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Von der ›Bewegung an der frischen Luft‹ zur politischen Bewegung auf Abstand

Zur Geltung von Versammlungsfreiheit und -recht neben Pandemie-Verordnungen

STEFAN MARTINI und MICHAEL PLÖSE


Eine Zwischenbilanz

Wenn die Demokratie von Kompromissen leben soll, muss zuvor um politische Alternativen gestritten werden. Da in der Krisenbewältigung vieles zur Einheit strebt, ist besonders die Zivilgesellschaft in all ihrer Vielfältigkeit gefordert, sich auch mit kritischen Positionen Gehör zu verschaffen. Gemeinsamer Protest im öffentlichen (Straßen-)Raum als performativer Akt(1) ist weiterhin ein wichtiges Ventil im politischen Meinungskampf, das durch Soziale Medien nur ergänzt, nicht ersetzt werden kann. Nach den nunmehr fünfwöchigen Erfahrungen mit den versammlungsver- oder behindernden Anti-Corona-Regelungen der Bundesländer sind Demonstrationen jedoch nur bei verfassungskonformer Normenreduktion, oft als Ergebnis mehrstufiger Rechtsverfolgung durchsetzbar. Sie setzen die Bereitschaft zu einer verantwortungsvollen, infektionssensiblen Selbstermächtigung der Teilnehmenden voraus. Erst allmählich beginnen die zuständigen Behörden das Bewusstsein für eine pragmatische und versammlungsermöglichende Ermessensausübung auszubilden. Unter den Kontaktverboten der Anti-Corona-Exekutivrechtsakte ist das Gespür für Verhältnismäßigkeitserwägungen schnell verloren gegangen.

Wovon wir leben

Für ihre Fernsehansprache als Bundeskanzlerin am 18. März 2020 ist Angela Merkel zu Recht viel gelobt worden. Wenn auch die Rede – wie ihre Politik selbst – wichtige Belange (etwa Geflüchtetenhilfe und Europa) aussparte, so ist der antimilitaristische, betont demokratische, auf Mitwirkung jede*r Einzelnen setzende Duktus dennoch bemerkenswert. Der womöglich bleibende Satz: »Wir leben nicht von Zwang, sondern von geteiltem Wissen und Mitwirkung«, mag ein klarer Fall von Nudging sein, indem er die Verwendung von Zwang gerade nicht ausschließt, sondern als fernerliegende Alternative am Horizont der zivilgesellschaftlichen Wahrnehmung bereits abzeichnet. Gleichwohl kommt ihr Appell, »…es kommt jetzt auf jeden einzelnen an…« und das Narrativ von der Lebenskraft der Mitwirkung aller an den Belangen der Allgemeinheit nicht nur als obrigkeitsstaatliche Verweisung der Einzelnen auf ihren Platz in Reih und Glied daher. Die Verbindung von Mitwirkung und geteiltem Wissen ist zugleich eine Einladung zur Erzeugung und Hinterfragung jenes Wissens, auf das politische Entscheidungen gestützt werden und vor dem sie sich rechtfertigen müssen.
Die im Hinblick auf die Freiheitsverbürgungen des Grundgesetzes relevanten politischen Entscheidungen der ersten drei Wochen, wie sie in den Pandemie-›Bekämpfungs‹-, ›Eindämmungs‹- oder ›Infektionsschutz‹-Verordnungen und Allgemeinverfügungen zum Ausdruck kamen, waren vor allem von (Noch-)Nicht-Wissen, von Vorsicht und Dezisionismus geprägt. Ohne Zweifel fehlt es in den Verwaltungen auch heute noch an vergleichbaren Erfahrungen. Dessen ungeachtet wird das Bedürfnis nach exekutiver Flexibilität und Entscheidungsfreude auf ungewisser Tatsachenkenntnis, bei stetig wechselnder Lagebeurteilung in einem anspruchsvollen Zuständigkeits- und Normengefüge auch in der Bevölkerung geteilt, was in der hohen Akzeptanz gegenüber den bedeutenden Grundrechtseinschränkungen seinen Ausdruck zu finden scheint. Doch wo Macht ausgeübt wird, muss in der nicht nur für ›Normalzeiten‹ programmierten freiheitlich demokratischen Grundordnung per se Kritik erlaubt sein und auch ermöglicht, das heißt sicht- und hörbar gemacht werden. Von geteiltem Wissen und Mitwirkung kann nur da gesprochen werden, wo die von den Entscheidungen der Exekutive betroffenen Menschen Anteil nehmen und sich einbringen können, nicht nur für und über sie entschieden wird. Das stärkt die Legitimität des politischen Systems, fördert die Sensibilität für Fehlentwicklungen ebenso wie die Immunität der Beteiligten gegen Herzstillstand oder Autoritätsverfall, beugt schließlich »dem Bewusstsein politischer Ohnmacht« vor und ermöglicht zeitnahe Korrekturen
– so das Bundesverfassungsgericht 1983 im Brok­dorf-Beschluss (BVerfGE 69, 315, 346).

