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Stellungnahme des RAV zum Diskussionsentwurf des Bundesministeriums der Justiz zur Neureglung des Rechts der Sicherungsverwahrung und Stärkung der Führungsaufsicht

Stellungnahme
Verfasser: RA Sebastian Scharmer, Berlin I. Vorbemerkungen Die Stellungnahme bezieht sich ausdrücklich auf den vom Bundesministerium übersandten Diskussionsentwurf zur Neuregelung des Rechts der Sicherungsverwahrung und Stärkung der Führungsaufsicht vom 30.06.2010. Soweit darüber hinaus weitere Gesetzesvorhaben über die „Unterbringung psychisch gestörter Gewalttäter“ bekannt geworden sind, wird davon ausgegangen, dass diesbezüglich eine weitere Stellungnahmemöglichkeit eröffnet wird, sobald ein Diskussions- oder Gesetzesentwurf vorliegt. Vorab sei dazu allerdings angemerkt, dass ein Vorhaben, mit dem die Entscheidung des EGMR vom 17.12.2009 faktisch dadurch ausgehebelt werden soll, dass ehemalige Sicherungsverwahrte zu „psychisch gestörten Gewalttätern“ umetikettiert werden, eindeutig nicht mit Art. 5 Abs. 1 EMRK und im übrigen auch mit dem Grundgesetz nicht vereinbar ist. 1.    Keine kriminalpolitische Notwendigkeit der Sicherungsverwahrung Der Diskussionsentwurf des Bundesministeriums der Justiz beschreibt als Problem und Zielsetzung zunächst die Verhinderung von Rückfalltaten. Dabei wird ausgeführt, dass die Sicherungsverwahrung eine besondere Bedeutung für die Verhinderung schwerer Wiederholungstaten habe. Mehrfach wird im Weiteren angemerkt, dass sich das Instrument der Sicherungsverwahrung zu diesem Zweck als letztes Mittel der Kriminalpolitik in Deutschland bewährt habe. Bevor im Einzelnen auf die vorgeschlagenen Neuregelungen des Diskussionsentwurfes eingegangen werden soll, muss diese Prämisse ausdrücklich in Frage gestellt werden. Obgleich eine Abschaffung der Sicherungsverwahrung in Deutschland derzeit politisch kaum umsetzbar erscheint, muss dies doch als zentrale Forderung auch des Republikanischen Anwältinnen- und Anwältevereins vorab dargestellt werden. Durch nichts ist empirisch oder statistisch belegt, dass das Institut der Sicherungsverwahrung insgesamt betrachtet Rückfalltaten, insbesondere solche schwerer Natur, verhindert. Nach unserer Auffassung ist es vielmehr so, dass durch das Recht der Sicherungsverwahrung, welches in den letzten Jahren immer stärker ausgebaut wurde, die Vollzugsrealität eine derartige Verschärfung erfahren hat, dass Resozialisierungsmaßnahmen bei vielen Gefangenen, die sie im Grunde genommen am nötigsten erfahren müssten, nicht, zu spät oder nicht im nötigen Umfang durchgeführt werden. Eine Verhinderung von (Rückfall-)Kriminalität kann effektiv nur dann erfolgen, wenn der Vollzug für die Inhaftierten die Möglichkeit schafft, die Ursachen der vorangegangenen Delinquenz aufzuarbeiten und für die Zukunft Strategien zu entwickeln, diesen entgegenzuwirken. Zudem können geeignete Maßnahmen der Bewährungshilfe und Führungsaufsicht mögliche – immer bestehende – Rückfallgefahren effizient minimieren. Die Sicherungsverwahrung schafft hingegen eine Gefährlichkeitsvermutung zulasten der Betroffenen, die in der Regel - mangels Erprobung und Entlassung – schwer bis nicht widerlegt werden kann. So ist nach den bisher vorliegenden Studien davon auszugehen, dass von mit erheblicher Gefährlichkeitsprognose entlassenen (potentiellen) Sicherungsverwahrten keine höheren Rückfallgefahren ausgehen, als von jedem Strafgefangenen, der regulär zum Ende der Strafe oder aber auch zuvor auf Bewährung entlassen wird. Eher ist sogar davon auszugehen, dass die Rückfallraten bei entlassenen Sicherungsverwahrten deutlich niedriger sind (vgl. Michael Alex: Nachträgliche Sicherungsverwahrung – ein rechtsstaatliches und kriminalpolitisches Debakel. Holzkirchen: Felix Verlag 2010, m.w.N.; Jörg Kinzig, Die Legalbewährung gefährlicher Rückfalltäter - zugleich ein Beitrag zur Entwicklung des Rechts der Sicherungsverwahrung, 2008, m.w.N.). Es besteht demgegenüber keinerlei belegte Erkenntnisgrundlage, die das Instrument der Sicherungsverwahrung in Deutschland überhaupt kriminalpolitisch rechtfertigen oder dessen Notwendigkeit belegen würde. 2.    