Solange es Menschen gibt, solange gibt es Migration. Dass Menschen trotz der Gefahr des Todes den Weg gegen Meere und Mauern auf sich nehmen, hat eine Ursache: Sie wollen leben. Mitte 2024 waren über 120 Millionen Menschen weltweit auf der Flucht. 69 % der Menschen hielten sich in Nachbarländern auf. 71 % der Geflüchteten lebten in Ländern mit niedrigem oder mittleren Einkommen. Die Klimakrise wird zum weiteren Treiber von Flucht. Eine Flucht, um zu leben! Eine Flucht aus einer Ursache: den ungleichen Lebensbedingungen. Eine Flucht von Menschen dorthin, wo sie noch hoffen, eine Existenz zu finden.
Diese krasse Ungleichheit auf der Welt werden wir mit rechtlichen Mitteln nicht ändern. Aber: Wir sind uns dessen bewusst, dass wir in einem Land leben, das die Fluchtbedingungen weltweit mitverursacht. Dass wir in einem Land leben, dessen Reichtum auch darauf beruht, dass in großen Teilen der Welt die Armut grassiert. Dass wir in einem Land leben, das Kriege und die Klimakatastrophe mitverursacht.
Und das heißt für uns und verpflichtet uns erst recht: Gegen jedes weitere Sonderrecht, gegen jede weitere Aufhebung des gleichen Rechts für hier Lebende zu kämpfen. Und erst recht: Eine scharfe Zurückweisung jeglicher, völliger enthemmter, rassistischer Forderungen, wie sie derzeit im Zuge des Wahlkampfs mitzuerleben sind und gerade von den Parteien kommen, die den Fluchtursachen am wenigsten entgegensetzen oder sie gar leugnen und damit weitere Migrationsbewegungen fördern. Es scheint sich auch in diesem Wahlkampf ein Überbietungswettbewerb eingestellt zu haben: Sieger ist, wer die größtmögliche Abschottung herbeiruft sowie die erzwungene Entfernung von Menschen aus Deutschland noch schneller in noch größerem Stil fordert. Dabei wird weder vor Kriegs- und Krisengebieten Halt gemacht, noch zählt die körperliche Unversehrtheit für Personen, die Straftaten begangen haben. Die sogenannte Brandmauer ist eingerissen, während an deutschen und europäischen Grenzen die Mauern weiter hochgezogen werden. Der Rassismus ist wieder Teil der Norm.
- Wenn es heißt, dass Geflüchtete an deutschen Grenzen zurückgewiesen werden sollen, dass das Asylrecht - eine Lehre aus dem deutschen Faschismus - endgültig das Zeitliche segnen soll,
- wenn es heißt, dass Asylverfahren in Drittstaaten ausgelagert werden sollen,
- wenn es heißt, dass subsidiär Schutzberechtigte kein Recht mehr haben sollen, ihre Familie zu sich zu holen,
- wenn es heißt, dass auch in Kriegs- und Krisengebiete abgeschoben werden soll, und Ausweisungen bei Straftaten zwingend werden sollen,
- wenn es heißt, dass Menschen zeitlich unbegrenzt inhaftiert werden sollen,
- wenn es heißt, dass "Straftätern" die Staatsbürgerschaft entzogen werden soll,
- wenn es heißt, dass Menschen, für dessen Asylverfahren Deutschland sich nicht zuständig sieht, keine Existenzsicherung mehr erhalten und damit ausgehungert werden sollen,
- wenn die Migration unverblümt zur Ursache von sozialen Nöten erklärt wird, anstelle zu benennen, dass Ursache hierfür noch immer die Ungleichheit ist,
- wenn der Begriff "Remigration" wieder salonfähig ist, was nichts anderes bedeutet als Vertreibung -
Dann haben wir zu handeln!
Für uns gilt: Kein Schritt weiter nach schon stetiger Aufhebung der Rechte für Geflüchtete und migrantisierte Menschen. Der völligen Enthemmung in Sprache und Tun muss etwas entgegengesetzt werden. Jeder gesellschaftliche Teil, jeder berufliche Bereich hat dabei seine ganz eigene Verantwortung. Es bedeutet, nach Gebrauchmachen vom eigenen Wahlrecht, den Kampf weiterzuführen, unabhängig von Parteien, innerhalb und außerhalb dieser.
Wir als Jurist*innen möchten unseren Teil leisten. Dabei stehen wir solidarisch an der Seite all jener, die sich seit Jahrzehnten gegen diese Entgrenzung einsetzen und dafür kämpfen, Rechte zu erweitern und nicht zu verkürzen, sowie ganz besonders an der Seite der unmittelbar Betroffenen, die sich dem tagtäglich widersetzen.
Wir werden auf die Straße gehen. Und wir werden unseren Kampf, immer dort, wo er notwendig ist, fortsetzen.
Für uns gilt:
NEIN zu Zurückweisungen an den deutschen Grenzen:
Trotz des international geltenden Non-Refoulment-Verbots und der in der EU geltenden Dublin-III-Verordnung wollen AfD und CDU in großem Stil an deutschen Grenzen zurückweisen. Die FDP will dies modellhaft ausprobieren. Diese Parteien wollen damit geltendes Recht bewusst massenhaft brechen und menschenverachtende Fakten schaffen.
NEIN zu Auslagerung von Asylverfahren in Drittstaaten:
Asylverfahren sollen nach dem Willen von AfD, CDU, FDP und BSW in sog. sichere Drittstaaten ausgelagert werden; die SPD wollte dies im Sommer 2024 zumindest prüfen lassen. Diese Grenzverfahren wurden im Rahmen der GEAS-Reform auch von der SPD und den Grünen befürwortet. Diese Verfahren werden nur durch massenhafte Inhaftierungen praktisch durchzusetzen sein. Ein Schutz vor Folter und Misshandlung wäre spätestens dann nicht mehr gewährleistet.
