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Der RAV fordert die Abgeordneten erneut auf, für die Menschenwürde aller Menschen einzustehen!

Offener Brief an die Abgeordneten im Bundestag, 17.10.24

In dieser Woche soll im Bundestag das sogenannte Sicherheitspaket verhandelt werden, welches gravierende Einschnitte in die Gleichheit und die Menschenwürde vornimmt.

Der RAV fordert die Abgeordneten erneut auf, für die Menschenwürde aller Menschen einzustehen!

Auch der aktuelle Änderungsvorschlag zu § 1 Abs.4 AsylbLG lässt die Europarechts- und Verfassungswidrigkeit des Leistungsausschlusses weiter bestehen und beinhaltet praktisch keine Verbesserung zur bisherigen Fassung. Es wird reine Augenwischerei betrieben, denn die „Änderung“ zitiert nur, was in § 34a Abs. 1 S. 1 AsylG sowieso steht. Dort heißt es, „…ordnet das Bundesamt die Abschiebung (…) an, sobald feststeht, dass sie durchgeführt werden kann.“

Es ist also nichts Neues – die Änderung gaukelt nur vor, eine „humanere“ Lösung gefunden zu haben.

Nach bisherigem wie neuem Recht gilt:

Die Sozialverwaltung muss unabhängig vom BAMF oder der Ausländerbehörde (ABH) prüfen! Der Leistungsträger ist also an die rechtlichen Einschätzungen von BAMF oder ABH nicht gebunden (bspw.: BayLSG v. 1.3.2018 – L 18 AY 2/18 B ER). Die vorgeschlagene Neufassung kann also nicht einhalten, was sie verspricht.

Vor allem aber kann die bloße Nicht-Ausreise sozialrechtlich keine Pflichtverletzung darstellen (vgl. zuletzt: BSG, EuGH-Vorlage vom 25. Juli 2024 – B 8 AY 6/23 R –, Rn. 11).

Die Neuregelung setzt voraus, dass Betroffene jederzeit ausreisen könnten – das ist aber nichtzutreffend (dazu u.a. SG Landshut (2.7.2019 – S 11 AY 39/19 ER), denn „Dublin-Fälle“, also die Menschen dahinter, können sich nur zur Abschiebung bereithalten oder sie müssen um die Möglichkeit der freiwilligen Ausreise nachsuchen, die in den seltensten Fällen gestattet wird. Dies wird regional unterschiedlich gehandhabt – einige Ausländerbehörden ermöglichen die Ausreise nach 1-3 Wochen Vorbereitungszeit, bei anderen ist diese Option völlig ausgeschlossen (vgl. auch: BVerwG, Urteil vom 17.09.2015 – 1 C 26/14, Rn. 24: Überstellung durch Verwaltungsvollstreckung ist die Regel, freiwillige Ausreise ist die Ausnahme). Diese Menschen, wartend auf ihre Ausreise, wären u.U. wochenlang von den unmenschlichen Leistungskürzungen betroffen.

Weiterhin sollte allen klar sein: Die Folge der Gesetzesänderung der Neufassung inklusive des aktuellen „Änderung“svorschlags wird ab Tag 1 des Inkrafttretens unzählige Verwaltungsstreitverfahren sein. Unverantwortlich in Zeiten von ohnehin völliger Überlastung der Behörden und Verwaltungen und letztendlich – durch die Länge der Verfahren – auf Kosten der betroffenen Menschen.

Hintergrundinfo:

Das EU-Recht sieht vor: In Dublin-Fällen gilt die EU-Aufnahmerichtlinie, die einen pauschalen Leistungsausschluss nicht vorsieht. Dies gilt bis zur tatsächlichen Überstellung in den anderen Mitgliedsstaat (EuGH, Urteil vom 14. Januar 2021; C-322/19 und C-385/19.

Die EU-Aufnahmerichtlinie sieht vor, dass Leistungen erbracht werden müssen, die „ein menschenwürdiges Leben ermöglichen und vergleichbare Lebensbedingungen in allen Mitgliedstaaten gewährleisten“ (Erwägungsgrund Nr. 11 RL 2013/33/EU).

Artikel 20 Absatz 1 Satz 1 Buchstabe c in Verbindung mit Artikel 20 Absatz 5 und 6 der Richtlinie 2013/33/EU in Verbindung mit der Charta der Grundrechte stellen klar, dass eine Einschränkung der Leistungen nicht zulässig ist (siehe dazu auch: BSG, EuGH-Vorlage vom 25. Juli 2024 – B 8 AY 6/23 R).

Nur in „begründeten Ausnahmefällen“ dürfen die Leistungen gem. Art. 20 gekürzt oder entzogen werden. Folgende Kriterien werden genannt:

Verletzung der Residenzpflicht, Verstoß gegen Melde-, Auskunfts- und Erscheinenspflichten, das Stellen eines „Folgeantrags“, die nicht unverzügliche Asylantragstellung, Verschweigen von verwertbarem Einkommen oder Vermögen, Sanktionen wegen groben Verstößen gegen Vorschriften in Unterbringungseinrichtungen oder grob gewalttätiges Verhalten.

Eine pauschale Kürzung für bestimmte Personengruppen ist unzulässig.

Es muss immer zwingend eine begründete Einzelfallentscheidung unter Wahrung der Verhältnismäßigkeit getroffen werden.

Die vorgeschlagene Neuregelung stellt eine massive Verletzung des Verfassungsrechts auf effektiven Rechtsschutz dar.

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