Europäischer Vergleich  Der europäische Vergleich zeigt, dass die Sicherungsverwahrung kein zwingend notwendiges Mittel zum Schutz der Allgemeinheit vor Rückfalltaten ist. Neben der deutschen Regelung existiert ein mit der Sicherungsverwahrung vergleichbares Rechtsinstitut nach den Ausführungen des EGMR in sieben weiteren Vertragsstaaten der Europäischen Menschenrechtskonvention: Österreich, Dänemark, Italien, Lichtenstein, San Marino, Slowakei und in der Schweiz (vgl. EGMR M./.Deutschland vom 17.12.2009; www.coe.int). Allerdings wird in diesen Staaten die Anordnung der Sicherungsverwahrung an wesentlich höhere Voraussetzungen als in Deutschland geknüpft. In der Regel ist sie nur dann möglich, wenn tatsächlich schwerwiegende Gewalt- oder Sexualdelikte dringend zu befürchten sind. Das ist in Deutschland aktuell nicht der Fall und wäre es auch nach der im Diskussionsentwurf beschriebene Neureglung nicht (vgl. II.). In den weiteren Ländern, welche die Europäische Menschrechtskonvention gezeichnet haben, besteht ein mit der deutschen Sicherungsverwahrung vergleichbares Rechtsinstitut nicht. Dabei ist zuzugeben, dass in einigen europäischen Staaten auch wesentlich höhere Freiheitsstrafen verhängt werden können (so z. B. in Belgien, Großbritannien, Frankreich und Rumänien). In diesen Ländern ist allerdings auch eine frühzeitige Bewährungsentlassung als Regelfall weitestgehend vorgeschrieben (bspw. in Belgien nach dem Gesetz zur bedingten Entlassung von Straftätern vom 05. und 18.03.1998 bereits nach einem Drittel bzw. sogar nach einem Sechstel der Strafe nahezu automatisch (vgl. Dünkel in NK StGB, § 57 Rn 90 ff)). Daneben existieren Länder mit vergleichbaren Strafhöhen bzw. sogar moderateren Strafen als in der Bundesrepublik Deutschland, in denen keine Sicherungsverwahrung angeordnet werden kann (so etwa Schweden, Litauen, Kroatien, Griechenland, Finnland, Estland oder Portugal). Insofern besteht vor einer Gesetzesreform zumindest die Notwendigkeit, im europäischen Maßstab zu überprüfen, ob in Ländern mit vergleichbarer Sanktionierungspraxis, aber ohne einem Rechtsinstitut der Sicherungsverwahrung, statistisch mehr Rückfalltaten festzustellen sind, als in Deutschland. Ist dies nicht der Fall, muss die Behauptung, die Sicherungsverwahrung sei ein zuverlässiges und erprobtes Modell, auch aus diesem Grund als widerlegt betrachtet werden.  3.    Verhältnismäßigkeit der Mittel Die Sicherungsverwahrung, das geht auch aus dem Diskussionsentwurf des BMJ hervor, ist das „schärfste Mittel der Kriminalpolitik“. Allein auf eine – unzweifelhaft immer unsichere – Gefahrenprognose gestützt, wird Menschen die Freiheit auf unbestimmte Zeit entzogen. Unabhängig von der in Deutschland bestehenden menschenunwürdigen Vollzugspraxis, dem fehlenden Trennungsgebot und den fehlenden Resozialisierungsmöglichkeiten (dazu III.), stellt eine Freiheitsentziehung auf unbestimmte Dauer aufgrund von präventiv ausgestalteten Sicherheitsansprüchen eine Maßnahme dar, die – wenn überhaupt – nur unter verschärften Verhältnismäßigkeitsanforderungen angeordnet und vollstreckt werden dürfte. Das Bundesverfassungsgericht hat insoweit ausgeführt, dass die Sicherungsverwahrung als letztes Mittel des staatlichen Schutzauftrages zwar ein mögliches Instrumentarium darstellt (vgl. BVerfG Urteil des Zweiten Senats vom 5. Februar 2004 - 2 BvR 2029/01 -). Entgegen anderweitigen – weit verbreiteten irrgläubigen - Darstellungen hat das Bundesverfassungsgericht damit allerdings gerade nicht gesagt, dass die Beibehaltung des Rechtsinstituts der Sicherungsverwahrung auch verfassungsrechtlich notwendig wäre. Vielmehr ist dem Gesetzgeber bei der Ausübung seines staatlichen Schutzesauftrages ein weitgehendes Ermessen eingeräumt. Er hat insoweit abzuwägen, ob anderweitige Mittel und Möglichkeiten vorhanden sind, mit denen der Schutzauftrag der Allgemeinheit zumindest genauso „effizient“ oder besser als mit der Sicherungsverwahrung umgesetzt werden kann. Das ist nach unserer Auffassung der Fall. Mit einer frühzeitig, bereits während der Vollstreckung der Strafe begonnene Sozialtherapie, die über einen langen Zeitraum auch mit einer Erprobung der Gefangenen begleitet wird, kann die Gefahrenprognose bereits während des Vollzuges der Strafhaft grundlegend verbessert werden. Bei einer engen