In den Jahren nach seiner Unabhängigkeit im Jahr 1991 hatte Aserbaidschan die wichtigsten internationalen und europäischen Menschenrechtsverträge ratifiziert. Dennoch wurden von Ausschüssen der Vereinten Nationen, vom Europarat und durch Nichtregierungsorganisationen ständige Menschenrechtsverletzungen festgestellt. Aserbaidschanische Anwält*innen, die die Opfer solcher Menschenrechtsverletzungen vertraten und über Folter und Misshandlungen in Polizeigewahrsam berichteten, erlitten ebenfalls schwere Verletzungen ihrer Grundrechte.
Daher hat der RAV zusammen mit 31 weiteren europäischen und internationalen Organisationen der Anwaltschaft für den 11. Tag des verfolgten Anwalts im Jahr 2021 die Situation der Kolleg*innen in Aserbaidschan ins Zentrum gestellt und dabei insbesondere mit den Kolleg*innen der Group of Practising Lawyers (GPL), einer Gruppen von Menschenrechtsanwält*innen in Aserbaidschan, zusammengearbeitet. Ihr Ziel ist es, sich gegen diejenigen Gesetzesänderungen zu wehren und sie abzuschaffen, die darauf zielen, die Rechte von Anwält*innen zu beschneiden oder ihnen die Berufsausübung zu verunmöglichen.
Berichte von europäischen und internationalen Organisationen
Die UN-Arbeitsgruppe gegen willkürliche Inhaftierungen stellte 2017 fest, dass Anwält*innen, die Angriffe gegen Menschenrechtsverteidiger*innen vor den Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte (EGMR) brachten, ihre Lizenz gestrichen oder sie sogar unter verschiedenen Anschuldigungen inhaftiert wurden. Der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte belegte für 2002 Verstöße gegen die Europäische Menschenrechtskonvention (EMRK), darunter unmenschliche oder erniedrigende Behandlung (Verstoß gegen Art. 3), willkürliche Inhaftierung (Art. 5), Verletzung des Rechts auf ein faires Verfahren (Art. 6).
Human Rights Watch berichtete 2019, dass mindestens 30 Menschenrechtsverteidiger*innen, Journalist*innen, Oppositionelle, Gläubige und andere Kritiker*innen zu Unrecht inhaftiert waren. Zudem gab es Folter und Misshandlungen in der Haft, staatliche Eingriffe gegen die Versammlungsfreiheit, ungerechtfertigte Eingriffe in die Arbeit von Rechtsanwält*innen und Einschränkungen der Pressefreiheit.
Ebenfalls 2019 hat das Menschenrechtsinstitut der Internationalen Anwaltskammer (IBAHRI) einen Offenen Brief mitunterzeichnet, in dem es u.a. heißt, »Wir fordern die aserbaidschanische Regierung außerdem auf, die internationalen Standards zum Schutz der Anwaltschaft einzuhalten, einschließlich derer, die im Internationalen Pakt über bürgerliche und politische Rechte, in der Europäischen Menschenrechtskonvention und in den UN-Grundprinzipien zur Rolle der Rechtsanwält*innen (30. Jahrestag im Jahr 2020) enthalten sind«.
Die Organisationen Lawyers for Lawyers und die Bar Association of England and Wales stellten 2018 fest, dass die aserbaidschanischen Behörden die Rechte von Anwält*innen missachten, indem sie ihnen nicht erlauben, ihren Beruf angemessen und ohne Einschüchterungen, Behinderungen, Schikanen oder unangemessene Einmischungen auszuüben. Darüber hinaus haben die aserbaidschanischen Behörden keine wesentlichen Maßnahmen ergriffen, um das Recht auf faire Verfahren durchzusetzen sowie sicherzustellen, dass jede*r Bürger*in effektiven Zugang zur Justiz und zu einem Rechtsbeistand eigener Wahl hat.
Aserbaidschan hat die schlechteste Bilanz unter den Ländern, die die Regelungen der EMRK nicht umsetzen. Jüngsten Statistiken zufolge (https://rm.coe.int/168070973e) hat Aserbaidschan nur 16 Prozent der vom Gerichtshof erlassenen Entscheidungen umgesetzt. Das systematische Versagen bei der Umsetzung von EGMR-Entscheidungen macht es auch Anwält*innen, deren Rechte verletzt wurden, unmöglich, ihren Beruf wieder auszuüben. Nach Angaben von Anwält*innen in Aserbaidschan sind vor dem EGMR derzeit mehr als zehn Fälle anhängig, in denen es um den Ausschluss von Anwält*innen oder missbräuchliche Disziplinarverfahren gegen Anwält*innen geht.
Der RAV fordert zusammen mit 31 anderen Anwaltsorganisationen weltweit, darunter die Stiftung ›Tag des verfolgten Anwalts‹ und die Europäischen Demokratischen Anwält*innen (Avocats Euroéens Democrates/European Democratic Lawyers, AED-EDL):
- Die Urteile des EGMR zu Menschenrechtsverteidiger*innen, einschließlich Rechtsanwält*innen, müssen ebenso vollständig umgesetzt werden wie die Europäische Menschenrechtskonvention.
- Die UN-Grundprinzipien zur Rolle der Anwält*innen müssen vollständig umgesetzt werden.
- Anwält*innen, die durch ungerechtfertigte und rechtswidrige Maßnahmen wie Berufsverbot oder Freiheitsentzug Schaden erlitten haben, müssen voll entschädigt werden.
- Anwält*innen dürfen nicht daran gehindert werden, ihre bürgerlichen und politischen Rechte auszuüben.
- Die Unabhängigkeit und Rolle von Anwält*innen muss von allen staatlichen Institutionen respektiert werden. Alle staatlichen Behörden sollten in Zusammenarbeit und Absprache mit der Anwaltskammer und den Anwält*innen selbst Maßnahmen ergreifen, um sicherzustellen, dass Anwält*innen vor Einschüchterung und Belästigung oder anderen unangemessenen Eingriffen in ihre Arbeit geschützt sind.
- Keine Exekutiv- oder Justizbehörde sollte strafrechtliche, verwaltungsrechtliche, wirtschaftliche oder andere Sanktionen gegen Anwält*innen für Handlungen einleiten oder androhen, die mit ihren beruflichen Pflichten, ihrer Berufsethik und etablierten Standards übereinstimmen.
- Die Rolle und die Pflicht von Anwält*innen, unbeschränkten Zugang zu ihrer Mandantschaft zu haben, muss respektiert werden.
Den vollständigen Bericht sowie sämtliche Forderungen finden Sie hier (engl).
Kundgebung
11. ›Tag des verfolgten Anwalts‹ – Solidarität mit den Anwält*innen in Aserbaidschan
Freitag, 22.01.2021 um 13.00 Uhr
Botschaft der Republik Aserbaidschan in Berlin
Hubertusallee 43 | 14193 Berlin
Bus M29, Haltestelle Lynarstraße
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