Der Republikanische Anwältinnen- und Anwälteverein (RAV) stellt diesen Mittwoch zusammen mit neun anderen Bürgerrechtsorganisationen den „Grundrechte-Report 2024. Zur Lage der Bürger- und Menschenrechte in Deutschland“ vor. Stattfinden wird die Präsentation am 22. Mai, anlässlich des 75. Jahrestags des Grundgesetzes, um 11:00 Uhr im Haus für Demokratie und Menschenrechte (Greifswalder Str. 4, 10405 Berlin). Offiziell erscheinen wird der Report am 29. Mai 2024. Die Publikation gilt als „alternativer Verfassungsschutzbericht“ und behandelt Entscheidungen von Parlamenten, Behörden und Gerichten, aber auch von Privatunternehmen. Schwerpunkt der 28. Ausgabe ist die Gefährdung von Grundrechten durch den Aufstieg der radikalen und extremen Rechten.
Berenice Böhlo, Rechtsanwältin für Asyl- und Migration und im RAV-Vorstand:
„Zentrale Grundrechte werden schon jetzt mit Füßen getreten, noch bevor die AfD Mehrheiten erobert hat, was bei den Landtagswahlen in diesem Jahr zu befürchten steht. Der Grundrechte-Report zeigt: Vor allem das Grundrecht auf Asyl, das vor 75 Jahren unter dem Eindruck des Nationalsozialismus im Grundgesetz verankert wurde, steht so stark unter Beschuss wie nie zuvor."
„Mit der GEAS-Reform wollen EU-Staaten Migration verhindern, aber das ist nicht möglich, weder rechtlich noch tatsächlich. Stattdessen brutalisieren die neuen Regeln die Situation an den Grenzen und auf dem Weg dahin weiter, das gesellschaftliche Klima verroht zusehends. Auch die sogenannte Bezahlkarte grenzt Geflüchtete aus. Das ist reine Symbolpolitik und sie wird viele Rechtsstreits auslösen. Der Grundrechte-Report 2024 macht diese Angriffe auf das Asylrecht sichtbar und ist deshalb ein unverzichtbares Instrument beim Kampf um den Erhalt von Grundrechten.“
Benjamin Derin, Strafverteidiger, RAV-Mitglied und Mitherausgeber des Grundrechtereports:
„Während die soziale Ungleichheit zunimmt, die Gefahr durch den Klimawandel wächst und die extreme Rechte an Einfluss gewinnt, stehen die Grund- und Menschenrechte immer stärker unter Druck. Ins Visier geraten oft ausgerechnet diejenigen, die sich all dem entgegenstellen: Klimaaktivist*innen, Proteste gegen rechts, Sozialarbeitende und kritische Radiosender werden kriminalisiert. Polizeiliche Befugnisse, etwa zur Überwachung und Gewahrsamnahme wie in Bayern, werden ausgeweitet. Das sind fatale Zeichen an die vielen, die sich für eine offene Gesellschaft einsetzen und auf die es derzeit so sehr ankommt.“
Dr. Peer Stolle, Rechtsanwalt und Vorstandsvorsitzender des RAV:
„Wir erleben eine besorgniserregende Einschränkung von Grundrechten, darunter den gesetzgeberischen Trend, politische Äußerungen zu kriminalisieren sowie eine zunehmende Verdrängung von Mietenden durch Eigenbedarfskündigungen. Der Grundrechte-Report legt den Finger auch in altbekannte Wunden: Noch immer wird Frauen oft das Recht auf Gleichbehandlung bei der Bezahlung versagt und geschlechtlichen Minderheiten die grundgesetzlich garantierte Selbstbestimmung erschwert.“
Der Grundrechte Report klagt aber nicht nur an, sondern erklärt, analysiert und kritisiert die Zustände in einer Weise, die auch für Laien sehr gut verständlich ist. Und er erinnert die Politik an ihre Verpflichtungen: Sie muss den Lohn von Gefangenen erhöhen, Regeln zur Suizidhilfe festlegen, dafür sorgen und ein Sofortprogramm für die Sektoren Verkehr und Gebäude vorlegen, um das Klimaschutzgesetz einzuhalten.
Bei aller Kritik nennt der Report auch positive Entwicklungen und wichtige Erfolge, sei es ein erfolgreicher Streik, ein Urteil zum Recht auf finanzielle Entschädigung von Menschen, deren Grundrechte erheblich eingeschränkt wurden, oder neue europäische Beschwerderechte gegen Künstliche Intelligenz. Der Grundrechte-Report blickt zudem in die Zukunft: Interessant werden zum Beispiel anstehende Entscheidungen zu den Persönlichkeitsrechten Beschäftigter bei Konzernen wie Amazon sowie zur polizeilichen Präventivhaft in Bayern.