Die Verbots-›orgie‹ zu Beginn:  Pandemierecht vor Versammlungsrecht

Anders als die herausgehobene Stellung der Versammlungsfreiheit in der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts vermuten lässt, schrumpfte die Versammlungsfreiheit in den vor oder unmittelbar nach der Rede der Bundeskanzlerin erlassenen Corona-Regelungen der Bundesländer zu einer vernachlässigbaren Größe. Lässt man die Bedenken zur formellen Rechtmäßigkeit flächendeckender Versammlungsverbote durch untergesetzliche Exekutivrechtsakte großzügig außer Betracht,(2) waren bis Ostern in materieller Hinsicht zunächst die folgenden Versammlungsverhinderungstypen zu unterscheiden:
Am weitesten gingen totale Versammlungsverbote, die keine Ausnahmen im Einzelfall zuließen. Andere Regelungen stellten die Versammlungsfreiheit unter Erlaubnisvorbehalt und stellten sie damit gleichwohl unter ein präventives Verbot. Ganz vereinzelt wurden lediglich besondere Einschränkungsmöglichkeiten vorgesehen.
Im ersten Fall kamen wiederum zwei unterschiedliche Regelungstypen zur Anwendung:
In Thüringen waren Versammlungen ausdrücklich verboten (§ 3 Abs. 1); die Unmöglichkeit, eine Erlaubnis für eine Demonstration zu erlangen, ergab sich hier daraus, dass die Ausnahmen vom Verbot – von abwegigen Fällen des Art. 20 Abs. 4 GG abgesehen – nicht auf entsprechende Versammlungen passen konnten (z.B. § 3 Abs. 2: »für die Aufrechterhaltung der öffentlichen Sicherheit und Ordnung […] bestimmt sind«) und dass ein zuvor auf Erlassebene vorgesehener Erlaubnisvorbehalt durch die Verordnung aufgehoben worden war.
Am häufigsten begegneten Versammlungswilligen im ersten Pandemiebekämpfungsmonat implizite Totalverbote (in Baden-Württemberg: § 3 Abs. 1 und 6, Brandenburg: § 1 und 11, Hamburg: Nr. 3, Hessen: § 1 Abs. 2, Mecklenburg-Vorpommern: § 1a Abs. 2 und 3, Niedersachsen: § 2 Abs. 2, Rheinland-Pfalz: § 3 und 4, Sachsen: Nr. 1 und im Saarland: Nr. 1 und 3): Diese Regelungen verbaten Demonstrationen nicht direkt, sondern ganz allgemein jegliche Zusammenkünfte in der Öffentlichkeit, die über ein Treffen von zwei Personen hinausgehen. Derartige Bestimmungen liefen faktisch auf ein Versammlungsverbot hinaus.3 Solche Verbote waren im Verordnungstext nicht etwa durch die Möglichkeit, eine Erlaubnis im Einzelfall, ggf. unter Auflagen zu erlangen ausgeglichen worden. Es fehlten schlichtweg Befreiungsmöglichkeiten für Versammlungen – jeglicher Art und Größe.
Allen Totalvorbehalten war gemeinsam, dass sie für eine gewisse Dauer Demonstrationen gänzlich verhinderten. Dies konnte angesichts der Tatsache, dass – unter Einhaltung von Abstand – Mobilität und auch Pressearbeit (s. § 4 Nds.VO) im öffentlichen Raum ununterbrochen funktionierten, zu keiner Zeit verfassungsgemäß sein und tastete daher auch den Wesensgehalt der Versammlungsfreiheit an.(4) Die von den Behörden zur Abwiegelung von Grundrechtspositionen ins Spiel gebrachte und von einigen Verwaltungsgerichten mit ähnlicher Zielrichtung dankbar aufgegriffene Verweisung auf kollektive Kommunikationsakte in sozialen Medien(5) oder vom Balkon herab vermochte der Performativität der Versammlungsfreiheit nicht gerecht zu werden. Neuere Protestformen kombinieren eher beides.(6)
Etwas freigiebiger verfuhren Bundesländer, in denen die zuständigen Behörden Versammlungen im Einzelfall gestatten können. Die expli­zi­ten Erlaubnisvorbehalte zu den präventiven Verboten (jedenfalls für Zusammenkünfte von mehr als zwei Personen) schützen zwar die Versammlungsfreiheit, indem sie die Behörden auf die besondere (verfassungsrechtliche) Bedeutung von Demonstrationen zumindest hinweisen: Sachsen-Anhalt (§ 1 Abs. 5) und Schleswig-Holstein (Nr. 8) regelten eine individuelle Verhältnismäßigkeitsprüfung für Demonstrationen; Nordrhein-Westfalen (§ 11 Abs. 2 Satz 1) erhob die Einhaltung von Infektionsschutzauflagen zur Bedingung; ähnlich sprach die bayerische Regelung (§ 1 Abs. 1 Satz 3) von infektionsschutzrechtlicher Vertretbarkeit von Ausnahmegenehmigungen. Die Berliner Verordnung (§ 1 Abs. 7) kombiniert die anderen Varianten (infektionsschutzrechtliche Vertretbarkeit, besonders gelagerter Einzelfall) und setzte zusätzlich die Höchstgrenze von 20 Teilnehmenden fest. Am Maßstab von Art. 8 Abs. 1 GG gemessen, das ein erlaubnisfreies Demonstrieren garantiert und für Einschränkungen von Versammlungen unter freiem Himmel nach Abs. 2 eine gesetzliche Grundlage fordert, blieb ein per Verordnung statuierter Erlaubnisvorbehalt verfassungsrechtlich nichtsdestotrotz problematisch.
Ein Sandkorn der Liberalität leuchtete nur im Norden der Republik: In Bremen wurden Versammlungen weiterhin erlaubt. Sie können jedoch »zum Zwecke der Verhütung und Bekämpfung des Corona-Virus« verboten bzw. mit Auflagen versehen werden (Nr. 2 des Bremer Corona-Erlasses vom 23. März 2020 nahm Versammlungen vom Verbot von Zusammenkünften aus). Der Bremer Erlass gab damit im Wesentlichen die bestehende (verfassungsgemäße) Rechtslage wieder.
Bis auf Bremen gaben alle Bundesländer damit die unmissverständliche Direktive vor: Im Zweifel keine Versammlungen. Auch in der Praxis spiegelte sich wider, dass der Genehmigungsvorbehalt restriktiv wirkt: Der nordrhein-westfälische Innenminister hat kein Verständnis für eine »Privilegierung der Versammlungsfreiheit«. So überrascht es auch nicht, dass sich aus seinem Bericht an den Landtag ergibt, dass von 102 angemeldeten Versammlungen letztlich lediglich sieben genehmigt und bestätigt wurden (bis 13. April 2020).(7) Art. 8 GG verlangt jedoch von staatlichen Stellen (Art. 1 Abs. 3 GG), bei der Beurteilung jedes Einzelfalls, den physisch-präsenten Ausdruck politischer Meinungen weitestgehend zu ermöglichen, soweit dies für die hier konkurrierenden Belange des Gesundheitsschutzes vertretbar erscheint – was im Übrigen für das Leitbild präsumtiver Erlaubnis spricht.

