausübung", erklärte Rechtsanwalt Tahir Elçin, Präsident der Rechtsanwaltskammer Diyarbakır.
Die Kammer lehnte jedoch alle Beweisanträge ab, unterbrach die Verhandlung bis zum 19. Dezember 2013 und forderte die Staatsanwaltschaft auf, sich bis dahin auf das Abschlussplädoyer vorzubereiten. Die Verteidigung geht nach diesem Prozessverhalten der Kammer davon aus, dass eine Verurteilung ohne die Erhebung jeglicher Beweise erfolgen soll. Denn gleichzeitig beschloss das Gericht die Haftfortdauer der 15 noch inhaftierten Kolleginnen und Kollegen.
"Dieses Verfahren ist eine Farce; damit ist selbst der Anschein eines rechtsstaatlichen Verfahrens zunichte gemacht. Es ist damit zu rechnen, dass unsere Kolleginnen und Kollegen ohne jeglichen Schuldnachweis verurteilt werden. Das schafft ein Klima der Angst, das die Anwaltschaft – und ihre Aufgabe in der Gesellschaft - über dieses Verfahren hinaus ernsthaft bedroht", so Gilda Schönberg, Rechtsanwältin aus Berlin.
Die beobachtenden Vereinigungen fordern die unverzügliche Freilassung der Kolleginnen und Kollegen und die Beendigung der willkürlichen Verfolgung der Anwaltschaft.
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Vereinigung Demokratischer Juristinnen und Juristen e.V. (VDJ) Republikanischer Anwältinnen- und Anwälteverein (RAV)
Vereinigung Berliner Strafverteidiger e.V.
PM_ Prozess ohne Verhandlung (PDF)