Anbindung an Hilfsinstitute bei der Entlassung in die Freiheit, kann eine Wiedereingliederung auch nach schwerwiegenden vorangegangenen Straftaten wesentlich sinnvoller erfolgen, als dies mit den sehr begrenzten personellen und sachlichen Mitteln derzeit der Fall ist. Auf diese Weise können die Prognosen aller Gefangenen – auch der von Sicherungsverwahrung betroffenen - erheblich verbessert und damit Rückfallquoten insgesamt wesentlich deutlicher gesenkt werden, als durch das Suggerieren von Sicherheit über das unbegrenzte Wegsperren Einzelner im Rahmen der Sicherungsverwahrung. Dabei muss man sich allerdings der Tatsache bewusst sein, dass es eine absolute Sicherheit nicht geben kann und wird. In einer freiheitlich ausgeprägten Demokratie wird es – so belastend das auch im Einzelfall sein mag – immer Kriminalität geben. Der staatliche Schutzauftrag kann insoweit nur dahin gehen, diese Kriminalitätsrate nach Möglichkeiten zu verringern. Dies ist durch ausreichende Resozialisierungs- und Wiedereingliederungsangebote wesentlich effektiver und menschenwürdiger möglich, als durch das Wegsperren Einzelner, deren Auswahl – jedenfalls nach den bislang vorliegenden Studien – eher zufällig erfolgen dürfte. Die aktuelle Ausgestaltung des Vollzuges der Sicherungsverwahrung garantiert keinen Rechtsanspruch auf Therapie oder Behandlung. Etliche Sicherungsverwahrte versuchen seit Jahren vergeblich in sozialtherapeutischen Anstalten einen Therapieplatz zu bekommen. Allein bei wegen Sexualdelikten Verurteilten ist dies inzwischen bundesweit gesetzlich vorgesehen. Bei allen anderen Betroffenen wird in der Regel darauf verwiesen, dass eine Aufnahme in der Therapie „verfrüht“ erscheine oder aber dass Therapie ohne Entlassungsperspektive nicht sinnvoll sei. Dies kann jedoch nicht der Maßstab sein. Wenn man schon über das Institut der Sicherungsverwahrung diskutiert, muss dies einen behandlungsorientierten Vollzug beinhalten. Dabei soll erneut darauf hingewiesen werden, dass es sich hierbei nicht um eine besondere „Begünstigung“ für verurteilte Straftäter handelt. Vielmehr dienen resozialisierungsfördernde Maßnahmen gerade dem Schutz der Allgemeinheit. Diesen Schutz zu gewährleisten und dabei möglichst wenig in Grundrechte von Betroffenen einzugreifen, ist der grundgesetzliche Auftrag des Bundes und der Länder. Man kann also nicht einerseits eine Verschärfung der Regelung zur Sicherungsverwahrung fordern und auf der anderen Seite bereits jahrzehntelange Missstände im Vollzug weiterhin hinnehmen. Durch eine wesentliche Verbesserung des Behandlungsvollzuges, entsprechende Erprobungsmöglichkeiten für Inhaftierte und durch multidisziplinäre sachverständige Begleitung und Evaluation des Vollzuges können bei einer engen Zusammenarbeit mit der Bewährungshilfe und den freien Trägern Rückfalltaten insgesamt wesentlich besser vermieden werden, als durch perspektivloses Wegsperren von Einzelnen. Insofern ist dieser milderen und effektiveren Möglichkeit auch gesetzlich der Vorrang zu gewähren. Die Sicherungsverwahrung ist abzuschaffen. II. Zum Gesetzesvorhaben im Einzelnen Da die Forderung nach Abschaffung der Sicherungsverwahrung in der aktuellen rechtspolitischen Diskussion aufgrund der Mehrheitsverhältnisse kaum durchsetzbar erscheint, soll auch auf die einzelnen Regelungen des Diskussionsentwurfes des Bundesministeriums der Justiz eingegangen werden. Insofern sollen hier aus Sicht der Anwaltschaft zumindest Anregungen abgegeben werden, wie das Mittel der Sicherungsverwahrung, wenn es denn schon fortbesteht, sinnvoller ausgestaltet werden könnte. 1.    Anordnung der Sicherungsverwahrung im Rahmen der Verurteilung; § 66 StGB Der Diskussionsentwurf spricht vorweg davon, dass die Sicherungsverwahrung auf Gefahren durch schwerwiegende Delikte gegen Leib, Leben, körperliche Unversehrtheit und sexuelle Selbstbestimmung begrenzt werden soll. Gleichzeitig ist allerdings eine solche Beschränkung im Entwurf tatsächlich nicht vorgesehen. Hiernach soll im Rahmen eines neuen § 66b Abs. 1 Nr. 1 b StGB die Sicherungsverwahrung dann im Urteil angeordnet werden können, wenn jemand – ggf. bei Vorbelastung - zu einer Freiheitsstrafe von mindestens zwei Jahren wegen einer vorsätzlichen Straftat