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Referentenentwurf eines Gesetzes zur Verlängerung des Betrachtungszeitraums für die ortsübliche Vergleichsmiete

Stellungnahme des RAV, 6.9.19

Grundsätzlich ist die Erweiterung des Betrachtungszeitraums für die Ermittlung der ortsüblichen Vergleichsmiete von vier auf sechs Jahren zu begrüßen, jede Erweiterung hilft. Allerdings wäre es sicherlich besser, alle Mieten bei der Ermittlung der Vergleichsmieten zu berücksichtigen. Denn nur so werden alle Mieten berücksichtigt, die am Markt gezahlt werden.

      1. Ortsübliche Vergleichsmiete und Betrachtungszeitraum

Bei der ortsüblichen Vergleichsmiete handelt es sich – von der Grundidee her – um die Miete, die gemeinhin für vergleichbare Wohnungen gezahlt wird. Es sind daher nicht nur die in jüngerer Zeit neu vereinbarten Mieten zu berücksichtigen, sondern auch die unveränderten Bestandsmieten, die offenbar von diesen Vermietern als auskömmlich und nicht unangemessen angesehen werden. Dies hat auch einen guten Grund: Im bundesdeutschen Recht sind Änderungskündigungen ausgeschlossen. Die Vermieter dürfen nicht kündigen, um einen höheren Mietzins zu erzielen. Als Ausgleich wird ihnen das Recht eingeräumt, die Miete unter Beachtung einer dreijährigen Kappung von 15 bzw. 20 % auf die ortsübliche Vergleichsmiete zu erhöhen. Das kann nicht die Neuvermietungsmiete sein, denn das wäre die Miete, die der Vermieter bei einer Änderungskündigung erzielen würde. Dann hätte man sich dieses Verbot schlicht sparen können.

Daher ist die ortsübliche Vergleichsmiete nicht die bei Neuvermietung erzielbare Miete, sondern diejenige Miete, die für Wohnungen vergleichbarer Art, Größe, Ausstattung, Beschaffenheit und Lage gezahlt wird. Der Vermieter soll das bekommen, was die anderen Vermieter – im Schnitt – auch an Miete erhalten. Darin enthalten sein müssen alle Mieten, also sowohl aktuell vereinbarte als auch lange nicht veränderte Mieten.

Derzeit sollen hingegen bei der Ermittlung der Vergleichsmiete nur die Mieten eine Rolle spielen, die innerhalb der letzten vier Jahre vereinbart oder geändert wurden. Die Mieten, die also schon lange nicht erhöht worden sind, finden bei der Ermittlung keine Berücksichtigung. Diese systemwidrige Beschränkung wird mit der Einbeziehung zweier weiterer Jahre zwar gemildert. Konsequent und richtig wäre aber die Einbeziehung aller Mieten.

Es wird angeregt, genau dies so zu regeln. Dabei muss auch darauf verwiesen werden, dass man 2016 unter der Vorgängerregierung schon einmal weiter war. Seinerzeit ging es um die Einbeziehung der Mieten immerhin der letzten zehn Jahre.

       2. Ermittlung der ortsüblichen Vergleichsmieten

Der Referentenentwurf führt zur Begründung aus, dass die Mieten und hier insbesondere die Angebotsmieten in den letzten Jahren erheblich gestiegen seien. Aus diesem Grunde solle über die Ausweitung des Betrachtungszeitraums eine stärkere Dämpfung der Mieten erreicht werden. In der Praxis erweist sich allerdings gerade die Auseinandersetzung über die tatsächliche Miethöhe als wesentlich gravierender. Regelmäßig streiten sich die Parteien über die Qualität der qualifizierten Mietspiegel, die allein in eine Ermittlung der Vergleichsmieten sicher ermöglichen. Viele Mietspiegel sind als nicht mit dem Gesetz vereinbar – weil nicht nach wissenschaftlichen Grundsätzen erstellt – von der Rechtsprechung für ungültig erklärt worden.

           a. Stärkung der qualifizierten Mietspiegel

Es bedarf daher dringend verbindlicher Regelungen, wie die Mietspiegel aufzustellen sind. Hier hatte die Vorgängerregierung bereits einen Entwurf erarbeitet, der eine Reihe interessanter Ansätze enthielt. Hierauf hatten wir bereits in unserer anliegenden Stellungnahme zur letzten Mietrechtsreform verwiesen.