NEIN zur Verunmöglichung des Familiennachzugs und Abschaffung des subsidiären Schutzstatus:
Der Familiennachzug zu subsidiär Schutzberechtigten soll nach Absicht von CDU und FDP ausgesetzt bzw. abgeschafft werden. Beide Parteien übernehmen damit eine Forderung der AfD aus 2018. Der Satz von Julia Klöckner „Für das, was Ihr wollt, müsst Ihr nicht AfD wählen" wird bittere Wahrheit. Der subsidiäre Schutzstatus soll insgesamt abgeschafft werden. Tausenden Bürgerkriegsflüchtlingen würde - nicht zuletzt aufgrund einer lückenhaften Genfer Flüchtlingskonvention - der notwendige Schutz verweigert werden.
NEIN zu Abschiebungen in Kriegs- und Krisengebiete und der erneuten Verschärfung des Ausweisungsrechts:
Der Schutz vor Folter, vor unmenschlicher und erniedrigender Behandlung gilt absolut. Er ist nicht relativierbar. Trotzdem wurden unter der Ampelregierung bereits Menschen in Krisen- und Kriegsgebiete, wie Afghanistan, abgeschoben. Abschiebungen nach Syrien sollen folgen. Die AfD, aber auch die CDU/CSU fordern diese ausdrücklich. Ausweisungen sollen nach Willen der CDU ab zwei Straftaten zwingend sein. Auch die AfD verlangt nach zwingender Ausweisung, unabhängig von den schutzwürdigen Rechten der Betroffenen. Dass diese Forderungen gegen Verfassungs- und Europarecht verstoßen, weil hierdurch verfassungsrechtlich verbriefte Rechte, wie das Recht auf Familie, geschliffen werden, scheint irrelevant. Verfassungsrechtlich geschützte Rechte werden damit einmal mehr relativiert. Straftaten haben ihre Ursache jedoch nicht in der Herkunft oder dem Pass, sondern noch immer maßgeblich in den sozialen Ursachen.
NEIN zu der Forderung nach unbegrenzter Inhaftierung:
Menschen, die vollziehbar ausreisepflichtig sind, unbegrenzt zu inhaftieren ("Ausreisearrest"), wie die CDU/CSU dies in ihrem Wahlprogramm ausdrücklich fordert, ist eine Aufhebung demokratischen Rechts und staatlicher Kontrolle. Es ist eine Entgrenzung, die an den Faschismus in Deutschland erinnert. Haft ist eine der massivsten staatlichen Gewaltausübungen und darf niemals, ob es sich nun um Strafhaft oder Abschiebehaft handelt, unbegrenzt sein.
NEIN zur der Forderung nach dem Entzug der Staatsbürgerschaft:
Personen, die die doppelte Staatsangehörigkeit haben und eine schwere Straftat begangen haben, soll - zuvorderst nach dem Willen von CDU und AfD - die deutsche Staatsangehörigkeit entzogen werden. Das im Grundgesetz verankerte Recht „Die deutsche Staatsangehörigkeit darf nicht entzogen werden“ ist eine Folge der Ausbürgerungspolitik der Nazis gegen Jüd*innen und politische Gegner*innen. Es ist eine Mahnung und ein Versprechen, Schutz vor Entrechtung, vor Staatenlosigkeit sowie vor dem Staat selbst zu garantieren. Es verhindert Bürger*innen zweiter Klasse sowie eine rein konditionale Zugehörigkeit. Diese Forderung greift das Fundament unserer Gesellschaft an. Die Antwort jedoch darf nicht ein Weniger an Einbürgerung sein, sondern ein Mehr. Es muss heißen "Gleiche Rechte für alle, die hier leben". Dazu zählt vor allem das Wahlrecht.
NEIN zu der Forderung nach Entzug der Existenzsicherung:
Die bisherige Ampelregierung hat ohne Wimpernzucken Leistungskürzungen für Menschen im Dublin-Verfahren beschlossen, ohne zu berücksichtigen, dass im Dublin-Verfahren eine freiwillige Rückkehr praktisch kaum vorgesehen ist. Auch wurde die Bezahlkarte eingeführt und die CSU will einen Tausch von Bezahlkarte gegen Bargeld unter Strafe stellen.
Dies stellt ein Aushungern und eine Verunmöglichung der Teilhabe am sozialen Leben dar. Menschen, die sich mit den Betroffenen solidarisch verhalten, sollen kriminalisiert werden.
AfD, CDU, FDP und BSW befürworten diesen flächendeckenden und vollständigen Leistungswegfall für hier lebende Menschen und deren Aushungern, um sie zum Gehen zu bewegen. Dies ist eine Aufhebung grundlegender Menschenrechte und ein klarer Bruch höchstrichterlicher Rechtsprechung.
NEIN zur Behauptung der Migration als Ursache von sozialen Nöten:
Migration wird unverblümt zur Ursache von Wohnungs- und Kitaplatznot gemacht. Das ist nicht nur falsch, auch verschleiern die verantwortlichen Parteien dadurch ihr eigenes Versagen und heizen weiter soziale Spaltung an. Allein in der jüngsten Zeit haben wir massenhaft Kürzungen in den sozialen Bereichen miterlebt, weitere sollen bevorstehen.
NEIN zu "Remigration"
Die AfD, bestärkt durch die benannten Entwicklungen, fordert mit ihrem Begriff der „Remigration“ unverhohlen die zwangsweise Vertreibung von Menschen aus Deutschland. Dem müssen wir uns entgegenstellen.
NEIN zur systematischen Entrechtung von Millionen von Menschen!
Stellungnahme als Flyer