verurteilt wird, die im Höchstmaß mit einer Freiheitsstrafe von mindestens zehn Jahren bedroht ist. Die weiteren Voraussetzungen werden allein in § 66 Abs. 1 Nr. 4 benannt: namentlich der Hang zu erheblichen Straftaten, ohne dass diese deliktsspezifisch eingeschränkt werden. Als Regelfälle („insbesondere“) werden hierfür die schwere körperliche oder seelische Schädigung von potentiellen Opfern genauso wie die Verursachung schweren wirtschaftlichen Schadens benannt. Insofern wird der Diskussionsentwurf gerade der Prämisse, die Sicherungsverwahrung auf schwere Gewalt- und Sexualstraftaten zu beschränken, nicht gerecht. Vielmehr besteht eine Anordnungsbefugnis weiterhin auch bei etlichen (gewaltanwendungsfreien) Vermögensdelikten, gemeingefährlichen Delikten und im Rahmen der Betäubungsmittelkriminalität fort. Beispielhaft soll hier nur der Wohnungseinbruchdiebstahl, der gewerbs- und bandenmäßige Betrug, die gewerbs- und bandenmäßige Urkundenfälschung oder aber das Handeltreiben mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge genannt werden. Daneben sind auch weiterhin alle Raubdelikte ausreichend, um eine Sicherungsverwahrung anzuordnen. Dabei kommt es nach wie vor nicht darauf an, ob Gewalt angewendet wurde oder aber Opfer der Tat schwere körperliche oder seelische Schäden erlitten haben. Auch der gewaltanwendungsfreie Raub, bei dem weder gravierende psychische, noch physische Schäden entstanden sind, bleibt im Anwendungsbereich von § 66 StGB enthalten. Dies betrifft eine nicht unerhebliche Anzahl von in der Sicherungsverwahrung Untergebrachten. Wenn es bei der Anordnung der Sicherungsverwahrung verbleibt, muss eine klare Beschränkung auf schwerste Gewalt- und Sexualdelikte erfolgen. Eigentums- und Betäubungsmitteldelikte sowie Delikte, bei denen niemand gravierenden körperlichen oder seelischen Schaden genommen hat, müssen aus dem Anwendungsbereich entfallen. Insofern wird vorgeschlagen, im Rahmen von § 66 Abs. 1 Nr. 1 StGB einen klaren Katalog von Straftaten aufzuführen, die die Anordnung der Sicherungsverwahrung formell rechtfertigen können. Darunter gehören nach hiesiger Auffassung allenfalls Kapitalverbrechen und Sexualdelikte. In § 66 Abs. 1 Nr. 4 StGB muss materiell klargestellt werden, dass die Sicherungsverwahrung ausschließlich dann angeordnet werden kann, wenn die erhebliche Gefahr der schweren körperlichen oder seelischen Schädigung von Opfern besteht. Dies darf nicht als Regelbeispiel festgehalten werden, sondern muss eine klare Anordnungsvoraussetzung sein. Dann wäre nämlich auch klargestellt, dass für den gewaltanwendungsfreien Raub, ohne erhebliche psychische oder körperliche Schäden, eine Sicherungsverwahrung in Zukunft nicht mehr verhängt werden kann. Soweit vorgesehen ist, dass die Gefahrenprognose gesetzlich ausdrücklich auf den Zeitpunkt der Verurteilung bezogen wird, bedarf diese Regelung zumindest eines Korrektivs im Rahmen der Vollstreckungsentscheidung gem. § 67c Abs. 1 StGB und § 67d Abs. 2 StGB. Namentlich muss es hier zu einer „Beweislastumkehr“ (In dubio pro libertate!) kommen. Nur dann erscheint es angebracht, die Gefahrenprognose allein auf den Zeitpunkt des Urteils zu stützen (vgl. dazu unten, III. 2.). 2.    Vorbehalt der Unterbringung in der Sicherungsverwahrung, § 66a StGB   Der Diskussionsentwurf sieht eine erhebliche Ausweitung des Vorbehalts der Unterbringung in der Sicherungsverwahrung vor. Danach kann nach dem dort entworfenen § 66a StGB auch schon bei Erstverbüßern die Unterbringung in der Sicherungsverwahrung vorbehalten werden, wenn nicht „mit hinreichender Sicherheit feststellbar, aber wahrscheinlich ist, dass die Voraussetzungen des § 66 Abs. 1 S. 1 Nr. 4 vorliegen“. Auf die Feststellung eines Hanges, den die Rechtsprechung bislang gefordert hat, wird im Gesetzesentwurf verzichtet. Insofern ist zu befürchten, dass in Zukunft bei jedem Verurteilten, der die formellen Voraussetzungen von § 66a StGB erfüllt, eine Sicherungsverwahrung vorbehalten wird. Denn die Feststellung der Wahrscheinlichkeit einer Gefährlichkeitsprognose ist ein derart unbestimmter Rechtsbegriff, dass eine uferlose Ausweitung zu befürchten ist. Insoweit will der Gesetzgeber offensichtlich auch den Gerichten, die zur Verurteilung