Eine Podiumsdiskussion zu Auslieferungen nach Ungarn wegen des Vorwurfes der Beteiligung an gewalttätigen Protesten gegen einen internationalen rechtsradikalen Aufmarsch in Ungarn im Februar 2023 mit:
Dr. Cuno Tarfusser
Ehemaliger Richter und stellvertretender Präsident des Internationalen Strafgerichtshofes in Den Haag, italienischer Staatsanwalt
Prof. Dr. Dr. h.c. Martin Heger
Lehrstuhl für Strafrecht, Strafprozessrecht, Europäisches Strafrecht und Neuere Rechtsgeschichte an der Humboldt-Universität zu Berlin
RA Sven Richwin
Verteidiger der bereits nach Ungarn ausgelieferten Maja T., Berlin
Sugárka Sielaff
Journalistin, Hamburg
RA Dieter Magsam
Moderation
Donnerstag, 9. Januar 2025, 19.00 Uhr S.T.
Rechtshaus Hörsaal
Rothenbaumchaussee 33
20148 Hamburg
Gestörtes Vertrauen - die Grenzen innereuropäischer Rechtshilfe
Jährlich finden Naziaufmärsche in Ungarn am „Tag der Ehre“ statt. Es soll an den 11. Februar 1945 erinnert werden, an dem Wehrmacht, SS und ihre ungarischen Verbündeten versucht haben, vor dem Vormarsch sowjetischer Truppen aus dem eingekesselten Budapest zu fliehen. Es ist ein internationales rechtsextremes Treffen europäischer Nazi-Netzwerke, geduldet von den ungarischen Behörden.
Ungarn, dem aktuell die Europäische Ratspräsidentschaft zusteht, verlangt von anderen Staaten die Auslieferung europäischer Gegendemonstrierenden, denen die ungarische Justiz gewalttätige Angriffe auf dieses Treffen am 13. Februar 2023 vorwirft. Während sich die italienische Justiz im Parallelfall Gabriele M. bisher geweigert hat, dem Auslieferungsersuchen nachzukommen, haben die deutschen Behörden Maja T. nach Ungarn ausgeliefert, ohne die Eil-Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts (B.v.28.6.2024 -2 BvQ 49/24), die dies vorläufig untersagte, abzuwarten. In dem Auslieferungsersuchen ist von einer drohenden Haftstrafe von 24 Jahren die Rede. Weitere Beschuldigte halten sich verborgen, um einem ähnlichen Schicksal zu entgehen. Sie sind bereit, sich der deutschen Justiz für einen Prozess in Deutschland zu stellen, wenn die Bundesrepublik Deutschland auf eine Auslieferung verzichtet. Eine offizielle Reaktion blieb aus. Mittlerweile wurde zwei weiterer Beschuldigte verhaftet: der deutsche Staatsangehörige J.G. wurde am 7.11.2024 auf einer Zugfahrt in Deutschland verhaftet, der in Finnland arbeitende albanische Staatsangehörige G. am 12.11.2024 in Frankreich.
Mit diesen Vorgängen sind persönliche und familiäre Schicksale verbunden, aber auch drängende juristische und politische Fragen, denen sich die Veranstaltung widmen will:
- Von welchen Verfahrensgarantien und Haftbedingungen soll im europäischen Rechtsraum die Auslieferung aufgrund eines europäischen Haftbefehls abhängen? Im Hinblick auf Ungarn erscheinen insbesondere die Dauer der Untersuchungshaft, die Haftbedingungen sowie das exorbitante Strafmaß problematisch. Verschiedene Organisationen kritisieren, dass Dauer und Ausgestaltung der Untersuchungshaft auf die Erlangung von Geständnissen und damit einen kurzen Prozess abzielen
- Welches ist der Stand der Reform des Internationalen Rechtshilfegesetzes (IRG)? Was ist von den Reformvorschlägen zu halten?
- Wie können europäische Staaten, die sich im Inneren oft selbst mit rechtsextremen Entwicklungen konfrontiert sehen, als Vertreter einer demokratischen Wertegemeinschaft handeln, ohne die europäische Einheit aufs Spiel zu setzen? Hat der Vertrauensgrundsatz ausgedient, wonach die Justiz eines EU-Mitgliedstaates a priori die Einhaltung elementarer rechtsstaatlicher Garantien gewährleiste?
Dr. Tarfusser und RA Richwin waren bzw. sind mit den jeweiligen Verfahren in Italien und Deutschland befasst und können aus erster Hand berichten. Prof. Dr. Heger und Frau Sielaff, die für die Zeit, Arte und den NDR aus Ungarn berichtet hat, werden mit ihrer ausgewiesenen Expertise die juristischen und politischen Handlungsspielräume ausleuchten. Die Eltern einer beschuldigten Person berichten einleitend über die aktuelle Situation.
Eine Beteilung des Auditoriums ist erwünscht.
Eine Veranstaltung des Lehrstuhles für Deutsches, Europäisches und Internationales Strafrecht, Strafprozessrecht und Digitalisierungsrecht, Prof. Dr. Kai Cornelius im Rahmen des Hamburger Forums zum Strafrecht.
Sie wird unterstützt vom der Hamburger Arbeitsgemeinschaft für Strafverteidigerinnen und Strafverteidiger, der Solidaritätsgruppe family and friends, Hamburg sowie dem Republikanischen Anwältinnen- und Anwälteverein.
Einladung als PDF