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Versammlungsfreiheit

Demonstrationen sind nach wie vor ein wesentliches Element der demokratischen Öffentlichkeit. Sie ermöglichen die Einflussnahme oder Stellungnahme eines/einer jeden durch bloße körperliche Präsenz und stellen als Ausdrucksform kollektiver Kommunikation für viele häufig die einzige Form dar, sich in der Öffentlichkeit Gehör zu verschaffen. Ein zentrales Anliegen des RAV ist daher, der grundrechtlich besonders geschützten Versammlungsfreiheit den benötigten Raum zu verschaffen und zu erhalten.
Zu Recht erkannte das Bundesverfassungsgericht bereits im Brokdorf-Beschluss aus dem Jahr 1985 in Demonstrationen ein Stück „ursprünglich-ungebändigter unmittelbarer Demokratie“. Damit diese sich realisieren kann, sollen sie grundsätzlich staatsfrei stattfinden und die Veranstalterin bzw. der Veranstalter über Zeit, Ort, Inhalt und Ausdrucksform selbst bestimmen können. Konzeptionell ist die Demonstrations- und Versammlungsfreiheit damit der Gegenpart des Obrigkeitsstaats, dem alles Urwüchsige, Unkontrollierbare und Dissidente suspekt vorkommt und das er einzuhegen sucht. Sie ist gleichzeitig aber in auch in besonderem Maße gefährdet, Zielscheibe staatlicher Maßnahmen zu werden, insbesondere wenn sich in Demonstrationen eine scharfe Kritik an staatlichen Missständen und Inszenierungen – z.B. bei Staatsempfängen oder Militärparaden – ausdrückt. Seitenlange Auflagenkataloge der Versammlungsbehörden schränken die angestrebte Öffentlichkeitswirkung ebenso ein wie polizeiliche „Wanderkessel“ und leisten zugleich einer Kriminalisierung von Anmelderinnen und Anmeldern sowie von Teilnehmerinnen und Teilnehmern Vorschub. Exzessive Observationen und Registrierungen negieren den grundsätzlich unreglementierten Charakter einer Versammlung, wirken einschüchternd und vermögen ebenfalls, eine vielfältige Demonstrationskultur zu zerstören.
Anstatt diesen Tendenzen entgegenzuwirken droht nach der Förderalismusreform eine weitere Aushöhlung der Versammlungsfreiheit in einzelnen Landesgesetzen. Zusätzliche Restriktionen ergeben in jüngerer Zeit insbesondere bei Demonstrationen mit internationalem Bezug durch massenhafte Ein- bzw. Ausreiseverbote, Meldeauflagen und sog. Gefährderansprachen.
Der RAV tritt diesen Entwicklungen entschieden entgegen. Zu den unterschiedlichen Aktivitäten und Initiativen zählt die regelmäßige Unterstützung sozialer Protestbewegungen etwa bei Castor-Transporten ins Niedersächsische Wendland ebenso wie die der Aufbau und die Arbeit sog. Legal Teams bei Demonstrationen oder die Teilnahme durch Sachverständige an aktuellen Gesetzgebungsvorhaben.