berufen sind, die Möglichkeit des Vorbehalts der Sicherungsverwahrung erleichtern. Ein solcher erfordert – anders als ggf. die Anordnung der Sicherungsverwahrung nach § 66 StGB – offensichtlich auch weniger Gewissensanstrengung und Abwägung, da letztlich auf die Entwicklung im Vollzug abgestellt werden wird. Der Diskussionsentwurf begegnet insoweit erheblichen verfassungsrechtlichen und menschenrechtlichen Bedenken. a)    Auch der Vorbehalt der Sicherungsverwahrung im Strafurteil ist eine mit Sanktionswirkung behaftete Rechtsfolge. Bei denjenigen Verurteilten, die entgegen einer möglichen Wahrscheinlichkeit tatsächlich keine Gefährlichkeitsprognose aufweisen, ist ein Vorbehalt der Sicherungsverwahrung eine mit dem Verhältnismäßigkeitsgrundsatz und dem Schuldprinzip kaum zu vereinbarende zusätzliche Belastung zur ohnehin ausgeurteilten Strafe (vgl. abweichende Voten der Richter Broß, Osterloh und Gerhard in BVerfGE 109, 244 ff.). Dies galt schon für den bislang bestehenden § 66a StGB. Mit dem massiven Ausbau der vorbehaltenen Sicherungsverwahrung wird jedoch ein Rechtsinstitut geschaffen, welches mit den Anforderungen des Bestimmtheitsgebotes aus Art. 103 Abs. 2 GG für die im Rahmen des Strafprozesses zu treffenden Feststellungen nicht mehr vereinbar ist. Dabei wird nicht verkannt, dass jede Gefahrenprognose eine mit den Unsicherheiten des Prognoseverfahrens behaftete Feststellung im Urteil ist. Diese ohnehin schon nur auf Wahrscheinlichkeitsüberlegungen beruhende Prognose noch einmal derart zu erweitern, dass die bislang notwendige überwiegende Wahrscheinlichkeit einer Gefährlichkeit (nichts anderes ist eine Prognose) wiederum nur „zumindest wahrscheinlich“ sein muss, ist eine Darstellung eines strafrechtlichen Tatbestandsmerkmals, die mit dem Bestimmtheitsgebot nicht mehr vereinbar ist. b)    Auch begegnet die vorbehaltene Sicherungsverwahrung in diesem Rahmen erheblichen menschenrechtlichen Bedenken. Der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte hat in seiner Entscheidung vom 17.12.2009 ausgeführt, dass die nachträgliche Verlängerung der Sicherungsverwahrung über zehn Jahre hinaus, bei Verurteilten, die Taten vor dem Inkrafttreten dieser Regelung im Jahr 1998 begangen haben, menschenrechtswidrig ist. Art. 5 Abs. 1 EMRK zählt insoweit abschließend auf, in welchen Fällen Freiheitsentzug zulässig sein soll. Danach besteht allein die Möglichkeit, die Freiheit nach einem diesbezüglichen Urteil zu entziehen. Der EGMR fordert insoweit einen engen Kausalzusammenhang zwischen der die Verurteilung begründenden Anlasstat und der daraufhin vollstreckten Rechtsfolge. Dieser Kausalzusammenhang ist im Rahmen der vorbehaltenen Sicherungsverwahrung, wenn sie später zu einer tatsächlichen Anordnung der Sicherungsverwahrung führt, nicht mehr gegeben. Denn eine solche Anordnung wäre nach Ende des Vollzuges nur dann möglich, wenn neue Tatsachen hinzugetreten sind, die nunmehr – anders als zum Verurteilungszeitpunkt – nicht nur die Wahrscheinlichkeit einer Gefährlichkeit belegen, sondern eine Feststellung der negativen Gefährlichkeitsprognose ermöglichen sollen. Insofern wäre die Anlasstat, die zum Vorbehalt der Sicherungsverwahrung geführt hat, nur ein Anhaltspunkt für die Rechtsfolge. Die dafür notwendigen entscheidenden Feststellungen könnten erst aufgrund der Beurteilung des Verhaltens im Vollzug getroffen werden. Demnach fehlt es bei der späteren Anordnung der zunächst vorbehaltenen Sicherungsverwahrung an einem hinreichenden Kausalzusammenhang mit der Anlassverurteilung im Sinne von Art. 5 Abs. 1 a EMRK. c)    Auch auf die Vollzugsrealität wird der Vorbehalt der Sicherungsverwahrung erhebliche Auswirkungen haben. So fehlt es in den meisten Fällen an geeigneten therapeutischen Maßnahmen, Plätzen in der Sozialtherapie und entsprechenden Behandlungsangeboten, die es den Gefangenen mit vorbehaltener Sicherungsverwahrung ermöglichen würden, ihre Sozial- und Legalprognose zu verbessern. Daneben besteht ferner die Gefahr, dass es bei Durchführung von Therapiemaßnahmen – gerade bei dem im Gesetzesvorhaben erfassten Bereich der Sexualkriminalität – zu einer Scheinanpassung und nur äußerlichen Therapiewilligkeit kommt. Gefangene, die das Damoklesschwert der