Sie sind hier: RAV > ThemenMigration & Asyl > Asyl

Asyl

Das Recht auf Asyl, von der Bedeutung her Zuflucht vor Verfolgung, wurde in der Bundesrepublik Deutschland insbesondere aufgrund der Lehren aus dem deutschen Faschismus als subjektives, individuelles Grundrecht, Art. 16 a GG, in der Verfassung verankert. Im Laufe seiner Geschichte erlebte dieses Recht bis heute gravierende Einschränkungen und scheint bei der Implementierung in der Praxis durch die politische Zielvorgabe bestimmt zu sein, die Orte der Zuflucht in Europa so effektiv wie möglich gegen Flüchtlinge abzuschotten.

Dass das Asylrecht zugleich - wie kaum ein anderes Rechtsgebiet  - Spielwiese für die Willkür politischer Vorstellungen und diplomatischer Rücksichtnahmen der jeweiligen Entscheidungsträger ist, lässt sich an einem Vergleich der verschiedenen Anerkennungsquoten bezüglich tschetschenischer Flüchtlinge darstellen: Die Anerkennungsrate für diese Flüchtlingsgruppe lag 2005 in Österreich bei über 90 % und in der Slowakei bei unter 1 %. Das heißt nichts anderes, als dass die Frage der Schutzgewährung für die Betroffenen reine Glückssache ist, abhängig davon, wo und bei wem sie ihr Asylbegehren anbringen können und dürfen.
Während einerseits die Staaten des Nordens für die Entstehung von Fluchtgründen in erheblichem Maße mitverantwortlich sind, werden Flüchtlinge, die es schaffen, nach Europa zu kommen, durch quälend langsame, bürokratische und menschenunwürdige Aufnahmeprozeduren aufgerieben. Die Lebensbedingungen in den Zufluchtsländern verfehlen ebenfalls menschenrechtliche Mindeststandards. So dürfen Asylsuchende in Deutschland aufgrund der sog. Residenzpflicht einen ihnen zugewiesenen Landkreis nur in Ausnahmefällen mit einer (natürlich kostenpflichtigen) Genehmigung der Ausländerbehörde verlassen. Soziale Kontakte und eine Teilnahme am kulturellen und politischen Lebens werden – häufig über Jahre hinweg – faktisch auf Null reduziert. Nicht zu unterschätzen sind auch die rassistisch gefärbte Begleitkommentierung durch Teile der Politik und der Medien sowie die ständige Bedrohung durch rassistische Übergriffe.
Der Zugang zu medizinischer Versorgung ist äußerst beschränkt. Staatliche Zuwendungen nach dem Asylbewerberleistungsgesetz liegen erheblich unterhalb des Sozialhilfesatzes. Zudem werden sie vielfach in Form von Wertgutscheinen ausgezahlt und tragen dadurch zusätzlich zu sozialer Ausgrenzung und Isolation bei. Auf Grund des faktischen Arbeits- und Ausbildungsverbots für die Dauer des Asylverfahrens liegen unendlich viele kreative und konstruktive Fähigkeiten der Menschen brach, welche zum Nichtstun und Warten verurteilt in ihrer Würde angetastet werden.
Nicht selten vergehen bis zu einer abschließenden Entscheidung im Asylverfahren etliche Jahren. Die durch sog. Einzelentscheider des Bundesamts für Migration und Flüchtlinge (BAMF) beabsichtigten positiven Entscheidungen müssen der Zentrale des BAMF in Nürnberg vorgelegt werden, welche wiederum im Einvernehmen mit dem BMI handelt. Eine Dauer von durchschnittlich 2 Jahren und mehr in diesen „Fällen“ bis zu einer ersten Entscheidung plus einer Dauer des anschließenden Gerichtsverfahrens von durchschnittlichen 3 bis 6 Jahren je nach Ort bedeutet für die Betroffenen und ihre Familien einen unwiederbringlichen Lebenszeitverlust von vielen Jahren, auch wenn sie am Ende den Flüchtlingspass erhalten.