Pressemitteilungen, Stellungnahmen und andere Veröffentlichungen zum Thema

Pressemitteilung vom 15.11.10
Nach den Beobachtungen des Republikanischen Anwältinnen- und Anwältevereins (RAV) kam es während des Castortransportes  zu systematischen Verletzungen der Rechte auf Versammlungsfreiheit und aufder körperlichen Unversehrtheit der Demonstrant/innen sowie weiterer Grundrechte. "Die vielfach zitierte Überforderung einzelner Beamter kann dafür nicht als Begründung herhalten", bilanziert Rechtsanwalt Martin Lemke, stellvertretender Vorsitzender es RAV. Die Kritikpunkte im Einzelnen: Unverhältnismäßiger Einsatz von Zwangsmitteln In seit langem nicht erlebtem Ausmaß setzten Polizeibeamte großflächig, ohne Vorwarnung und in unverhältnismäßiger Art und Weise Zwangsmittel wie Reizgas und Schlagstöcke ein. Mitglieder des "Legal-Teams", des Komitees für Grundrechte und Demokratie und…
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Erklärung vom 8.11.10
Die Bilder aus dem Stuttgarter Schlossgarten vom 30. September 2010 haben sich in die Erinnerung eingebrannt. Wir werden nicht vergessen, wie ältere Menschen, Schülerinnen und Schüler mit Reizgas und Wasserwerfern angegangen wurden. Das Erschrecken über dieses Ausmaß polizeilicher Gewalt und die dadurch verursachten Verletzungen hat eine neue Öffentlichkeit erreicht. Doch Stuttgart 21 ist überall, und eine Konfrontation wie diese kein Einzelfall. Sie ist eine ständige Begleiterscheinung von Versammlungen und Protesten. Gerade erst wurde ein Beamter für sein Vorgehen am Rande der letztjährigen Demonstration „Freiheit statt Angst“ verurteilt. So sehr dieses Urteil zu begrüßen ist, desto deutlicher fordern wir, dass den Ursachen für polizeiliche Übergriffe nachgegangen wird, dass Anweisungen…
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Pressemitteilung vom 5.10.2010
3 Jahre nach dem G8-Gipfel in Heiligendamm bestätigt das Verwaltungsgericht Schwerin in einer Vielzahl anhängig gemachter Klagen, dass die Ingewahrsamnahmen und die Haftbedingungen rechtswidrig waren und  Betroffenen zu Unrecht Telefonate mit Vertrauenspersonen und RechtsanwältInnen verweigert wurden. „ Die Gerichtsurteile bestätigen unsere Rechtsauffassung. Die Ingewahrsamnahmen waren von Beginn an rechtswidrig und die Inhaftierung in ‚Käfigen’ über einen längeren Zeitraum verstößt gegen die Menschenwürde. Das Vorgehen der verantwortlichen Polizeibehörden war in den überwiegenden Fällen willkürlich und wurde ohne jede Tatsachengrundlage sogar noch trotz gegenteiliger Richterentscheidungen fortgesetzt“ kommentiert Rechtsanwältin Britta Eder aus Hamburg. Bereits während des G8-Gipfels…
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Mitteilung

Das Verwaltungsgericht Berlin (VG) entschied mit Urteil vom 26. Juli 2010, dass das Filmen einer Anti-AKW-Großdemonstration am 5. September 2010 durch Einsatzkräfte der Polizei rechtswidrig war (Aktenzeichen VG 1K 905.09).

Mit Unterstützung der Holtfort-Stiftung und des RAV hatten die BI Lüchow-Dannenberg als Mitveranstalterin der Demonstration „mal richtig abschalten“ sowie ein Versammlungsteilnehmer Klage erhoben. Das VG stellte nun fest, dass die Kameraüberwachung der friedlichen Demonstration gegen das Grundrecht der informationellen Selbstbestimmung verstoßen hat.
Rund 50.000 Menschen demonstrierten am 5. September 2009 in Berlin gegen die Atomkraft und für den Abbruch des Endlagerprojekts in Gorleben, angeführt wurde die Demo von Treckern der Bäuerlichen Notgemeinschaft.
Während…

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Pressemitteilung
Unter dem Motto Duisburg-stellt-sich-quer gelang es am 27. und 28. März 2010 einem breiten Bündnis aus zivilgesellschaftlichen und antifaschistischen Gruppen die Nazi-Aufmärsche von NPD und Pro-NRW entscheidend zu verkürzen und vorübergehend zu stoppen.
Demonstrationen und Blockaden verliefen friedlich und engagiert. Unbesonnenes Polizeihandeln führte jedoch zu Eskalationen und Eingriffen in Grundrechte. Mehrere Anwältinnen und Anwälte des Republikanischen Anwältinnen- und Anwältevereins (RAV) unterstützten die ca. 6.000 Demonstrierenden bei der Wahrnehmung ihrer Versammlungsfreiheit und halfen gegen Polizeirepression.
Insgesamt kam es laut Polizeiberichten zu 143 Gewahrsamsnahmen. Die Polizei leitete 20 Verfahren ein. Die genauen Tatvorwürfe sind noch unbekannt, erfahrungsgemäß wird es…
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Mitteilung des Komitee für Grundrechte und Demokratie
Das Bundesverfassungsgericht hat im November 2009 eine für die Wahrnehmung des Demonstrationsrechts wichtige Entscheidung gefällt. Es hat zwei Demonstrationsbeobachtern des Komitees für Grundrechte und Demokratie aufgrund deren rechtswidriger Ingewahrsamnahme das Recht auf Schmerzensgeld zugebilligt. Es kritisiert die Gerichte fundamental, die meinten allein die Feststellung der Rechtswidrigkeit müsste schon Entschädigung genug sein. Verfassungsgericht begründet Mittel gegen renitente Polizeibehörden Das Bundesverfassungsgericht (BVerfG) hat im November 2009 zwei Demonstrationsbeobachtern das Recht auf Schmerzensgeld zugesprochen (1 BvR 2853/08). Im Jahr 2001 waren Helga Dieter und Ulrich Billerbeck als Demonstrationsbeobachter des Komitee für Grundrechte und Demokratie im Wendland…
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Mitteilung
Die Berliner Anti-Atom-Großdemonstration am 5. September 2009 wird ein gerichtliches Nachspiel haben. Die Bürgerinitiative Umweltschutz Lüchow-Dannenberg (BI) und ein Einzelkläger wehren sich gegen die Überwachung der Demo durch Video- und Filmaufnahmen der Polizei. Die Kläger rügen gegenüber dem Verwaltungsgericht Berlin die Verletzung ihrer Versammlungsfreiheit und ihres Grundrechtes auf informationelle Selbstbestimmung durch jene Film- bzw. Videoaufnahmen, dafür habe es keinen Anlass gegeben, das Verhalten der Polizei entbehre einer rechtlichen Grundlage. Spätestens ab der Reinhardstraße fuhr an der Spitze des Demonstrationszuges ein Fahrzeug der Berliner Polizei mit der (wörtlichen oder sinngemäßen) Aufschrift "TV-Bildübertragung". Das Fahrzeug - ein weißer Kleintransporter der Marke…
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Pressemitteilung vom 27.2.2009
Bundesverfassungsgericht setzt Verschärfung des Versammlungs-rechts in Bayern außer Kraft