vorbehaltenen Sicherungsverwahrung über sich schweben haben, werden kaum eine ehrliche und konfrontative Auseinandersetzung mit ihrer Persönlichkeitsproblematik im Rahmen von Therapiemöglichkeiten im Strafvollzug suchen können. Dies kann – entgegen dem Willen des Gesetzgebers – ggf. sogar zu einer Erhöhung von Rückfalldelinquenz führen (vgl. Stellungnahme der Deutschen Gesellschaft für Sexualforschung zum geplanten Gesetz zur Einführung einer nachträglich angeordneten Sicherungsverwahrung vom 5. Juli 2004; www.dgfs.info/DGfS_Stellungnahme.pdf). Daneben besteht die große Gefahr, dass die ohnehin schon restriktive Praxis der Gewährung von Vollzugslockerungen durch den massiven Ausbau der vorbehaltenen Sicherungsverwahrung noch beschränkt wird. Gerade weil auch die Verlängerung der Anordnungsmöglichkeit bis ans Ende der Strafe gesetzt werden soll, werden sich die Justizvollzugsanstalten in diesen Fällen mit einer Lockerungserprobung noch zurückhaltender verhalten, als dies bislang der Fall war. Die Gewährung von Vollzugslockerungen und die Erprobung darin sind jedoch für die Erweiterung der Prognosebasis – auch für die Frage der Anordnung der vorbehaltenen Sicherungsverwahrung – von ganz erheblicher Bedeutung. Insofern wirkt sich das im Diskussionsentwurf entwickelte Modell auch hier kontraproduktiv aus. 3.    Soweit der Gesetzesentwurf die Abschaffung der nachträglichen Sicherungsverwahrung vorsieht, kann dies nur begrüßt werden. Die nachträgliche Sicherungsverwahrung ist spätestens nach dem Urteil des EGMR mit der Europäischen Menschenrechtskonvention – genauso wie mit dem Grundgesetz – nicht vereinbar.  III.  Vollstreckung1.    Anwendung auf Altfälle Der Diskussionsentwurf sieht eine Anwendung bislang auf Betroffene vor, die Taten nach Inkrafttreten des Gesetzes begangen haben. Dies wird mit dem Rückwirkungsverbot begründet. Dabei verkennt der Diskussionsentwurf, dass das Rückwirkungsverbot immer nur vor einer Verschärfung der Rechtsfolgen für die Betroffenen schützt und gerade nicht in der Vollstreckung  zu deren Ungunsten herangezogen werden kann. Wenn die Sicherungsverwahrung tatsächlich auf schwerwiegende Gewalt- und Sexualstraftaten begrenzt wird, so muss dies nicht nur für die in Zukunft möglichen Anordnungsfälle gelten, sondern auch für diejenigen, die sich bereits in der Unterbringung befinden oder bei denen sie nach der Anordnung im Urteil bevorsteht. Es kann nicht angehen, dass Gefangene, die wegen Betruges, Diebstahl, Betäubungsmitteldelinquenz oder anderen gewaltfreien Delikten inhaftiert sind, ohne zeitliche Begrenzung weggesperrt werden dürfen, während bei denen, die in Zukunft solche Delikte begehen, eine Sicherungsverwahrung nicht mehr angeordnet werden darf. Dies wäre schon mit dem Gleichbehandlungsgrundsatz aus Art. 3 Abs. 1 GG nicht vereinbar. Insofern muss es eine gesetzliche Regelung auch für die Altfälle geben. Vorstellbar wäre insoweit eine Vollstreckungslösung, die klarstellt, dass eine Fortdauer der Sicherungsverwahrung gem. § 67d Abs. 2 StGB oder eine Anordnung der Vollstreckung der Sicherungsverwahrung gem. § 67c Abs. 1 StGB nur dann erfolgen kann, wenn die (neu geregelten) Voraussetzungen des § 66 Abs. 1 StGB für den heutigen Zeitpunkt positiv festgestellt werden. 2.    Beweislastumkehr in der Vollstreckung Im Rahmen der gesetzlichen Neuregelungen wurde die Möglichkeit, die Sicherungsverwahrung zur Bewährung auszusetzen oder zu erledigen, wesentlich eingeschränkt. Wenn die Sicherungsverwahrung aber äußerstes Mittel der Kriminalpolitik sein soll, muss auch hier im Rahmen von Verhältnismäßigkeitsabwägungen eine dementsprechende gesetzliche Vollstreckungsregelung getroffen werden. Es kann nicht weiter darauf ankommen, dass der Untergebrachte faktisch selbst eine Gefährlichkeitsvermutung widerlegen muss. Dies ist im Rahmen der Wahrscheinlichkeitsprognose ohnehin schwer möglich. Vielmehr muss auch im Rahmen der Vollstreckung gem. § 67c Abs. 1 und § 67d Abs. 2 StGB zu jeder Überprüfung durch die Vollstreckungsgerichte festgestellt werden, dass die im Urteil benannte Gefährlichkeit auch zum Zeitpunkt der Entscheidung der Vollstreckung positiv fortbesteht. Eine solche Regelung findet sich derzeit nur in § 67d Abs. 3 StGB für die