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Ein Rechtsextremist als Richter in Sachsen

Pressemitteilung Nr. 1/22 vom 14. März 2022

RAV verurteilt die Untätigkeit der sächsischen Justiz

Dass Jens Maier ab heute, 14. März 2022 wieder als Richter im Freistaat Sachsen tätig sein wird, offenbart erneut die eklatanten Fehler, die seitens des Ministeriums, der Justiz und der im Sächsischen Landtag vertretenen demokratischen Parteien gemacht wurden.

Nicht nachvollziehbar ist, weshalb das Richterdienstgericht nicht innerhalb eines Monats über den Eilantrag des Justizministeriums über das vorläufige Untersagen der Führung der Dienstgeschäfte entscheiden konnte oder wollte. Von offizieller Seite heißt es zur Begründung dazu, dass sich das Richterdienstgericht an einer Entscheidung gehindert gesehen habe und nicht absehbar wäre, wann überhaupt eine Entscheidung getroffen würde. Jens Maier ließe sich durch einen Rechtsanwalt aus Köln vertreten, dem zunächst Akteneinsicht über das Amtsgericht Köln gewährt würde und der sich dann zu dem Antrag äußern wolle.

Diese Begründung überzeugt nicht:
Sämtliche Anwälte und Anwältinnen sind verpflichtet, Zustellungen digital über das besondere elektronische Anwaltspostfach (beA) entgegenzunehmen. Die Kommunikation an das Gericht hat ausschließlich über das beA zu erfolgen. Weshalb die Akteneinsicht nicht kurzfristig über das beA erfolgen konnte, erschließt sich nicht.

Dazu Rechtsanwältin Kati Lang, Mitglied im erweiterten Vorstand des RAV aus Dresden: ›Aus anwaltlicher Erfahrung erscheint es höchst verwunderlich, weshalb über ein Eilverfahren nicht innerhalb eines Monats ab Antragseingang unter Wahrung des rechtlichen Gehörs entschieden werden kann. Vielmehr erscheint das Vorgehen des Richterdienstgerichts verzögernd und nicht dem Beschleunigungsgedanken eines Eilverfahrens - gerade in Anbetracht des im Raum stehenden Schadens für die Rechtspflege - entsprechend.

Am heutigen Tag des Dienstantritts von Jens Maier hat die Vizepräsidentin des Landgerichts Dresden als nunmehrige Dienstvorgesetzte ein Disziplinarverfahren gegen Jens Maier eingeleitet. Da davon auszugehen ist, dass die Schwelle zum Verweis und somit die Entscheidungskompetenz des Landgerichts überschritten ist, wäre das Disziplinarverfahren - nach Anhörung - dem Sächsischen Justizministerium vorzulegen (§ 31 Sächsisches Disziplinargesetz), womit der Ball wieder bei der grünen Justizministerin Katja Meier liegen dürfte. Ob das Landgericht Dresden allerdings dieses Mal entschlossener reagiert als im Jahr 2017, in welchem ein Disziplinarverfahren gegen Jens Maier mit einem bloßen Verweis endete, bleibt abzuwarten.

Rechtsanwältin Kati Lang weiter: ›Völlig unverständlich ist das Wegducken der demokratischen Parteien im Sächsischen Landtag, die gemeinsam über die notwendige 2/3-Mehrheit für eine Richteranklage verfügen. Damit beweist die in Sachsen regierende Koalition aus CDU, SPD und Grünen eine demokratische Verantwortungslosigkeit sondergleichen.

Für den Antrag auf Erhebung der Richteranklage reicht 1/3 des Landtags (Art. 80 Sächsische Verfassung). Während die grüne Fraktion - als ob keine Dringlichkeit vorgelegen hätte - erst im Februar 2022 ein wissenschaftliches Gutachten zur Richteranklage in Auftrag gegeben hat, obwohl die Möglichkeit der Rückkehr mit Ausscheiden von Jens Maier aus dem Bundestag seit Oktober 2021 auf dem Tisch lag, bleibt rätselhaft. Auch die SPD versteht sich nicht als treibende Kraft und schweigt sich aus, während die CDU einer Richteranklage - wohl in Angst um Abweichler*innen in den eigenen Reihen - das Instrument der Richteranklage eher nicht anwenden will. Einzig die in der Opposition sitzende Linkspartei hat bekundet, die übrigen Parteien zum Erreichen der notwendigen 2/3-Mehrheit zu unterstützen.

Auch das sächsische Justizministerium, das nur unter öffentlichen Druck überhaupt versuchte die Rückkehr von Jens Maier zu verhindern, trägt eine Mitschuld an der derzeitigen Situation. Trotz der juristischen Debatte, die nach Bekanntwerden des Rückkehrgesuchs von Jens Maier im Dezember 2021 aufgekommen war, reagierte das Ministerium, was mit dieser Option seit Herbst 2021 rechnen musste, nur äußerst zurückhaltend und wies zunächst jede Zuständigkeit von sich. Als die Ministerin Katja Meier schließlich unter massiven öffentlichen Druck geriet, entschied sie sich für die vermeintlich juristisch sicherste Lösung. Lösungsoptionen, wie Jens Maier den Rückkehranspruch prinzipiell zu verweigern oder zumindest selbst unverzüglich ein Disziplinarverfahren zu eröffnen, verschloss sie sich.
Weshalb die Justizministerin Jens Maier keine Aufgabe im Justizministerium zuwies, sondern ihn an das Amtsgericht Dippoldiswalde schickte, erklärte sie ebenfalls nicht. Prinzipiell wäre die Zuweisung ins Ministerium möglich gewesen und hätte zur Folge gehabt, dass die Ministerin selbst als direkte Dienstvorgesetzte für ein Disziplinarverfahren unmittelbar zuständig gewesen wäre.

Aus der sächsischen Justiz war lange nichts zu hören. Keine öffentliche Abgrenzung, keine Positionierung - die Richter und Richterinnen, die Staatsanwälte und Staatsanwältinnen bleiben zum Großteil still.

Rechtsanwältin Kati Lang: ›Ein Einsetzen für Demokratie und Rechtsstaat hätte anders aussehen können. Selbstreinigungskräfte scheint die sächsische Justiz kaum aufzuweisen, anders lässt sich auch das zögerliche Vorgehen des Richterdienstgerichts nicht erklären. Das ist wohl der größte Fehler, dass die Justiz selbst rechte, rassistische und antisemitische Funktionsträger duldet, keine Haltung zeigt und die Eskalation damit mit verschuldet.

Dabei gäbe es eine Vielzahl von Möglichkeiten der Justiz, wie im Rahmen der internen Kammerverteilung (Verhinderung von Einzelrichterentscheidungen), durch Geschäftsverteilungspläne, oder auch seitens der Staatsanwaltschaften durch Befangenheitsanträge prozessual legitimiert rechte Amtsträger*innen ausbremsen könnte. Ausdrücklich zu begrüßen ist, dass in der konkreten Debatte um Jens Maier sowohl die Neue Richtervereinigung, die sich mit konstruktiven Vorschlägen einbrachte als auch der Deutsche Richterbund forderten, dass eine Rückkehr des rechtsextremen AfD‘lers ins Richteramt verhindert werden müsste.

Kontakt über die RAV-Geschäftsstelle:
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