»#Versammlungsrecht ist derzeit vollständig aufgehoben«

In der Rechtsprechung(8) erfolgte jedoch in diesem Sinne, von wenigen Ausnahmen abgesehen,(9) keine Korrektur der restriktiven Verordnungsauslegungen. Dem Gesundheitsschutz der Bevölkerung und der »Leistungsfähigkeit der ärztlichen, insbesondere krankenhausärztlichen (Intensiv-)Versorgung der Bevölkerung« wurde als überwiegender öffentlicher Belang von erheblichem Gewicht stets der Vorrang vor der Versammlungsfreiheit eingeräumt. Die verfassungsrechtliche Verpflichtung zur Herstellung praktischer Konkordanz erschöpfte sich schnell in der bestechenden Argumentation, dass dieser Tage sicheres Wissen schwer zu haben ist, dafür das Infektionsrisiko immer bestehe. Nachdem das OVG Berlin-Brandenburg am 5. April eine Entscheidung über die Beschwerde der Seebrücke gegen die Ablehnung von Eilrechtsschutz gegen ein Verbot ihrer LeaveNoOneBehind-Aktionen verweigerte und jeglicher Protzest am Versammlungsplatz trotz vorbildlicher Abstandhaltung von der Polizei unterbunden wurde, verbreitete der RAV per Twitter die Feststellung: »#Versammlungsrecht ist derzeit vollständig aufgehoben«.
Beispielhaft hierfür sind die den Abwägungs­ausfall offenbarenden Ausführungen des VGHannover: »Das überragende Schutzgut der menschlichen Gesundheit und des Lebens ist gegenüber der temporären Aussetzung des Versammlungsrechts des Antragstellers ohne Zweifel als höherrangig einzustufen«.(10) Noch abenteuerlicher die hanebüchene Begründung des VG Dresden, das zwar erkannte, dass die Möglichkeit zur Teilhabe am politischen Diskurs »gerade in Zeiten der Krise für die demokratische Gesellschaft unabdingbar sei«. Nichtsdestotrotz beließen es die Dresdener Richter*innen nicht etwa dabei, den Antragsteller unter Hinweis auf die vorübergehende Dauer der Maßnahmen und »andere Möglichkeiten […], in den politischen Diskurs zu treten«,(11) vor seinen heimischen PC zu verweisen. Sie verstiegen sich auch noch dazu, die Verwirklichung des Versammlungszwecks zu bezweifeln, wenn die Teilnehmenden einen hygienegerechten Abstand wahrten, um dann zur Abschreckung vor weiteren Eilrechtsschutzanträgen den Streitwert auf 10.000,00 Euro zu erhöhen, weil  sich der Antragsteller in Folge der beinahe täglichen Erneuerung der Corona-Erlasse gegen zwei Allgemeinverfügungen gewendet habe.