Frage der Fortdauer der Sicherungsverwahrung über zehn Jahre hinaus. Es ist weder aus Verhältnismäßigkeitsgründen, noch aus Effektivitätsgründen erkennbar, warum dieser Prüfungsmaßstab nicht auch bereits zu Beginn und während der Vollstreckung der Unterbringung in der Sicherungsverwahrung gelten soll. Soweit in § 67d Abs. 1 S. 1 StGB die Notwendigkeit der Feststellung der auf den Hang beruhenden Gefährlichkeit gestrichen werden soll, so führt auch das zur einer unverhältnismäßigen Beschränkung der Möglichkeit der Bewährungsaussetzung. Denn dann wäre unabhängig von der ursprünglich festgestellten Gefährlichkeit im Rahmen der Anlassverurteilung jede anderweitige, ggf. vollkommen andere Rechtsgüter betreffende Gefährlichkeit für die Frage der Fortdauer der Sicherungsverwahrung über zehn Jahre ausreichend. So könnte beispielsweise der wegen Wohnungseinbruchsdiebstahls Verurteilte Sicherungsverwahrte, bei dem 10 Jahre später eine vermeintliche Gefährlichkeit für Gewaltdelikte festgestellt wird, deswegen weiter untergebracht werden. Dies ist jedoch im Hinblick auf Art. 5 Abs. 1 a EMRK menschenrechtswidrig, da es an einem hinreichenden Kausalzusammenhang zwischen Anlassdelikt, Verurteilung und Vollstreckung fehlen würde. IV. Vollzug Die Regelungskompetenz zur Ausgestaltung des Vollzuges der Sicherungsverwahrung ist zwar grundsätzlich den Ländern übertragen. Dennoch bedarf es auch im Rahmen der Stellungnahme zu aktuellen Diskussionsentwurf dazu einiger Klarstellungen. Wenn das deutsche Strafrecht als schärfste Maßnahme der Kriminalprävention, als „ultima ratio“, die Anordnung oder den Vorbehalt der Sicherungsverwahrung vorsieht, so muss dem als Korrektiv zumindest ein menschenwürdiger und behandlungsorientierter Vollzug der Strafe und ggf. der späteren Unterbringung in der Sicherungsverwahrung entgegengesetzt werden. Ziel des Strafvollzuges sollte es von Beginn an sein, die Anordnung der Vollstreckung der Sicherungsverwahrung entbehrlich zu machen. Die praktischen Erfahrungen zeigen, dass in deutschen Justizvollzugsanstalten das Gegenteil der Fall ist. Insofern sollte es dazu einen klaren gesetzlichen Auftrag dazu geben (vgl. insoweit bspw. § 106 Abs. 4 JGG für Heranwachsende). 1. Sozialtherapie Im Rahmen des Vollzuges haben die jeweiligen Landesgesetzgeber bzw. der Bundesgesetzgeber bei dem in den Ländern teilweise fort geltenden Strafvollzugsgesetz den Anstalten einen großen Ermessensspielraum bei der Gewährung von behandlungsorientierten Maßnahmen eingeräumt. Dieser wird allerdings aufgrund der knappen Ressourcen und auch durch eine bestehende Kultur der Verantwortungsverschiebung auf nicht verfassungskonforme Weise ausgeübt. Daher bedarf es einer gesetzlichen Festlegung entsprechender Rechtsansprüche von Gefangenen im Vollzug, zumindest, wenn bei ihnen die Sicherungsverwahrung angeordnet oder vorbehalten wurde. Solche Inhaftierte müssen bereits bei Verbüßung der Strafhaft eine angemessene Behandlung (Regelfall: Sozialtherapie) notfalls auch verbindlich gerichtlich einklagen können. Sicherlich wird nicht bei jedem Gefangenen oder Sicherungsverwahrten die Sozialtherapie eine wesentliche Verbesserung der Prognose bewirken können, jedoch ist sie in den allermeisten Fällen ein effektives und geeignetes Mittel. Insofern wäre eine gesetzliche Regelung (auch auf Bundesebene) denkbar, die die Sozialtherapie als Regelfall vorschreibt und nur in Ausnahmefällen der Vollzugsanstalt ermöglicht, anderweitige – besser geeignete – Behandlungsmaßnahmen zu ergreifen, zumindest wenn Inhaftierte mit ihrer Behandlung einverstanden sind. 2. Vollzugslockerungen Gleichzeitig müssen die bestehenden weiten Ermessenspielräume bei der Gewährung von Vollzugslockerungen beschränkt werden. Es sollte ein Regelausnahmeverhältnis eingeführt werden, das grundsätzlich die Gewährung von Lockerungen zur Erprobung vorsieht und nur ausnahmsweise eine Ablehnung durch die JVA ermöglicht, wenn konkrete Missbrauchs- oder Fluchtbefürchtungen dargelegt werden. Auch hier besteht derzeit bundesweit eine äußerst restriktive Praxis. Sicherungsverwahrte mit Vollzugslockerungen oder solche Gefangene, die im Anschluss Sicherungsverwahrung notiert haben und Vollzugslockerungen während der Strafhaft erhalten, dürften einen Promilleanteil dieser Betroffenen ausmachen. Dem ist durch eine gesetzliche Korrektur entgegenzuwirken. Diese gesetzliche Neuregelung würden bei ihrer Umsetzung mit der Notwendigkeit einer personellen und sachlichen angemessenen Ausstattung des Vollzuges einhergehen müssen. Wenn der Gesetzgeber insoweit das Sicherheitsbedürfnis der Allgemeinheit über die Freiheitsgrundrechte Einzelner stellt, muss er auch die für die Behandlung erforderlichen Mitteil zur Verfügung stellen. 