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Keine Ruhe den NS-Kriegsverbrechern - Keine Staatenimmunität für NS-Kriegsverbrechen

Veranstaltungsreihe
Vor dem Hintergrund aktueller gerichtlicher Verfahren um die Auseinandersetzung mit NS-Kriegsverbrechen organisiert der Republikanische Anwältinnen- und Anwaltsverein (RAV) gemeinsam mit Arbeitskreis Distomo (Hamburg) eine Veranstaltungsreihe mit Diskussionsveranstaltungen und Filmvorführungen in Berlin, München und Den Haag.

München
Veranstaltung am Montag, 20. April 2009, 19.00 Uhr, Gasteig, Rosenheimer Straße 5, 81667 München
mit
Argyris Sfountouris (Griechenland) und Angiola Lescai (Italien)
Martin Klingner, Rechtsanwalt von Distomo-Opfern in der Bundesrepublik Deutschland und
Gabriele Heinecke, Rechtsanwältin (Mitglied im Bundesvorstand des RAV/ Vertreterin der Nebenklage in dem Prozess gegen Scheungraber)
Moderation: Michael Backmund (Mitglied im Vorstand der Deutschen Journalistinnen- und Journalistenunion (dju) beim Ortsverband München)

Unterstützer: Israelitische Kultusgemeinde München und Bayern, VVN/BDA München, Initiative Bayerischer Strafverteidigerinnen und Strafverteidiger, Neue Richtervereinigung (NRV) Landesverband Bayern, Arbeitskreis Aktiv gegen Rechts in ver.di München

Berlin
Filmvorführung „Ein Lied für Argyris“ am Dienstag, den 21.4.2009, 19.00 Uhr, Willi-Münzenberg-Saal im ND-Gebäude, Franz-Mehring-Platz 1, 10243 Berlin (Nähe Ostbahnhof)
Anschließende Diskussion mit Argyris Sfountouris und Informationen zum aktuellen Stand der Auseinandersetzung um die Entschädigung für NS-Kriegsverbrechen von Rechtsanwalt Martin Klinger (Hamburg).

Den Haag

Filmvorführung „Ein Lied für Argyris“ am Donnerstag, den 22.4.2009, 19.00 Uhr, Film Huis Den Haag, Spui 191, Den Hague
Anschließende Diskussion mit Argyris Sfountouris und Informationen zum aktuellen Stand der Auseinandersetzung um die Entschädigung für NS-Kriegsverbrechen von Rechtsanwältin und Mitglied im Bundesvorstand des RAV Gabriele Heinecke und Rechtsanwalt Martin Klinger.

Im Juni 1944 wütete die deutsche Wehrmacht als Besatzerin u.a. in Italien und in Griechenland. In Distomo, einer kleinen Ortschaft nicht weit von Delphi, ermorden am 10. Juni 1944 Angehörige der 4.SS-Polizei-Panzergrenadier-Division im Zuge einer sogenannten „Vergeltungsaktion“ 218 Dorfbewohner. Für das Massaker wurde kein Soldat je strafrechtlich zur Verantwortung gezogen.

Argyris Sfountouris (Protagonist des Filmes „Ein Lied für Argyris“) war im Juni 1944 knapp 4 Jahre alt und überlebte durch Zufall. Er verlor seine Eltern und 30 Familienangehörige. Obwohl der Areopag, das höchste griechische Gericht, im Mai 2000 die Bundesrepublik Deutschland rechtskräftig verpflichtete, eine Summe von insgesamt 28 Millionen Euro Entschädigung an die Opfer aus Distomo zu zahlen, hat er wie die anderen Überlebenden und Angehörigen bis zu heutigen Tage keinen Cent gesehen.

Auch vor italienischen Gerichten haben inzwischen italienische Opfer der deutschen Besatzer erfolgreich auf Entschädigung, die griechischen Opfer erfolgreich auf Vollstreckbarkeit ihres griechischen Rechtstitels gegen deutsches Eigentum in Italien geklagt. Deutschland hat eingewendet, es habe sich jeweils um „hoheitliche Maßnahmen“ gehandelt, und in allen Entschädigungsverfahren „Staatenimmunität“ für die Kriegs- und Völkerrechtsverbrechen gefordert. Dieses Argument haben sowohl der Areopag als auch der italienische Kassationshof zurück gewiesen. Um der Vollstreckung der Entschädigungsansprüche zu entgehen, hat die Bundesregierung im Dezember 2008 Klage vor dem Internationalen Gerichtshof in Den Haag erhoben. Deutschland versucht den Rollentausch und stellt sich in diesem Verfahren als Opfer dar.

In Falzano di Cortona, einem kleinen toskanischen Dorf, ermorden am 27. Juni 1944 Angehörige des Gebirgs-Pionier-Bataillons 818 im Zuge einer „Vergeltungsaktion“ am Widerstand der Partisanen völlig unbeteiligte Dorfbewohner. Bei Durchkämmungen werden eine 74-jährige Frau, ein 14-jähriger Junge sowie 3 Männer im Alter zwischen 21 und 55 Jahren erschossen. 13 Männer zwischen 15 und 74 Jahren werden festgenommen, 11 von ihnen in die „Casa Canicci“ gesperrt. Das Haus wird vermint und mit den Eingesperrten in die Luft gesprengt. Wie durch ein Wunder überlebt der damals 15-jährige Gino M.; Angiola Lescai verlor bei dem Massaker zwei Angehörige ihrer Familie.

Die verantwortlichen Offiziere der Einheit, Herbert Stommel - Bataillonskommandeur - und Josef Scheungraber – Kompaniechef – wurden im September 2006 vom Militärgericht in La Spezia in Abwesenheit zu lebenslanger Haft verurteilt. Da eine Auslieferung nach deutschem Recht nicht möglich ist, wird gegen den noch verhandlungsfähigen 90-jährigen Josef Scheungraber seit September 2008 vor der Schwurgerichtskammer des Landgerichts München wegen vielfachen Mordes verhandelt. 65 Jahre nach dem Massaker sind viele Zeugen verstorben, die Beweisaufnahme ist schwierig, der Ausgang ungewiss.

Die Veranstaltung in München bildet den Auftakt einer Veranstaltungsreihe, die in Berlin und Den Haag fortgesetzt wird. Ziel ist es, auf den Skandal aufmerksam zu machen, dass die Bundesrepublik Deutschland versucht, sich aus der Verantwortung für NS-Verbrechen gegen die Menschheit zu stehlen.
Die Veranstaltungsreihe wird gefördert durch die Stiftung Erinnerung, Verantwortung, Zukunft (EVZ) sowie die Rosa-Luxemburg-Stiftung (RLS).


Weitere Informationen: http://www.nadir.org/nadir/initiativ/ak-distomo/