Auf die Einzelne kommt es an

Die Protestierenden ließen sich von solcherart Restriktionen überwiegend nicht aufhalten. Vieler Orten fanden gut organisierte, den Gefahren der Ansteckung wirksam und damit vorbildhaft vorbeugende Aktionen, Performances, Kundgebungen oder Alternativprotestformen, wie das Hinterlassen von Schuhen auf dem Pariser Platz in Berlin statt. Die Polizei reagierte hierauf gleichwohl überwiegend eskalativ, löste Kundgebungen auf, führte Gewahrsamnahmen durch, eröffnete Bußgeldverfahren und steigerte durch ihre Interventionen das Ansteckungsrisiko für alle Beteiligten.
Zwar dürften Behörden in Bundesländern, in denen Demonstrationen per Verordnung untersagt wurde, egal ob explizit oder implizit, für eigene Ermessenserwägungen wenig Raum gesehen haben: Jeder Verstoß gegen den jeweiligen Normtext wäre eine Verletzung der öffentlichen Sicherheit in Gestalt der geschriebenen Rechtsordnung. In Ländern mit expliziten Verboten können Behörden sogar ein Verbot im Sinne von § 15 Abs. 4 VersG annehmen, auch wenn Teile der Literatur die Anwendung des Absatzes 4 auf solche nach § 15 Abs. 1 oder 2 VersG beschränken. Es überrascht also nicht, dass sich die Polizei zur Auflösung solcher (verbotenen) Versammlungen verpflichtet sah. Gleichwohl verschließen selbst generelle landesweite Versammlungsverbote keinesfalls die verfassungsrechtlich geforderte Ermessensausübung; erst recht nicht bei der nachgelagerten Frage der Vollstreckung (§ 6 Abs. 2 VwVG analog).
In Ländern mit impliziten Verboten ließ sich argumentieren, dass Versammlungen im Sinne von Art. 8 Abs. 1 GG vom Regelungsprogramm nicht erfasst sind und der Versammlungsbehörde schon von daher nach § 15 Abs. 1 VersG ein Er­messensspielraum verbleibt. Dieser wäre jedoch im Hinblick auf die Zielsetzung der Verbots-Norm, Zusammenkünfte von Menschen in der Öffentlichkeit zu unterbinden, weitgehend beschränkt. Von daher erschien eine textnahe verfassungskonforme Auslegung ohne Wortlautverdrehung nur schwer möglich. Entsprechende Verbotsnormen ohne Erlaubnisvorbehalt für Versammlungen im Sinne von Art. 8 Abs. 1 GG wurden auf einschlägigen Blogs der endlich mit jedem ihrer Worte systemrelevant gewordenen Verfassungsrechtler (und seltener, meist bei JuWiss lesbaren Verfassungsrechtlerinnen*) für rechtswidrig gehalten.
Mehr Spielraum verblieb den Behörden in Bundesländern mit Erlaubnisvorbehalt. Dieser war selbst schon für Spontan- und Eilversammlungen mit Blick auf die grundrechtliche Gewährleistung, sich ohne Anmeldung oder Erlaubnis friedlich und ohne Waffen versammeln zu dürfen, einer verfassungskonformen Reduktion zu unterziehen. Blieb die Erlaubnisbehörde auf einen entsprechenden Antrag inaktiv, erfolgt dieser erst kurzfristig oder unterbleibt er ganz, hätte die Versammlung daher auch ohne normativ vorausgesetzte Genehmigung geduldet werden müssen, wenn sie infektionsverhindernde Sicherheitsmaßnahmen einhält – § 15 Abs. 3, nicht Abs. 4 VersG bzw. die entsprechende Landesnorm findet Anwendung.
Es ist einsichtig, dass sich die Versammlungsfreiheit derzeit nur unter Einschränkungen verwirklichen lässt; Massendemonstrationen beispielsweise schüfen eine zu hohe Infektionsgefahr. Unter Auflagen ist die kollektive Meinungskundgabe auf der Straße dennoch realisierbar. In Betracht kommen Abstandsgebote, ortsbezogene Beschränkungen der Teilnehmendenzahl oder ein getrennter An- und Abreiseweg. Auch Ortsverlegungen oder die Genehmigung einer Kundgebung statt des angemeldeten Aufzugs kann im Einzelfall angemessen sein.
Als ebenso amüsant wie konsequent ist in diesem Zusammenhang die Bestimmung im Auflagenbescheid der Stadt Flensburg vom 25. März 2020 zu würdigen, in der das Vermummen der Teilnehmenden in Form von Tüchern, Schals oder Atemschutzmasken erlaubt und »zur Verringerung der Ansteckungsgefahr begrüßt« wird – natürlich nicht ohne auf das gesetzliche Vermummungsverbot zum Zwecke der Verhinderung von Identitätsfeststellungen und dessen Ordnungswidrigkeit hinzuweisen (§§ 17a Abs. 2, 27 Abs. 2 Nr. 2, 29 Abs. 1 Nr. 1a VersG). Vermeintliche Normwidersprüche wie diese lassen sich bereits auf tatbestandlicher Ebene lösen – es fehlt am Verschleierungswillen.
Das Beispiel Bremen zeigt, dass eine großzügige Verfügungsregelung der Polizei selbst dann noch einen pragmatischen Umgang mit der Durchführung einer Kundgebung nach der Logik des Versammlungsgesetzes erlaubte, nachdem der eigentlich angemeldete Aufzug am 27. März 2020 wegen Bedenken gegen die Einhaltung der Begrenzung der Teilnehmendenzahl von der Versammlungsbehörde verboten worden war.(12) Protest muss sich eben dort artikulieren können, wo Öffentlichkeit ist, wo Gesellschaft und Politik sich begegnet oder ereignet, d.h. heute vor dem Parlament, auf der Straße, vor und in Grünanlagen; dort wo er auf Maßnahmen des Staates reagieren kann bzw. auf das, was staatliche Akteure gerade in Krisen ignorieren (Interessen von Minderheiten, Wohnungslose, Geflüchtete).
Demgegenüber sah sich die Polizei in Berlin am 28. März 2020 zur Auflösung einer nicht vorab genehmigten Kundgebung verpflichtet, weil die Anzahl der Teilnehmenden 20 Personen überstieg. Die entsprechende Höchstgrenze für Versammlungen in der Bundeshauptstadt war schon zu diesem Zeitpunkt nicht haltbar, weil sie den behördlichen Ermessensspielraum im Einzelfall zu weit beschränkt. Die Regelungen in §§ 1 Abs. 7 und 14 Abs. 3 lit l VO mochten den Willen des Verordnungsgebers erkennen lassen, Versammlungen grundsätzlich zu ermöglichen. Die verordnete Höchstzahl schloss jedoch ohne überzeugenden Grund jede einzelfallgerechte Handhabe aus und dürfte die Beamt*innen vor Ort bei Hinzutreten der 21. Demonstrierenden zur individuellen Zugangsverweigerung oder Auflösung der Versammlung veranlasst haben. Das wäre unverhältnismäßig. Es ist auch völlig praxisfern. Wer sollte denn bei Hinzutreten von zwei Personen zu bereits 19 Versammelten entscheiden, wer bleiben darf und nach welchen Kriterien? Wahres Gespür für grundrechtssensible Pragmatik hätte die Berliner Polizei bewiesen, wenn sie den ›Überzähligen‹ einfach einen weiteren Versammlungsort nach dem Auffüllprinzip zugewiesen hätte – selbstverständlich in Ruf- und Hörweite zu den 20 anderen Protestierenden. Was wäre das beispielsweise für ein mächtiges Bild: Der Alexanderplatz voll von Menschen mit jeweils zwei Meter Abstand, die alle mit dem Fahrrad kommen? Die Bilder, die uns zwischenzeitlich vom zentralen Rabin-Platz aus Tel Aviv erreichten, zeigen doch, dass es geht.