3. Externe Sachverständige und Evaluation Gleichzeitig bedarf es einer externen sachverständigen Überwachung und Begleitung der Behandlung im Vollzug. Externe multidisziplinäre Sachverständigenteams wären insoweit eine Maßnahme, um zu überprüfen, welche Behandlungsmaßnahmen wie anschlagen und was ggf. im Einzelfall verbessert werden müsste. Eine solche „Zwischenbegutachtung“ sollte spätestens zum Halbstrafenzeitpunkt bei allen Inhaftierten mit Vorbehalt oder Anschlussnotierung der Sicherungsverwahrung durchgeführt werden. Eine regelmäßige Überprüfung der Behandlung durch externe Beobachtung ist sinnvoll, um frühzeitig ggf. bestehenden Behandlungsdefiziten oder Fehleinschätzungen entgegenzuwirken. Gleiches gilt für die notwendige Evaluation der Behandlungsergebnisse. 4. Entlassungsbegleitung und Wiedereingliederungshilfe Letztlich bedarf es einer kompetenten, personell und sachlich ausreichend ausgestatteten effektiven Nachbetbetreuung von rückfallgefährdeten entlassenen Gefangenen. Ein dafür bislang guter Ansatzpunkt ist nach hiesigem Dafürhalten die Möglichkeit der Anbindung an die forensische Ambulanz im Sinne von § 68a StGB. Die hier bislang nur im kleinen Maßstab vorliegenden begonnenen Bemühungen müssen ebenfalls erheblich ausgebaut werden. Der Ausbau von Führungsaufsicht und Bewährungshilfe, sofern diese Gefangene nach ihrer Entlassung tatsächlich sachkundig unterstützen und nicht als bloßes Überwachungsinstrument (vgl. elektronische Fußfessel) genutzt werden, wird als milderes Mittel zur Vollstreckung von Sicherungsverwahrung begrüßt. V. Fazit * Das Instrument der Sicherungsverwahrung gehört abgeschafft. Es gibt weder eine kriminalpolitische noch eine empirisch belegte Notwendigkeit für das zeitlich unbegrenzte präventive Wegsperren von einzelnen vermeintlich gefährlichen Menschen. Ausreichende Behandlungsangebote im Strafvollzug können – nie vollständig ausschließbare – Rückfallgefahren wesentlich besser begrenzen und damit mit menschenwürdigen Mitteln den Schutz der Allgemeinheit vor schwerwiegenden Straftaten effektiver bewirken, als die Sicherungsverwahrung. Jede Form der Sicherungsverwahrung wirkt sich auf die Vollzugsrealität und damit auf den Resozialisierungserfolg kontraproduktiv aus. * Wenn es schon bei der Sicherungsverwahrung bleibt, darf es keinen Vorbehalt und keine nachträgliche Anordnung geben. Das wäre mit den klaren Vorgaben des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte nicht vereinbar. Die Anordnung im Urteil darf dann nur bei schwerwiegenden Gewalt- und Sexualstraftaten erfolgen, was der Diskussionsentwurf des Bundesministeriums der Justiz bislang allerdings nicht vorsieht. * Bereits der Strafvollzug muss darauf gerichtet sein, die spätere Vollstreckung einer angeordneten Sicherungsverwahrung zu verhindern. Dafür bedarf es eines gesetzlichen, wie tatsächlichen Ausbaus der Sozialtherapie, der Möglichkeiten der Erprobung in Vollzugslockerungen sowie der (Weiter-)Entwicklung geeigneter Behandlungskonzepte. * Es muss Zugunsten der Untergebrachten eine Ungefährlichkeitsvermutung bestehen, die durch die Vollstreckungsgerichte jeweils widerlegt werden muss, um eine Fortdauer der Sicherungsverwahrung anordnen zu können: In dubio pro libertate! * Bewährungshilfe und Führungsaufsicht müssen für Hilfsmaßnahmen und Unterstützung nach einer Entlassung personell und sachlich wesentlich besser ausgebaut werden. Eine enge Zusammenarbeit mit freien Trägern und das Entwickeln gemeinsamer Konzepte zur Rückfallvermeidung können bestehende Restrisiken auf ein Minimum reduzieren. Stellungnahme des RAV zum Diskussionsentwurf des Bundesministeriums der Justiz zur Neureglung des Rechts der Sicherungsverwahrung und Stärkung der Führungsaufsicht (PDF)