Das Bundesverfassungsgericht hat heute einen Großteil der
Bußgeldvorschriften des Bayrischen Versammlungsgesetzes sowie das Recht, anlasslos jede Demonstration zu filmen vorläufig – bis zur Entscheidung in der Hauptsache – außer Kraft gesetzt. (Beschluss vom 17. Februar 2009
– 1 BvR 2492/08 –). Das Bundesverfassungsgericht darf eine Regelung nur dann vorläufig außer Kraft setzen, wenn durch die Geltung des Gesetzes erhebliche Nachteile entstehen und eine Entscheidung in der Hauptsache nicht abgewartet werden kann.
Wer in Bayern demonstrierte, sah sich seit Oktober letzten Jahres mit einer Vielzahl von neuen Ge- und Verboten konfrontiert, deren Nichteinhaltung empfindliche Bußgelder nach sich ziehen…
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Pressemitteilung vom 17.12.2007
„Wer damit rechnet, dass etwa die Teilnahme an einer Versammlung oder einer Bürgerinitiative behördlich registriert wird und dass ihm dadurch Risiken entstehen können, wird möglicherweise auf eine Ausübung seiner entsprechenden Grundrechte (Art 8, 9 GG) verzichten. Dies würde nicht nur die individuellen Entfaltungschancen des Einzelnen beeinträchtigen, sondern auch das Gemeinwohl, weil Selbstbestimmung eine elementare Funktionsbedingung eines auf Handlungsfähigkeit und Mitwirkungsfähigkeit seiner Bürger begründeten freiheitlichen demokratischen Gemeinwesens ist.“ Auf den Tag genau 24 Jahre vor der Demonstration „Gegen Sicherheitswahn und Überwachungsstaat“, am 15. Dezember 1983, gab das Bundesverfassungsgericht der Politik diesen Satz als Leitlinie auf. Der Befund am 15. Dezember 2007:…
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Pressemitteilung vom 6.12.2008

Der Anwaltliche Notdienst/Legal Team zum G8-Gipfel in Heiligendamm wird am Sonntag, dem 9. Dezember, von der Internationalen Liga für Menschenrechte mit der Carl-von-Ossietzky-Medaille 2007 ausgezeichnet. Für den Anwaltlichen Notdienst nehmen die Rechtsanwältinnen Verina Speckin (Rostock), Silke Studzinsky (Berlin) und Undine Weyers (Berlin) die Auszeichnung entgegen.

Unter dem Dach des Republikanischen Anwältinnen- und Anwältevereins (RAV) und in Kooperation mit der Strafverteidigervereinigung Mecklenburg-Vorpommern sowie mehreren Ermittlungsauschüssen wurde für die Zeit der Proteste gegen den G8-Gipfel in Heiligendamm/Rostock Anfang Juni diesen Jahres ein Anwaltlicher Notdienst/Legal Team eingerichtet. Mehr als 100 KollegInnen aus dem gesamten Bundesgebiet, aber auch aus Belgien, Spanien…

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