Fakten zum Report:
• Das Buch ist ab 29. Mai 2024 im Buchhandel oder auf der Website der Herausgeber*innen zu beziehen.
• Rezensionsexemplare (auch als PDF) zu Pressezwecken können über die Humanistische Union (HU) bestellt werden (service@humanistische-union.de).
• Grundrechte-Report 2024 – Zur Lage der Bürger- und Menschenrechte in Deutschland. Herausgegeben von: Peter von Auer, Benjamin Derin, Andreas Engelmann, Rolf Gössner, Sarah Lincoln, Max Putzer, Rainer Rehak, Milad Schubart, Rosemarie Will und Michèle Winkler, Fischer Taschenbuch Verlag, Frankfurt/M 2024, ISBN: 978-3-596-71084-3, 256 Seiten, 14,00 Euro.
Der Grundrechte-Report 2024 ist ein gemeinsames Projekt von: Humanistische Union, vereinigt mit der Gustav Heinemann-Initiative • Bundesarbeitskreis Kritischer Juragruppen • Internationale Liga für Menschenrechte • Komitee für Grundrechte und Demokratie • Neue Richter*innenvereinigung • PRO ASYL • Republikanischer Anwältinnen-und Anwälteverein • Vereinigung Demokratischer Juristinnen und Juristen • Forum InformatikerInnen für Frieden und gesellschaftliche Verantwortung • Gesellschaft für Freiheitsrechte
Der RAV als Organisation:
Der Republikanische Anwältinnen- und Anwälteverein (RAV) gründete sich 1979. Republikanisch, das waren und sind radikale Demokrat*innen, die auf dem Vorrang der Menschen- und Bürgerrechte gegenüber den Interessen staatlicher und wirtschaftlicher Institutionen bestehen und stets mehr Demokratie wollen, als gerade erreicht ist. Für den Anwält*innenberuf heißt das, Recht als Waffe zu verstehen, es für Schwächere gegen Herrschaft einzusetzen.
Der RAV streitet insbesondere gegen die Verschärfung des Straf- und des Strafprozessrechts, gegen Polizeigewalt und die Ausweitung polizeilicher Befugnisse und gegen ein rassistisches Asyl- und Ausländerrecht. Er unterstützt verfolgte ausländische Kolleg*innen und betreibt anwaltliche Fortbildung.
Pressekontakt:
Bei allgemeinen Fragen oder Interview-Wünschen mit den Herausgeber*innen oder den Autor*innen kontaktieren Sie bitte:
Carola Otte, Humanistische Union
030-2045 0256
info@humanistische-union.de
Bei Fragen zu Positionen des RAV und Interview-Wünschen mit RAV-Mitgliedern, kontaktieren Sie bitte:
Berenice Böhlo, RA’in
info@aufenthaltundsoziales.de
Weitere Zitate von der Präsentation:
Dr. Gerhart Baum, ehemaliger Bundesminister des Inneren, präsentiert den Grundrechte-Report zugeschaltet in Berlin. Er betont die Bedeutung der Verteidigung von Grundrechten: „Wir kritisieren heftig die Menschenrechtsverletzungen überall auf der Welt. Aber nur dann sind wir dabei glaubwürdig, wenn wir solche Verletzungen auch in unserer Demokratie benennen und bekämpfen. Das tut der Grundrechte-Report in jedem Jahr.“
Hedi Tounsi, Vertrauensmann von ver.di und Betriebsratsmitglied bei Amazon, berichtet von der Dauerüberwachung im Logistik-Unternehmen und resümiert: „Amazon interessiert der Schutz der Kolleg*innen nicht wirklich, für das Unternehmen zählt nur: Wie viele Pakete schaffst du in der Stunde? In dieser Situation müssen wir jeden Tag für bessere Arbeitsbedingungen kämpfen.“
Marie Volkmann, die Rechtswissenschaften an der Humboldt-Universität zu Berlin studiert und Mitglied im Bundesarbeitskreis kritischer Juragruppen ist, verdeutlicht die Ziele der Redaktion des Grundrechte-Reports: „Der Report will eine Brücke schlagen. Indem er über die Lage der Menschenrechte informiert, soll er zugleich Grundlage und Bestärkung für die aktivistische Arbeit sein.“