Mit Urteil vom 19. März 2013 (Az 1 C 12.12) hat das Bundesverwaltungsgericht die jahrzehntelange diskriminierende Behandlung von türkischen Staatsangehörigen bei der Gebührenerhebung für die Erteilung von Aufenthaltstiteln mit den europäischen Vorgaben für nicht vereinbar erklärt.
Der Europäische Gerichtshof (EuGH) hat in den vergangenen Jahren wiederholt auf die Bedeutung der sog. standstill-Klauseln des Assoziationsrechts (Art. 41 Abs. 1 ZP zum Assoziierungsabkommen EWG-Türkei, Art. 13 ARB 1/80) hingewiesen. Diese Regelungen verbieten es, nach in Kraft treten des Zusatzprotokolls bzw. des Assoziationsratsbeschlusses ARB 1/80 im Jahr 1973 bzw. 1980 neue Beschränkungen für assoziationsberechtigte türkische Staatsangehörige und Arbeitnehmer einzuführen oder ihre Rechtsposition unverhältnismäßig zu verschlechtern. Zudem leitet der EuGH aus dem Diskriminierungsverbot (Art. 10 ARB 1/80) die Unzulässigkeit solcher Regelungen ab, die assoziationsberechtigte türkische Arbeitnehmer gegenüber EU-Bürgern unverhältnismäßig benachteiligen.
Bereits im Jahre 2009 und 2010 hatte der EuGH in zwei Urteilen die Gebührenpraxis für die Niederlande für rechtswidrig erklärt, da diese sowohl gegen das Diskriminierungsverbot als auch das Verschlechterungsverbot aus den Bestimmungen des Assoziationsrechts EWG/Türkei verstießen.
Die Bundesregierung hatte auf eine Kleine Anfrage der Bundestagsfraktion Die Linke noch behauptet, dass es sich um eine niederländische Besonderheit handele und eine Gleichbehandlung zwischen Unionsbürgern und türkischen Staatsangehörigen bei der Gebührenerhebung nicht geboten sei (Bt-DrS 17/413).
Aus diesem Anlass hatte der RAV sich im Oktober 2010 an die Europäische Kommission gewandt und die Einleitung eines Vertragsverletzungsverfahrens gegen Deutschland angeregt.
Der RAV begrüßt das gestrige Urteil des Bundesverwaltungsgerichts (BVerwG).
Die türkischen Staatsangehörigen haben jahrzehntelang zu hohe Gebühren entrichtet, die sicherlich mehrere Millionen Euro betragen.
Die Bundesregierung wird aufgefordert, ohne Zögern das Urteil des BVerwG umzusetzen und die Bundesländer anzuweisen, wie von den Leipziger Richtern gefordert, keine höheren Gebühren als 28,80 Euro bei türkischen Staatsangehörigen zu erheben. Nach aktueller Rechtslage werden 135 Euro für eine Niederlassungserlaubnis erhoben. „Zu viel entrichtete Gebühren sind ohne bürokratischen Aufwand an die Betroffenen zurückzuerstatten“, so RAV-Mitglied Rechtsanwalt Zeran.
Angesichts der wirtschaftlich prekären Situation vieler Zuwanderer fordern wir die Bundesregierung bei dieser Gelegenheit auf, die zuletzt erfolgten Gebührenanhebungen anlässlich der Einführung der elektronischen Aufenthaltskarte zurückzunehmen, alle ausländischen Bürger und Bürgerinnen gleich zu behandeln und nicht mit höheren Gebühren als 28,80 Euro zu belasten. Dies würde eine Entbürokratisierung und Vereinfachung des Gebührenrechts bedeuten.
Hamburg/Berlin 20.3.2013
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RA Ünal Zeran | Tel. 040/43135110 | zeran@bg124.dePM: Das Bundesverwaltungsgericht beendet diskriminierende Behandlung von türkischen Staatsangehörigen (PDF)