Ostern macht den zaghaften Versammlungsfrühling

Nach den Osterfeiertagen scheint sich der versammlungsrechtliche Wind zu drehen, jedenfalls vor Gericht. Wegmarken setzte dafür vor allem das Bundesverfassungsgericht. Nachdem es zuvor mehrere auf die Durchsetzung von Art. 8 GG gestützte Eilrechtsanträge aus Zeitgründen(13) oder wegen mangelnder Klarheit über die Einhaltung des Abstandsgebots am Versammlungsort(14) zurückgewiesen hatte, erledigte die 1. Kammer des Ersten Senats in wechselnder Besetzung mit zwei einstweiligen Anordnungen(15) betreffend Versammlungen in Gießen und Stuttgart das pauschale Argument der Ansteckungsgefahr als hinreichende Rechtfertigung von Versammlungsverboten.(16) Demgegenüber forderte es eine streng am Einzelfall orientierte Begründung, die Versammlungen unter Berücksichtigung des Infektionsschutzes ermöglicht, sowie die Durchsetzung des Kooperationsgebotes ein. Vielsagend ließ es offen, »ob es von Art. 8 GG gedeckt ist, die Ausübung der Versammlungsfreiheit durch Rechtsverordnung einem grundsätzlichen Verbot mit Erlaubnisvorbehalt zu unterwerfen und die Erteilung einer solchen Erlaubnis in das Ermessen der Verwaltung zu stellen« (Rn. 23).
Ein weiteres starkes Signal sendete das Verwaltungsgericht Hamburg(17) in einer – letztlich mit fragwürdigen Argumenten vom OVG Hamburg(18) aufgehobenen – Entscheidung: Aufgrund starker verfassungsrechtlicher Zweifel am verordnungsrechtlichen Genehmigungsvorbehalt bejahte es einen verfassungsunmittelbaren An­spruch aus Art. 8 GG auf Ermöglichung einer Versammlung (unter hygienischen Bedingungen); außerdem rügte es die inkonsistente Freiheitsverteilung im öffentlichen Raum: Wo flaniert oder in engen Verhältnissen Bus gefahren werden darf, dort müsse sich auch mit ausreichend Abstand versammelt werden können.(19)

Allmähliche Wiederherstellung des Versammlungsrechts

Auf Normebene zeichnet sich ebenfalls eine wenigstens formal versammlungsfreundlichere Tendenz ab. Denn die vormaligen (expliziten wie impliziten) Totalverbote sind abgeschafft, zum Teil allerdings erst durch Interpretation des Bundesverfassungsgerichts (s. noch unten). Die meisten Bundesländer sehen ein präventives Verbot mit Genehmigungsvorbehalt vor. Auch versammlungshindernde Allgemeinverfügungen sind nicht mehr in Gebrauch.
Positive Ausnahmeerscheinung ist weiterhin Bremen, das – unseres Erachtens die nach Art. 8 GG einzig richtige Regelungstechnik – Versammlungen vom grundsätzlichen Veranstaltungs- und Ansammlungsverbot ausdrücklich ausnimmt und nur im Einzelfall zur Verhütung oder Bekämpfung des Corona-Virus Einschränkungen oder Verbote von Versammlungen ermöglicht (§ 6 Abs. 2). Versammlungen bis zu 50 Teilnehmende sind nun in Mecklenburg-Vorpommern ebenfalls genehmigungsfrei, wenn Abstand gesichert und Mund- und Nasebedeckung dringend empfohlen wird (§ 8 Abs. 4 S. 1).
Immer noch sehen weder Baden-Württemberg noch Hessen versammlungsspezifische Befreiungsmöglichkeiten von Aufenthaltsbeschränkungen und Veranstaltungsverboten vor. In Baden-Württemberg dürfen »insbesondere« nur Versammlungen und Veranstaltungen ausnahmsweise – unter Auflagen zum Infektionsschutz – stattfinden, die gesetzlich vorgeschrieben sind oder der Aufrechterhaltung kritischer Infrastruktur dienen, z.B. Presse, Parlament, Verkehr und Energieversorgung. Das Bundesverfassungsgericht stellte hier auf die Lesart des vorinstanzlichen VGH Mannheim ab, der den Genehmigungsspielraum für Versammlungen im Lichte von Art. 8 GG als »wichtigen Grund« grundsätzlich an-, gleichwohl nicht auf einen solchen erkannt hatte.(20)
Enthielt jedoch die baden-württembergische Regelung durch die Verwendung des Wortes »insbesondere« hierfür noch einen Anknüpfungspunkt für eine verfassungskonforme Erweiterung der Ausnahmetatbestände, scheint die hessische Rechtslage prima facie strikt: Ausnahmen von der Kontaktbeschränkung gelten nur für absolut unvermeidbare Handlungen wie die Nutzung des öffentlichen Nahverkehrs oder schulische, berufliche und betreuungsrechtliche Gründe; Ermessen im Einzelfall haben die Behörden nur für Bestattungen und Trauerfeiern (§ 1). Aber auch hier mahnt das Bundesverfassungsgericht eine Einzelfallentscheidung an. Der Ansatzpunkt für die verfassungskonforme Auslegung ist jedoch mehr als unklar: Die hessische Corona-Verordnung untersagt zwar ›nur‹ öffentliche Verhaltensweisen, die geeignet sind das Abstandsgebot zu gefährden, wie Grillen oder Picknicken – aber auch diese nicht gefährlichen öffentlichen Verhaltensweisen müssen die grundsätzliche Kontakt­beschränkung beachten. Damit blieben – unter Respekt vor dem Verordnungswortlaut – nur eine verfassungskonforme Auslegung möglich, die Haushalts- oder Zweier-Versammlungen, die das Abstandsgebot nicht generell gefährden, grundsätzlich ermöglicht. Dann wiederum würde sich die Hessische Rechtslage der Bremer annähern, mit dem Unterschied, dass in Bremen mehr Personen an einer Versammlung teilnehmen können. Ein Umweg über parallele einzelne Zweier-Versammlungen würde den Wortlaut der Hessischen Verordnung arg strapazieren; denn mehrere Zweier-Versammlungen sind über ihren gemeinsamen Zweck verbunden und würden die Kontaktbeschränkung missachten.
Gleichwohl geht das Bundesverfassungsgericht für Hessen – verordnungsrettend – von einem Verbot mit Genehmigungsvorbehalt aus. Fraglich ist, ob dieses Ergebnis auch für die Saarländische Corona-Verordnung zu erzielen ist, die unmissverständlich regelt: »Versammlungen und Ansammlungen im öffentlichen Raum sind verboten« (§ 2 Abs. 2); Ausnahmen gelten nur für gewisse öffentliche und parlamentarische Einrichtungen.
Die meisten Bundesländer machen die Genehmigung von Versammlungen von der Einschätzung infektionsschutzrechtlicher Vertretbarkeit abhängig: Ähnlich etwa Niedersachsen, Nord­rhein-Westfalen und Thüringen sowie Mecklenburg-Vorpommern ab 50 Teilnehmende (§ 8 IV 2). Eine individuelle Verhältnismäßigkeitsprüfung schreiben die sachsen-anhaltinische und die schleswig-holsteinische Corona-Verordnungen vor (§ 2 Abs. 5 LSA bzw. § 3 Abs. 2 SH). Darüber hinaus beschränken einige die maximale Zahl an Teilnehmenden (Brandenburg und Berlin bis zum 4. Mai auf 20, Berlin danach auf 50, Thüringen ab dem 3. Mai auf 50 Teilnehmer*innen unter freiem Himmel sowie 30 in geschlossenen Räumen (§ 1 Abs. 2 Bbg, § 4 Abs. 6 Bln, § 3 Abs. 3a und 3b Th). Berlin stellt überdies klar, dass das Vermummungsverbot dem Tragen einer Mund-Nasen-Bedeckung nicht entgegensteht (§ 4 Abs. 8).