         b. Beweisregeln zu Ermittlung der ortsüblichen Vergleichsmiete

Weiter ist es wichtig, neben einer Definition der wissenschaftlichen Grundsätze, die Beweisregeln in Bezug auf den Mietspiegel zu verbessern. Wir schlagen daher vorher, eine gestufte Beweisvermutung einzuführen:

Es soll grundsätzlich dabei bleiben, dass ein nach wissenschaftlichen Grundsätzen erstellter Mietspiegel, der von den Interessenverbänden (Vermieter und Mieter) oder der Behörde anerkannt wurde, die ortsübliche Vergleichsmiete wiedergibt. Darüber hinaus sollte gesetzlich vermutet werden, dass der Mietspiegel nach anerkannten wissenschaftlichen Grundsätzen aufgestellt worden ist, wenn die Interessenverbände und die Behörde den Mietspiegel anerkennen.

Die Beweisvermutung führt gem. § 292 ZPO dazu, dass die unter Beweis gestellte Tatsache (hier also die ortsübliche Vergleichsmiete oder die Einhaltung der anerkannten wissenschaftlichen Grundsätze) als bewiesen gilt, es sei denn, dass der Beweisgegner (i.d.R. der Vermieter) im Einzelfall das Gegenteil beweist. Gerade wenn sowohl Interessenvertreter der Vermieter als auch der Mieter den Mietspiegel anerkennen, kann man davon ausgehen, dass nicht nur die ermittelten Mieten, sondern auch die Aufstellung des Mietspiegels selbst ordnungsgemäß erfolgt sind. Ein Gegenbeweis bleibt aber möglich.

Darüber hinaus erscheint es sinnvoll, den nach Landesrecht für die Aufstellung der Mietspiegel zuständigen Behörden die Möglichkeit einzuräumen, Mietspiegel als lokale Norm für verbindlich zu erklären. Der Behörde soll möglich sein, den Mietspiegel als Satzung bzw. Rechtsverordnung zu erlassen, sofern nach ihrer Prüfung die Regeln bei der Aufstellung eingehalten wurden und die Interessenverbände zugestimmt haben. In diesem Fall würde das Zivilgericht, das über die ortsübliche Miete zu befinden hat, inzident prüfen, ob der Mietspiegel ordnungsgemäß aufgestellt worden ist. In Bundesländern, die über eine Verwaltungsordnung nach § 47 VwGO verfügen, könnte zudem eine Normkontrolle angestrengt werden. Die doppelte Beweisvermutung und die Möglichkeit, dadurch die Mietspiegel für verbindlich zu erklären, sollen für mehr Sicherheit im Streit über die richtige Miethöhe sorgen.

      3. Mietpreisbremse

Gänzlich fehlt in dem Entwurf eine Auseinandersetzung mit der Mietpreisbremse. Denn auch für die Mietpreisbremse ist die ortsübliche Vergleichsmiete von großer Bedeutung. Diese darf bekanntlich nicht um mehr als 10 % bei Wiedervermietung überschritten werden, sofern sich die Wohnung in einem Gebiet gemäß § 555d Absatz 2 BGB befindet. Nachdem nun nach fünf Jahren geklärt ist, dass eine Mietpreisbremse nicht verfassungswidrig ist und der Gesetzgeber nicht nur die Höhe von Bestandsmieten, sondern auch die Wiedervermietungsmieten regeln darf, sollte der Gesetzgeber dieses Instrument mutiger nutzen und die Mietpreisbremse deutlich schärfen.

Hierzu wird schon lange gefordert,

  • Die Ausnahmen (umfassende Modernisierung, § 556f Satz 2 BGB) und die Einschränkungen für Modernisierung und Vormiete (§ 556e BGB) zu streichen,
  • die Rügeobliegenheit ganz zu streichen und
  • die derzeit bis 2020 laufende Gültigkeit des Gesetzes zu ändern und die Mietpreisbremse zu entfristen.

Berlin, 6. September 2019

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