Der Entwurf nimmt sich mit einer Änderung von § 160a Abs. 1 StPO einer für die Rechtsanwaltschaft wichtigen, gegenwärtig auch vor dem Bundesverfassungsgericht streitbefangenen Regelung an. Es sei an dieser Stelle dahingestellt, ob – wie die Begründung zu dem Referentenentwurf annimmt – der von dem Gesetz zur Neuregelung der Telekommunikationsüberwachung u. a. vom 21.12.2007 vorgefundene Rechtszustand durch den § 160a StPO geltender Fassung tatsächlich nicht zum Nachteil der Anwaltschaft und der Rechtsratsuchenden verändert wurde. Jedenfalls hat eine gesetzliche Wertung, welche Berufsgeheimnisträger und welche Kommunikationsbeziehung in welchem Maße von Ermittlungsmaßnahmen betroffen werden dürfen, auch über die Strafprozessordnung hinaus weit reichende Bedeutung.
Die in dem Referentenentwurf vorgeschlagene Formulierung erweitert den von dem Gesetzgeber beabsichtigten absoluten Schutz auf jede Kommunikationsbeziehung von Anwalt und Mandant und ist sowohl im allgemeinen Interesse an einer funktionierenden rechtsstaatlichen Rechtspflege als auch im Interesse des Einzelnen an einem von staatlicher Intrusion garantiert unabhängigen und unbeeinflussten Rechtsbeistand dringend geboten.
Es besteht auch ein praktisches Bedürfnis für diese Regelung: Während, soweit ersichtlich, veröffentlichte Rechtsprechung zu § 160a StPO gegenwärtig noch nicht vorliegt, belegt eine Vielzahl von höchstrichterlichen Entscheidungen der letzten Jahre, dass Ermittlungsbehörden in der Vergangenheit Eingriffe in die berufliche Informationssphäre von Rechtsanwältinnen und Rechtsanwälten vorgenommen und dabei auch geltendes Recht übertreten haben.
Es ist nicht ersichtlich, dass sich an dieser Praxis etwas geändert hat. Dass demgegenüber die bekannte rechtstatsächliche Untersuchung des Max-Planck-Instituts für ausländisches und internationales Strafrecht in Freiburg aus dem Jahre 2003 keine Hinweise auf praktische Fälle der Überwachung von Berufgeheimnisträgern gewonnen hat, ist vor diesem Hintergrund angesichts des Berichtsprogramms in § 100e Abs. 2 a. F. StPO, § 100e Abs. 6 StPO selbstverständlich. Da Benachrichtigungen gem. § 101 StPO in der Praxis selten erfolgen und sich allenfalls bei einigen Strafverfolgungsbehörden die systematische Beachtung der Benachrichtigungspflicht erkennen lässt, lassen die bekannt gewordenen Gerichtsentscheidungen annehmen, dass es sich bei diesen Einzelfällen nur um die Spitze eines Eisbergs handelt.
Der vorgelegte Referentenentwurf lässt in seiner Begründung keinen Zweifel daran, dass die Bundesregierung unabhängig von dem rechtstatsächlichen Ist-Zustand eine Verbesserung des Schutzes der Rechtsanwaltschaft bei strafrechtlichen Ermittlungen anstrebt. Es sei daran erinnert, dass dieser Schutz im Polizeirecht des Bundes durch die Differenzierung zwischen Strafverteidigern und anderen Rechtsanwälten in § 20u Abs. 1, Abs. 2 BKAG bislang versagt bleibt (vgl. hierzu die anhängigen Verfassungsbeschwerden, Az.: 1 BvR 1141/09). Die von dem Referentenentwurf aufgezeigten Gründe streiten auch im Polizeirecht des Bundes und der Länder für einen absoluten Schutz der Kommunikation zwischen Anwalt und Mandant vor Informationseingriffen.
Verfasser: Rechtsanwalt Sönke Hilbrans, Berlin