Der Status eines Asylberechtigten, bzw. eines anerkannten politischen Flüchtlings bedeutet immer noch keine endgültige Sicherheit vor der Verfolgung durch den Herkunftsstaat. Da jeder Verfolgerstaat dieser Welt über Interpol missliebige Gegner zur Festnahme zwecks Auslieferung ausschreiben kann und diese Ausschreibung keiner Überprüfung in einem rechtsstaatlichen Verfahren zugänglich ist, sind daher auch anerkannte Asylberechtigte und Flüchtlinge jeder Zeit der Gefahr einer Inhaftierung ausgesetzt, wenn sie zur Festnahme und Auslieferung über Interpol ausgeschrieben sind. So hat der Verfolgerstaat selbst nach Flucht und Anerkennung der Betroffenen noch Macht über seine politischen Gegner. Dies ist ein rechtsstaatlich unakzeptabler Zustand.

Durch die aufgeflammte Diskussion des Begriffs der „Asylunwürdigkeit“, bzw. des sog. Terrorismusvorbehalts nach dem 11. September 2001, ist Tür und Tor geöffnet worden für eine völkerrechtlich unhaltbare und uferlose Ausweitung derjenigen Fälle, in denen Menschen Zuflucht verweigert wird, da sie angeblich schwere nicht-politische Verbrechen außerhalb der BRD begangen hätten, bzw. den Zielen und Grundsätzen der Vereinten Nationen zu wider gehandelt hätten.

Hierunter werden durch das BAMF und manche Gerichte insbesondere auch der Anschluss an eine Widerstandsorganisation, Guerilla oder Organisation, welche auf die EU-Terrorliste aufgenommen wurden, verstanden und zwar unabhängig davon, welche konkreten Handlungen die entsprechende Person überhaupt unternommen hat. Die völlig unterschiedslose und ausnahmslose Einstufung von Menschen aus Oppositionsbewegungen als „aslyunwürdig“ ist inakzeptabel und steht in eklatantem Widerspruch zu etlichen völkerrechtlichen Prinzipien.
Der RAV sieht es als seine Aufgabe an, für das effektive Recht auf Asyl und menschenwürdige Zufluchtsmöglichkeiten zu streiten und auf die Abschaffung diskriminierender Sondergesetze für Flüchtlinge hinzuwirken.

Pressemitteilungen zum Thema

Stellungnahme des RAV, 24.11.2022

Der RAV hat die hier folgende und ausführliche Stellungnahme eingereicht.

Zeitgleich wurde - kurz vor der mündlichen Anhörung - vom RAV, der BRAK, der RAK-Berlin und dem DAV eine Kurzfassung der RAV-Stellungnahme an die Mitglieder des Innen- und Rechtsausschuss sowie dem federführenden Ministerium zur Kenntnis und Berücksichtigung versandt. Diese Kurzfassung findet sich hier.

Hier nun die lange Fassung:

Verfasser*innen:
Rechtsanwältin Josephine Koberling, Rechtsanwältin Anya Lean, Rechtsanwalt Julius Becker, Rechtsanwalt Matthias Lehnert, Rechtanwalt Yunus Ziyal, Rechtsanwältin Inken Stern, Sebastian Pukrop (Rechtsreferendar), Rechtsanwältin Berenice Böhlo.

I. VORBEMERKUNGEN

Die Bundesregierung hat in ihrem Koalitionsvertrag angekündigt, Maßnahmen zu ergreifen, damit »Asylverfahren…

>>
Pressemitteilung 6/22, 31.10.22

Die AG Migrationsrecht Süd des RAV hat einen Offenen Brief  an das Bundesinnenministerium und weitere Regierungs- und Ausschussmitglieder des Deutschen Bundestags verfasst. Wir drücken damit unsere große Besorgnis aus, dass die Bayerischen Behörden das geplante Gesetz zum ›Chancen-Aufenthaltsrecht‹ (Ch-AR) bereits jetzt massiv torpedieren und nach Verabschiedung unterlaufen werden.

