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Landfriedensbruch oder Demokratiebruch?
Zur Geschichte und Gegenwart eines Paragraphen

Online-Veranstaltung | 28.5.21 | Podiumsdiskussion | 19:30 - 21:00h

Demonstrationen waren und sind Kampfmittel gegen Obrigkeitsstaat und Diktatur. Für eine Demokratie ist die freie Versammlung wichtig wie die Luft zum Atmen. Doch sieht sich die Versammlungsfreiheit vielfältigen Angriffen ausgesetzt. So finden zunehmend vor allem links gerichtete Versammlungen nur noch unter enger polizeilicher Kontrolle statt. Auseinandersetzungen, Festnahmen und strafrechtliche Verfolgung mit den Vorwürfen des „tätlichen Angriffs gegen Vollstreckungsbeamte“ (§ 114 StGB) oder des „Landfriedensbruchs“ (§ 125, 125a StGB) sind auch gegen Teilnehmer:innen alltäglich geworden, die sich an etwaigen Angriffen oder Gewalttätigkeiten gar nicht beteiligt haben.

Dabei ist schon seit einer Gesetzesreform im Jahr 1970 die bloße Anwesenheit in einer unfriedlichen Versammlung nicht mehr strafbar. Nur wer als „Täter“ oder „Teilnehmer“ an „Gewalttätigkeiten gegen Menschen oder Sachen“ beteiligt ist, die aus einer Menschenmenge heraus begangen werden, kann sich des Landfriedensbruchs strafbar machen.

In der justiziellen Aufarbeitung von G20 wird gerade versucht, wieder das einfache „Mitmarschieren“ als Teilnahmehandlung unter Strafe zu stellen. Auch in der Politik gibt es immer neue Initiativen, um den Zustand vor 1970 wieder herzustellen. Zuletzt war es Nordrhein-Westfalens CDU-Innenminister Herbert Reul, der im Dezember 2020 unter Hinweis auf die Auseinandersetzungen im Hambacher Forst eine Rechtslage forderte, die ein Vorgehen auch gegen Demonstrierende erlaube, „die Gewalttäter allein durch ihre physische Präsenz schützen“.

Dabei hatte im Jahr 1985 das Bundesverfassungsgericht in dem schon legendären „Brokdorf-Beschluss“ festgeschrieben, dass Versammlungen ein verfassungsrechtlich schützenswertes „Stück ursprünglich-ungebändigter unmittelbarer Demokratie enthielten, das geeignet ist, den politischen Betrieb vor Erstarrung in geschäftiger Routine zu bewahren.“ Mit dieser Veranstaltung wollen wir der Frage nachgehen, wie viel von diesem Versprechen noch übrig geblieben ist und was wir tun müssen, um die Versammlungsfreiheit wieder stark zu machen.

 

Gabriele Heinecke ist seit vielen Jahren Rechtsanwältin in Hamburg und hat in zahlreichen Demonstrationsstrafverfahren verteidigt, in jüngerer Zeit in den Fällen des anlässlich G20 am „Rondenbarg“ anwesenden Italieners „Fabio“ und in dem „Elbchaussee-Verfahren“.

Dr. Dr. Peter Ullrich ist Soziologe und wissenschaftlicher Mitarbeiter am Institut für Protest- und Bewegungsforschung, hat das Projekt „Mapping #NoG20“ geleitet und ist Co-Bereichsleiter „Soziale Bewegungen, Technik, Konflikte“ am Zentrum Technik und Gesellschaft, TU Berlin.

Dr. Oliver Harry Gerson ist Jurist und wissenschaftlicher Assistent/ Habilitand am Lehrstuhl für Deutsches, Europäisches und Internationales Strafrecht und Strafprozessrecht sowie Wirtschaftsstrafrecht von Prof. Dr. Robert Esser (Universität Passau). Er hat in dem „Elbchausseeverfahren“ für die Verteidigung ein umfangreiches Gutachten zu den Beteiligungsformen des §§ 125, 125a StGB erstellt.

 

Termin:
28.5.21 | 19:30 - 21:00 h

Veranstaltung:
https://zoom.us/j/99264445043?pwd=d2NPN1JWcDFsdHBDLy9nVUhEVDZXdz09
Kenncode: 798520

 

Online-Flyer (PDF)

 

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Der RAV bietet zusätzlich zu diesem Thema auch eine (kostenpflichtige) Fortbildung gem. FAO am 28.05.2021 von 16 - 19 Uhr an.
Mehr Informationen und Anmeldeoptionen unter: https://www.rav.de/fortbildung/seminare/seminar/verteidigung-gegen-den-vorwurf-des-landfriedensbruches/3f059cd63c5ad9d0ca3d49bcdefeb1a2/