Zwischenbilanz

Die in den Landesverordnungen mit Ausnahme von Bremen und – mit Abstrichen – Mecklenburg-Vorpommern gewählte präventive Verbotsregelung mit Genehmigungsvorbehalt wird in ihrer Rechtsformenwahl weder der »legalistischen Kultur«(21) der Bundesrepublik gerecht, noch bringt sie in materieller Hinsicht die von der Verfassungsrechtsprechung ausgeprägte Bedeutung von Art. 8 Abs. 1 GG für die Ausübung der »prinzipiell staatsfreien unreglementierten« und daher in ihrer Gestaltung selbstbestimmten Freiheit zur kollektiven Meinungskundgabe zur Geltung, die sich in »physischer Präsenz, in voller Öffentlichkeit und ohne Zwischenschaltung von Medien« vollzieht.(22) Einschränkungen dieser Freiheit sind nach Art. 8 Abs. 2 GG für Versammlungen unter freiem Himmel zwar auf gesetzlicher Grundlage möglich. Das Bundesverfassungsgericht hat im Brokdorf-Beschluss – dort in Bezug auf Spontan­versammlungen – klargestellt, »dass solche Beschränkungen aber die Gewährleistung des Abs. 1 nicht gänzlich für bestimmte Typen von Veranstaltungen außer Geltung setzen dürfen«, wenn sie auch von Voraussetzungen abhängig gemacht werden können.(23)
Des Weiteren trifft es zwar zu, dass sich unter den derzeitigen Ausgangsbeschränkungen ein Teil der früheren Kommunikation unter Anwesenden in die digitale Sphäre verlagert – Homeoffice, Kommunikation unter Freund*innen, sogar der parlamentarische Betrieb und das Regierungshandeln. Aber ausgehend davon, dass die Möglichkeiten zur Viralität im öffentlichen Raum 2.0 infrastrukturell und kognitiv sehr vor­aus­setzungsvoll sind und die Wahrnehmbarkeit von Online-Petitionen, Twitter-Stürmen und Ketten-E-Mails über den Kreis der Beteiligten hinaus stark beschränkt und technisch fremd-steuerbar ist, würde eine digitale Versammlungsfreiheit ohne die Möglichkeit zur Versammlung in physischer Beziehung und in einem sozialen politischen Raum gleichermaßen an ihrem Autismus wie an ihrer Selbstentfremdung verkümmern. Eine unmittelbare Entfaltung der Persönlichkeit bei der kollektiven Meinungskundgabe ist so nicht möglich. Digitale Hilfsmittel können Versammlungen auf digitale Protestformen somit weder vollständig transferieren noch reduzieren.(24)
Wichtig erscheint schließlich die Betonung des Kooperationsgebots bei der Ermessensausübung in den letzten Entscheidungen des BVerfG. Es kommt damit zurück auf den Grundsatz der staatsfernen Selbstorganisation der Versammlung. Danach haben es Versammlungsleitung und Teilnehmer*innen zunächst selbst in der Hand für angemessen Schutz vor Ansteckungen zu sorgen. Erst wenn hieran begründete Zweifel bestehen, eröffnet sich ein behördlicher Handlungsspielraum für unterstützende wie beschränkende Verfügungen. Erlaubnisvorbehalte mögen für solche Abstimmungsprozesse geeignet sein, angesichts der nach § 14 VersG ohnehin bestehenden Anmeldepflicht sind sie jedoch nicht erforderlich.(25)
Ungeachtet unserer Zweifel an der verbots­affinen Rechtslage in verschiedenen Bundesländern sollte eines deutlich geworden sein: Stationäre Versammlungen mit geringer Teilnehmendenzahl, die Abstand halten und Atemwegsschutz beachten, müssen bei dieser Rechtslage in der Regel zugelassen bzw. dürfen nicht ohne Hinzutreten weiterer Gründe unterbunden werden. Die mehr oder weniger unklaren Normen in Baden-Württemberg und Hessen sowie das eindeutige Verbot in Saarland sind anzupassen. Um Versammlungsfreiheit darf und muss weiterhin gekämpft werden – ein sicheres Zeichen dafür, dass die Patientin noch lebt.

