Seit vergangener Woche ist ein neuer Geschäftsverteilungsplan des Amtsgerichts Tiergarten in Kraft, welcher die Einrichtung neuer Stellen vorsieht, die für beschleunigte Verfahren der Staatsanwaltschaft Berlin zuständig sind. Zugleich änderte die Staatsanwaltschaft Berlin ihren Geschäftsverteilungsplan und zog die Zuständigkeit für beschleunigte Verfahren – die grundsätzlich bei der Amtsanwaltschaft liegt – an sich. Davon betroffen sind derzeit ausschließlich Fälle der „Straßenblockaden“ der Letzten Generation.
Diese Änderungen sind höchst problematisch bis hin zu verfassungsrechtlich bedenklich, da das Recht auf den gesetzlichen Richter faktisch ausgehebelt wird:
Ganz grundsätzlich eignet sich strafrechtliche Beurteilung der „Straßenblockaden“ der Letzten Generation ohnehin nicht für das beschleunigte Verfahren: Diese sind nach § 417 StPO vielmehr nur zulässig, wenn die Sache auf Grund des einfachen Sachverhalts oder der klaren Beweislage zur sofortigen Verhandlung geeignet ist. Ausweislich der obergerichtlichen Rechtsprechung ist dies bei Aktionen der Letzten Generation ausdrücklich nicht der Fall. Die Beweislage ist schwierig, die rechtliche Würdigung umstritten und uneinheitlich, schließlich sind in jedem einzelnen Fall verfassungsrechtliche Abwägungen zu treffen. Hierfür sind beschleunigte Verfahren gerade nicht gemacht.
Unabhängig hiervon drängt sich der Eindruck auf, dass hier bewusst eine Sonderzuständigkeit für die Letzte Generation geschaffen wurde: Dieser Eindruck speist sich aus dem engen zeitlichen Zusammenhang zwischen Regierungswechsel, hausinternen Gesprächen, den gleichzeitigen Änderungen der Geschäftsverteilungspläne von Staatsanwaltschaft und Amtsgericht Tiergarten – sowie dem Umstand, dass de facto nur die Fälle der Letzten Generation von dieser Änderung umfasst sind. Hier scheint es mithin allein um ein politisches Signal in der ohnehin schon von Populismus geprägten Debatte zu gehen, wobei dies wieder einmal zulasten der Beschuldigten- und Verfahrensrechte geht.
Ausnahmegerichte sind nach Art. 101 GG aus rechtsstaatlichen sowie nicht zuletzt rechtshistorischen Gründen unzulässig: Sie stellen eine Verletzung des Rechts auf den gesetzlichen Richter dar. Es besteht ein erhebliches Risiko, dass die Justiz in Bezug auf die Letzte Generation nicht mehr unabhängig handelt und das Recht auf den gesetzlichen Richter ausgehebelt wird. Die Garantie des gesetzlichen Richters soll gerade „der Gefahr vorbeugen, dass die Justiz durch Manipulation der rechtsprechenden Organe sachfremden Einflüssen ausgesetzt wird (BVerfGE 95, 322 (327); 118, 212 (239); 148, 69, Rn. 47). Diese Unabhängigkeit sehen wir durch das Vorgehen von Amtsgericht Tiergarten im Zusammenspiel mit der Staatsanwaltschaft Berlin konkret gefährdet.
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Anfragen hierzu können über die Geschäftsstellen vermittelt werden
Vereinigung Berliner Strafverteidiger*innen: 030–34781265 / info@strafverteidiger-berlin.de
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