Morgen wird in Augsburg das Urteil gegen Rechtsanwalt und Strafverteidiger Stephan Lucas gesprochen: ein Jahr neun Monate Gefängnis auf Bewährung und drei Jahre Berufsverbot wegen Strafvereitelung – so hat es jedenfalls die Staatsanwaltschaft gefordert.
Der Republikanische Anwältinnen- und Anwälteverein (RAV) hat das Verfahren aus Sorge um die Freiheit der Advokatur beobachtet. Sollte das Urteil gemäß der Staatsanwaltschaft ausfallen, sähe sich der RAV in seinen schlimmsten Befürchtungen bestätigt. „Die Richter, Herren des Strafrechts, sollen einen Rechtsanwalt mit eben diesem Mittel disziplinieren, nicht im Namen des Volkes, sondern im Namen der Subordination“, so Rechtsanwalt Martin Heiming, Vorsitzender des RAV. „Das Signal an alle Strafverteidiger: Wer engagiert verteidigt, wird am Ende selbst bestraft.“
Wie kann ein Strafverteidiger, der seinen Beruf ernst nimmt, überhaupt eine Strafvereitelung begehen? Seine Aufgabe ist es, Verfahrens- und Beschuldigtenrechte durchzusetzen. Im philosophischen Sinne betreibt er so immer „Strafvereitelung“.
Was hat Rechtsanwalt Lucas getan? Er hatte 2009 vor dem Landgericht Augsburg einen Mandanten gegen den Vorwurf verteidigt, in 26 Fällen mit insgesamt ca. 130 kg Rauschgift gehandelt zu haben. Lucas rügte später in der Revision beim Bundesgerichtshof (BGH) unter anderem ein „unfaires“ Verfahren. Vorsitzender und Berichterstatter in Augsburg hatten ihm einen Deal angeboten, eine Strafe von unter 5 Jahren im Fall eines Geständnisses. Sein Mandant lehnte ab. Er wollte kein falsches Geständnis ablegen. Am Ende erreichte Lucas, dass sein Mandant nur wegen sieben Fällen mit ca. 25 kg verurteilt wurde. Die Richter verhängten dafür 8 Jahre und 6 Monate. Dass das nicht fair erscheint, liegt auf der Hand.
Gegenüber dem BGH gaben die Richter an, sie hätten zwar Lucas zu einem Gespräch getroffen, Zahlen aber seien dabei nicht genannt worden. Lucas widersprach dieser Darstellung ausdrücklich. Der BGH verwirft dann normalerweise die Rüge des unfairen Verfahrens, weil sie unbewiesen geblieben sei. In diesem Fall „übersah“ der BGH den Widerspruch und schlussfolgerte, Lucas habe ihn mit der Rüge bewusst belogen.
Dies war das Startsignal für die Augsburger Staatsanwaltschaft, Lucas wegen Strafvereitelung anzuklagen, ausgerechnet bei den Richtern des Vorprozesses, die selbst gar nicht auf die Idee kamen, sie könnten befangen sein.
Jetzt sollen Richter einer anderen Kammer des Landgerichts Rechtsanwalt Lucas antragsgemäß verurteilen, obwohl nicht nur die damalige Sitzungsstaatsanwältin bezeugte, dass sie selbst zum Beispiel damals sehr wohl über konkrete Zahlen gesprochen habe. Es fand sich in allerletzter Minute auch noch ein handschriftlicher Vermerk auf dem Sitzungsprotokoll der Staatsanwaltschaft vom dritten Verhandlungstag: evtl. 4 Jahre 10 Monate.
Spätestens damit, möchte man meinen, hat der Angeklagte seine Unschuld bewiesen. „Offensichtlicher kann nicht zum Ausdruck kommen, dass sich nicht der Verteidiger einer Strafvereitelung schuldig gemacht hat, sondern die Staatsanwaltschaft bis zum bitteren Ende Verfolgung eines Unschuldigen betreibt“, resümiert Martin Heiming. „Gehen die Richter diesen Weg mit, müssen sie sich dem Verdacht der Rechtsbeugung ausgesetzt sehen.“
Für Rückfragen steht Ihnen Rechtsanwalt Martin Heiming zur Verfügung, 0172 3577357
Berlin, 31.3.2011