Dr. Stefan Martini ist Wissenschaftlicher Mitarbeiter und Habilitand am Lehrstuhl für Öffentliches Recht, insbesondere Völker- und Europarecht (Prof. von Arnauld) am Walther-Schücking-Institut/CAU Kiel.
Michael Plöse ist Rechtsanwalt und Mitglied im RAV. Er nimmt Lehraufträge an der Humboldt-Universität zu Berlin und der Hochschule für Wirtschaft und Recht (HWR Berlin) wahr.
Bei dem Beitrag handelt es sich um eine aktualisierte Version des am 31. März 2020 in zwei Teilen unter dem Titel: Politische ›Bewegung an der frischen Luft‹ veröffentlichten Beitrags auf dem JuWissBlog Nr. 42/2020 und 43/2020.

(1)    Art. 8 Abs. 2 GG spricht in diesem Sinne von Versammlungen unter freiem Himmel, deren idealtypischen Ausformung das BVerfG in »Demonstrationen [als] die gemeinsame körperliche Sichtbarmachung von Überzeugungen« erkennt, »bei der die Teilnehmer in der Gemeinschaft mit anderen eine Vergewisserung dieser Überzeugungen erfahren und andererseits nach außen – schon durch die bloße Anwesenheit, die Art des Auftretens und die Wahl des Ortes – im eigentlichen Sinne des Wortes Stellung nehmen und ihren Standpunkt bezeugen« (vgl. BVerfGE 69, 315, 345; 128, 226, 250; zuletzt Beschluss der 1. Kammer des Ersten Senats vom 17. April 2020, Az. 1 BvQ 37/20, Rn. 17).
(2)    Zum Problem flächendeckenden Versammlungsverboten per Rechtsverordnung – ablehnend VG Hamburg, 16.04.2020, Az. 17 E 1648/20, a.A. wohl OVG Hamburg, 16.04.2020, Az. 5 Bs 58/20, hierzu kritisch Ernst, Zwei Schritte vor, einer zurück, Der lange Weg zur Versammlungsfreiheit in Corona-Zeiten, Verfassungsblog vom 21.04.2020; zu entsprechenden Verboten per Allgemeinverfügung – ablehnend VG München, 24.03.2020, Az. M 26 S 20.1252, Rn. 20 ff.; a.A. VG Dresden, 30.03.2020, 6 L 212/20, S. 8 f.; zum Infektionsschutzgesetz als der nach Art. 8 Abs. 2 GG erforderlichen gesetzlichen (!) Rechtsgrundlage kritisch Klafki, Corona-Pandemie: Ausgangssperre bald auch in Deutschland?, JuWissBlog Nr. 27/2020 vom 18.03.2020; Kingreen, Whatever it Takes? Der demokratische Rechtsstaat in Zeiten von Corona, Verfassungsblog vom 20.03.2020; Kießling, Rechtssicherheit und Rechtsklarheit bei Ausgangssperren & Co? Zur geplanten minimalinvasiven Änderung des § 28 I IfSG, JuWissBlog Nr. 33/2020 vom 24.03.2020; Möllers, Parlamentarische Selbstentmächtigung im Zeichen des Virus, Verfassungsblog vom 26.03.2020; speziell für die Pflicht zum Mitführen und Vorzeigen von Identitätsdokumenten Fährmann/Arzt/Aden, Ausweispflicht per Corona-Verordnung? Verordnungsgeber missachten rechtsstaatliche Grenzen, Verfassungsblog vom 29.03.2020.
83)    Vgl. VG Hannover, 27.0.3.2020, Az. 15 B 1968/20, S. 3.
(4)    Ebenso: Kingreen, a.a.O. En. 2; Gutmann/Kohlmeier, Versammlungsfreiheit Corona-konform, Verfassungsblog vom 08.04.2020; Fährmann/Aden/Arzt, Versammlungsfreiheit – auch in Krisenzeiten!, Verfassungsblog vom 15.04.2020; Hong, Coronaresistenz der Versammlungsfreiheit?, Verfassungsblog vom 17.04.2020.
(5)    Vgl. VG Dresden, 30.03.2020, 6 L 212/20, S. 13: »Vor dem Hintergrund, dass Teilhabe am politischen Diskurs allerdings nicht zwangsläufig auf das Abhalten von Versammlungen beschränkt ist und jedenfalls für einen begrenzten Zeitraum auch auf anderem Weg, etwa über Social Media-Kanäle etc., gewährleistet werden kann, ist dieses Interesse vor­liegend angesichts der drohenden erheblichen Gefahren für Leib und Leben einer Vielzahl von Personen nicht geeignet, dem privaten Aussetzungsinteresse vor dem öffentlichen Interesse Vorrang einzuräumen«. Ähnlich OVG Hamburg, Beschluss 16.04.2020, Az. 5 Bs 58/20, Rn. 12: »Meinungskundgabe im Wege digitaler Medien«.
(6)    Vgl. Peter, Besetzen per Livestream, Tageszeitung vom 28.03.2020; RAV, »Menschenrechte wahren – Lager auflösen – Evakuierung jetzt!«, Pressemitteilung 8/20 vom 21.4.2020; »Fridays for Future«, Einsame Schilder und Online-Klimademo, tagesschau vom 24.04.2020.
(7)    Vorlage 17/3266 vom 20.04.2020 für die Sitzung des Innenausschusses am 23.04.2020 zum Tagesordnungspunkt »Versammlungen in NRW während der CoViD-19-Pandemie«.