»Gerichtsfestes Gesetz ist ausschlaggebend«

»Mit den derzeitigen vagen und unklaren Formulierungen wird das geplante ›Chancen-Aufenthaltsrecht‹ zumindest in Bayern leerlaufen«, so der Nürnberger Rechtsanwalt Yunus Ziyal, Mitglied im erweiterten Vorstand des RAV. »Auch im Interesse eines gerichtsfesten Gesetzes bedarf es dringend der Nachbesserung. Darauf haben bereits der Deutsche Anwaltsverein (DAV) und auch…

>>
Brief an Bundesministerin Faeser und Staatsministerin Alabali-Radovan, AG Migrationsrecht Süd im RAV, 31.10.2022

Nürnberg/München, 31.10.2022

Offener Brief an

Bundesministerin des Innern und für Heimat,
Beauftragte der Bundesregierung für Migration, Flüchtlinge und Integration, zugleich Beauftragte für Antirassismus und die zuständigen Ausschüsse des Bundestags

Sehr geehrte Damen und Herren,
sehr geehrte Frau Bundesministerin Faeser,
sehr geehrte Frau Staatsministerin Alabali-Radovan,

derzeit diskutieren Sie im Bundestag bzw. in den Ausschüssen den Entwurf des sog. Chancen-Aufenthaltsrechts (Ch-AR). Dieser soll insbesondere Langzeitgeduldeten eine Perspektive bieten und es Menschen mit bisher ungeklärter Identität ermöglichen, erst einen sicheren Status zu erhalten, um dann ihre Identität zu klären.

Im Rahmen der Verbändebeteiligung haben die Anwaltsverbände RAV und DAV bereits angemerkt, dass…

>>
Stellungnahme des RAV, 24.10.2022

Verfasser*innen: Rechtsanwältin Josephine Koberling, Rechtsanwältin Anya Lean, Rechtsanwalt Julius Becker, Rechtsanwalt Matthias Lehnert, Rechtanwalt Yunus Ziyal, Rechtsanwältin Barbara Wessel, Rechtsreferendar Sebastian Pukrop, Rechtsanwältin Berenice Böhlo.

I. Vorbemerkungen

Die Bundesregierung hat in ihrem Koalitionsvertrag angekündigt, Maßnahmen zu ergreifen, damit »Asylverfahren […] fair, zügig und rechtssicher ablaufen«. Zugleich heißt es zu den Zielen der beabsichtigten Asylrechtsreform: »Wir wollen schnellere Entscheidungen in Asylprozessen sowie eine Vereinheitlichung der Rechtsprechung«.

Diese Vorhaben sind grundsätzlich zu begrüßen: Die Praxis zeigt, dass die Asylverfahren, auf behördlicher Seite sowohl qualitativ als auch zeitlich enorme Mängel aufweisen – insbesondere zu…

>>
Pressemitteilung 5/22 vom 21.10.22

Anwält*innen fordern von der Bundesregierung eine Menschenrechtspolitik, die die Betroffenen tatsächlich erreicht.

In Iran beobachten wir den Beginn einer Revolution. Einer feministischen Revolution. Angeführt von Frauen*, die für ihre Freiheit und eine neue Gesellschaft kämpfen. Für ihren Mut werden sie getötet, gefoltert und inhaftiert.

Der Mut dieser Frauen* beeindruckt uns. Er führt weltweit zum Ausdruck von Solidarität. Die gleichen Solidaritätsbekundungen hallen noch nach mit den Frauen*, die in Afghanistan seit über einem Jahr für ihre Rechte demonstrieren. Die gleichen Solidaritätsbekundungen verstummen mittlerweile mit den mutigen Frauen* in Belarus.

Aber was passiert, wenn genau diese mutigen Menschen internationalen Schutz benötigen? Erhalten sie Zugang zu dem Schutz, den die…

>>
Pressemitteilung 4/2022 vom 12.10.22

Zusammen mit mehr als 50 Organisationen fordert der RAV den Bundestag sowie die Bundesminister*innen Nancy Faeser, Dr. Marco Buschmann und Lisa Paus auf, Menschen in Abschiebehaft, Anwält*innen zur Seite zu stellen und dies gesetzlich vorzuschreiben. Dass dies bislang nicht verpflichtend ist, sei »eines Rechtsstaates unwürdig«, so die Unterzeichner des Positionspapiers.

