Brief an den türkischen Justizminister
Anlässlich der erneuten Verhaftung weiterer Rechtsanwältinnen und Rechtsanwälten in der Türkei hat sich der RAV mit einem Schreiben an den türkischen Justizminister gewandt, das wir hier veröffentlichen:
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Berlin, den 17. März 2016
Sehr geehrter Herr Justizminister,
gestern mussten wir erfahren, dass neun Rechtsanwältinnen und Rechtsanwälte im Rahmen einer türkeiweiten Operation von der Polizei festgenommen wurden und sich nun im Polizeigewahrsam befinden. Nach unseren Informationen handelt es sich dabei um unsere Kollegen Ramazan Demir, İrfan Arasan, Ayşe Acinikli, Hüseyin Boğategkin, Mustafa Ruzgar, Şefik Çelik, Adem Çalışcı, Ayşe Başar und Tamer Doğan.
Wir sind angesichts dieser Festnahmen ausgesprochen beunruhigt und besorgt. Es handelt sich bei den festgenommenen Kolleginnen und Kollegen um Mitglieder des ÖHD, einer Vereinigung von Anwältinnen und Anwälten für die Freiheit. Unter den Festgenommenen befinden sich unter anderem Verteidiger, die 46 Anwältinnen und Anwälte vertreten, die selbst wiederum wegen ihrer Verteidigungstätigkeit für Abdullah Öcalan angeklagt sind. Heute, am 17.03.2016, hätten sie im Gerichtssaal in diesem Verfahren ihrer Arbeit nachgehen müssen. Seit 2012 beobachten wir dieses Verfahren im Rahmen einer internationalen Beobachtungsdelegation und haben auch diesbezüglich schon mehrfach unserer Sorge Ausdruck verliehen, dass weder rechtsstaatliche Grundsätze noch die grundlegenden Verteidigungsrechte ausreichend beachtet werden.
Den Kolleginnen und Kollegen wird - nach unseren Informationen - ebenfalls der Vorwurf gemacht, Mitglied oder Unterstützer einer terroristischen Organisation zu sein. Welche konkreten Handlungen ihnen zur Last gelegt werden, wurde ihnen bisher nicht mitgeteilt. Weder sie noch ihre Verteidigung erhalten das durch die Role of Lawyers garantierte Recht auf Akteneinsicht.
Vor diesem Hintergrund drängt sich uns die Vermutung auf, dass unsere Kolleginnen und Kollegen wegen ihrer Berufsausübung verfolgt werden und festgenommen wurden. In diesem Zusammenhang erinnern wir dringend an Nummer 18 der Basic Principles on the Role of Lawyers:
«Lawyers shall not be identified with their clients or their clients’ causes as result of discharging their functions.»
Die Verhaftungen von gestern reihen sich in eine lange Liste vorangegangener Festnahmen ein und stellen sich für uns als Repression gegen die Berufsausübung von Rechtsanwältinnen und Rechtsanwälten in der Türkei dar.
Wir fordern die türkische Regierung auf, den Grundsatz der Freien Advokatur zu respektieren und entsprechend den von den Vereinten Nationen beschlossenen Basic Principles on the Role of Lawyers die Verfahren gegen unsere Kolleginnen und Kollegen einzustellen.
Mit freundlichen Grüßen
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