(8)    Vgl. Madjidian – Wenn Gerichte sich weigern. Eilrechts­schutz bei Versammlungsverboten in den ersten Pandemiewochen, JuWissBlog Nr. 60/2020 vom 22.04.2020 – hat für den Zeitraum ab dem 20./22.03.2020 (Beginn der Ausgangsbeschränkungen) bis einschließlich 15.04.2020 (Zeitpunkt der ersten BVerfG-Entscheidung) 19 Eilentscheidungen über Versammlungsverbote ausgewertet.
(9)    Lediglich das VG Schwerin, Beschluss vom 11.04.2020, Az. 15 B 486/20 SN (Durchführung einer Versammlung unter strengen Auflagen) und der Bayerische Verwaltungsgerichtshof, Beschluss vom 09.04.2020, Az. 20 CE 20.755 (Verpflichtung zur Neuentscheidung über einen Antrag auf Erteilung einer Ausnahmegenehmigung zu Versammlungszwecken) sind bekannt geworden. Im Dunkeln blieb die ›Telefonjustiz‹ der Kammervorsitzenden, die an einigen Stellen womöglich auch zu einer außergerichtlichen Versammlungsermöglichung beigetragen haben mögen, wie ein Beispiel aus Lüneburg nahelegt: Lecomte, Versammlungs­grundrecht in Corona-Zeiten durchsetzen, blog.eichhoernchen.fr vom 07.04.2020.
(10)    VG Hannover, Beschluss vom 27.03.2020, Az. 15 B 1968/20, S. 6 f. kritisch hierzu und auf die weitere Rechtsprechung eingehend: Harker/Deyda/Söker/Brandt, Versammlungsfreiheit in der Krise, Die gerichtliche Verhandlung der Versammlungsfreiheit in Zeiten des Coronavirus, Verfassungsblog vom 14.04.2020.
(11)    VG Dresden, Beschluss vom 30. März 2020, Az. 6 L 212/20, S. 11 f.
(12)    Keller, Corona-Krise: Flüchtlinge verlassen Erstaufnahme, Weser Kurier vom 27.03.2020.
(13)    BVerfG, Beschluss vom 01.04.2020, Az. 1 BvR 742/20.
(14)    BVerfG, Beschlüsse vom 09.04.2020, Az. 1 BvQ 27/20
und 1 BvQ 29/20.
(15)    BVerfG, Beschlüsse vom 15.04.2020, Az. 1 BvR 828/20, Rn.12, und vom 17.04.2020, Az 1 BvQ 37/20, Rn. 19;
vgl. dazu Hong, a.a.O. En. 4.
(16)    Vlg. Beschluss vom 17.4.2020, Rn. 24: »Dass sich der Zweck der Verhinderung der weiteren Ausbreitung einer Virus-Erkrankung durch Nichtzulassung der Versammlung erreichen lässt, ließe sich letztlich gegen jede Versammlung unabhängig von der Teilnehmerzahl anführen«.
(17)    VG Hamburg, Beschluss der 17. Kammer vom 16.04.2020, Az. 17 E 1648/20.
(18)    OVG Hamburg, Beschluss vom 16.04.2020, Az. 5 Bs 58/20; kritisch hierzu Ernst, Zwei Schritte vor, einer zurück. Der lange Weg zur Versammlungsfreiheit in Corona-Zeiten, Verfassungsblog vom 21.04.2020.
(19)    Ähnlich nun auch VG Hannover, Beschluss vom 16.04.2020, Az. 10 B 2232/20; wegen unterlassener Einzelfallprüfung ferner VG Halle, Beschluss vom 17.04.2020, Az. 5 B 190/20 HAL, VG Hamburg, 15. Kammer, Beschluss vom 17.04.2020, Az. 15 E 1640/20, das hier an der Verbots-Ausnahme-Struktur keinen generellen Verstoß gegen Art. 19 Abs. 2 GG zu erkennen vermag, aber im Einzelfall einen Anspruch auf Durchführung der Versammlung unter Auflagen zuspricht. Keine Bedenken gegen die Durchführung einer Fahrraddemo mit 2x15 Personen hat das VG Köln, Beschluss vom 24.04.2020, 7 L 752/20.
(20)    Vgl. VGH Baden-Württemberg, Beschluss vom 15. April 2020, Az. 1 S 1078/20.
(21)    Vgl. Möllers, »Wir leben in einem quasi grundrechtsfreien Zustand«, Tagesspiegel vom 12.04.2020; Zweifel an der Einschränkbarkeit von Art. 8 GG auf dem Verordnungswege bei VG Hamburg, Beschluss vom 16.04.2020, Az. 17 E 1648/20; offengelassen in BVerfG, Beschluss vom 17.04.2020, Az 1 BvQ 37/20, Rn. 23.
(22)    BVerfGE 69, 315, 345 (Brokdorf).
(23)    BVerfGE 69, 315 350 f.
(24)    Nicht von ungefähr betont das BVerfG im Beschluss vom 17.04.2020, Az 1 BvQ 37/20, in den Maßstäben (Rn. 17) die gesamte Formel: »In ihrer idealtypischen Ausformung sind Demonstrationen die gemeinsame körperliche Sichtbarmachung von Überzeugungen, bei der die Teilnehmer in der Gemeinschaft mit anderen eine Vergewisserung dieser Überzeugungen erfahren und andererseits nach außen – schon durch die bloße Anwesenheit, die Art des Auftretens und die Wahl des Ortes – im eigentlichen Sinne des Wortes Stellung nehmen und ihren Standpunkt bezeugen (vgl. BVerfGE 69, 315, 345; 128, 226, 250)«.
(25)     Vgl. Ernst, a.a.O. En. 18.