Immer wieder landen in Deutschland Menschen in Abschiebehaft und werden somit ihrer Freiheit beraubt, ohne dass sie sich dagegen wehren können. Mehr als fünfzig Organisationen aus dem gesamten Bundesgebiet kritisieren diese Praxis in einem Positionspapier scharf. Sie fordern das Bundesinnen-, das Bundesjustiz-, das Bundesfamilienministerium sowie die Mitglieder ausgewählter Bundestagsausschüsse auf, analog zur…

>>
Gemeinsame Pressemitteilung von Pro Asyl und RAV, 30. September 2022

In einer Pressekonferenz am Freitag kündigt Kommissarin Ylva Johansson neue Verschärfungen für die Einreise von russischen Staatsangehörigen an. Insbesondere sollen Mitgliedstaaten laut dem neuen Leitfaden der Kommission weiterhin keine Visumsanträge von Russ*innen annehmen, die bereits in einen Drittstaat geflüchtet sind. Damit verlangt die Kommission, dass die Menschen in Russland in der Falle warten sollen bis über einen Visumsantrag entschieden ist, kritisieren PRO ASYL und der Republikanische Anwältinnen- und Anwälteverein.

Während Johansson mehrfach in der Pressekonferenz wiederholt, dass der neue Leitfaden nicht das Recht auf Asyl beeinträchtigt, so geht dies am Kern des Problems vorbei. Wenn kein Zugang zur EU besteht, dann können Kriegsdienstverweiger*innen, Oppositionelle oder…

>>
Berlin, zum Weltkindertag am 20. September 2022

Die über 20 unterzeichnenden Organisationen und Verbände beraten und begleiten Geflüchtete und Migrant:innen in In- und Ausland täglich selbst oder durch Partnerorganisationen in ihren Familiennachzugsverfahren oder setzen sich politisch für ihre Belange ein. Hierbei erleben wir, wie die jahrelangen Verfahren, die vielen Hürden und die gesetzlichen Verschärfungen der letzten Jahre die Menschen zermürben und Inklusion oft unmöglich machen. Wir fordern die Bundesregierung und die Koalitionsfraktionen deshalb mit Nachdruck auf, die im Koalitionsvertrag angekündigten Verbesserungen beim Familiennachzug in dem nächsten Gesetzesentwurf vollumfänglich umzusetzen. Dabei muss der Verwirklichung des Grundrechts auf Familienleben der Betroffenen und der vorrangigen Achtung des Kindeswohl der…

>>
Petition, 28.7.22

Der RAV gehört zu den Erstunterzeichner*innen dieser Petition und ruft dazu auf, sie zu verbreiten und ebenfalls zu zeichnen.

https://www.change.org/p/umfassende-schutzma%C3%9Fnahmen-f%C3%BCr-lgbtqia-gefl%C3%BCchtete-von-tag-1-im-asylverfahren?redirect=false

LGBTQIA* Personen flüchten aus unterschiedlichsten Gründen, jedoch sind gesellschaftliche, familiäre und/oder staatliche Gewalt und/oder Verfolgung übliche Merkmale in den Biographien von LGBTQIA* Personen. LGBTQIA* sind hinzu überdurchschnittlich von Mehrfachdiskriminierung und sequentieller Traumatisierung nach der Ankunft in Deutschland betroffen. 

Mit Deiner Unterschrift verstärkst Du den Druck auf den Hamburger Senat und hilfst uns erstmal in Hamburg ein umfassendes Schutzkonzept für queere Geflüchtete durchzusetzen. Danach…

>>
Gemeinsame Stellungnahme der Vereinigung Demokratischer Juristinnen und Juristen (VDJ) und des Republikanischen Anwältinnen- und Anwältevereins (RAV) vom 22.07.2022

Mehr rechtlichen Schutz für die Gorillas-Beschäftigten: RAV und VDJ fordern Anerkennung des europarechtlich gewährleisteten Streikrechts in Deutschland

Die Fahrer:innen des Berliner Startups Gorillas hatten seit dem 9. Juni 2021 über Monate mehrmals in Berlin und Leipzig für sichere Beschäftigung, höhere Löhne und gesunde Arbeitsbedingungen gestreikt, ohne dass eine Gewerkschaft dazu aufgerufen hatte. Daraufhin wurden rund 30 Fahrer:innen entlassen. Nur kurz darauf versuchte die Geschäftsführung auch die Wahl eines Betriebsrats im Wege der einstweiligen Verfügung zu stoppen. Dieses misslang, der Betriebsrat wurde gegen den Widerstand der Unternehmensführung gewählt. Gegen die Kündigungen haben Fahrer:innen Klage beim Arbeitsgericht Berlin erhoben. Die ersten Urteile hierzu liegen vor. Das…

>>

Veröffentlichungen zum Thema