Fortsetzung des Großverfahrens gegen 46 Anwältinnen und Anwälte in der Türkei – Prozessbeobachtung durch den RAV
Am 3. Januar 2013 fand der 5. Verhandlungstag in dem Massenverfahren gegen 46 Anwältinnen und Anwälte in Silivri bei Istanbul statt.
Anklagevorwurf ist die angebliche Mitgliedschaft der Kolleginnen und Kollegen in der Union der Gemeinschaften Kurdistans (KCK). Dieser Vorwurf knüpft nahezu ausschließlich an ihre anwaltlichen Tätigkeiten an. 27 der 46 angeklagten Kolleginnen und Kollegen befinden in Untersuchungshaft.
Der Strafprozess hatte am 16. Juli 2012 begonnen und wurde am 3. Januar 2013 auf den 28. März 2013 vertagt. Diese lange Verhandlungspause stellt erneut einen massiven Verstoß gegen den Beschleunigungsgrundsatz in Haftsachen dar.
„Die lange Untersuchungshaft von nunmehr über 400 Tagen kommt einer Vorverurteilung der angeklagten Anwältinnen und Anwälte gleich“, sagt Rechtsanwalt Ralph Monneck, der das Verfahren für den RAV in Istanbul zusammen mit weiteren rund 30 Vertretern europäischer Anwaltskammern und -organisationen beobachtet.
Der Vorsitzende „beschleunigte“ das Verfahren allein dadurch, dass er die Verteidigungsrechte einschränkte und den Verteidigern nur 5 Minuten gab, ihre Anträge auf Haftentlassung vorzutragen. Zur Begründung der Anträge führte die Verteidigung erneut zahlreiche massive Rechtsverstöße im bisherigen Verfahrensverlauf auf.
Hierzu gehören insbesondere die Unbestimmtheit der Tatvorwürfe sowie rechtswidrig erlangte Beweismittel unter Verstoß gegen Schutzrechte von Strafverteidigern und Strafverteidigerinnen.
Am Ende der Hauptverhandlung beschied das Gericht in Abwesenheit der Angeklagten und unter Ausschluss der Öffentlichkeit die Anträge der Verteidigung und hielt die Haftbeschlüsse für 26 der Inhaftierten aufrecht und verschonte lediglich einen der angeklagten Anwälte von der Untersuchungshaft.
Ein inhaltlicher Fortgang des Verfahrens konnte nicht verzeichnet werden. Ein Ende des Prozesses ist somit weiterhin nicht absehbar.
Mit dem Satz „Sie, Herr Vorsitzender, werden uns Anwälte auch noch einmal brauchen“ wies einer der Verteidiger darauf hin, dass das gesamte Verfahren allein der politischen Konjunktur geschuldet ist und sich in der Türkei der Wind schnell drehen kann.
Berlin, 4. Januar 2013
Pressemtitteilung: „Sie, Herr Vorsitzender, werden uns Anwälte auch noch einmal brauchen“(PDF)