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Unvereinbarkeitserklärung

POSITIONIERUNG GEGEN DIE AFD

Vereinigung Berliner Strafverteidiger

Der Vorstand der Vereinigung Berliner Strafverteidiger hält und erklärt das rechtspolitische Programm der AfD ebenso wie die dahinterstehende politische Geisteshaltung mit den Grundwerten der Vereinigung Berliner Strafverteidiger für gänzlich unvereinbar.

Wir halten es angesichts des jüngeren Erstarkens dieser Strömung für erforderlich, prinzipiell zu werden, Position zu beziehen und Abgrenzungen vorzunehmen. Hierbei wollen wir nicht nur der AfD und ihrem Programm die gebotene Absage erteilen, sondern auch jeder inhaltlichen Trittbrettfahrerei durch andere politische Parteien und Strömungen. Unvereinbar mit unseren Werten ist es auch, diese Positionen international salonfähig zu machen, indem die autoritären Parallelwelten etwa der Erdoğans, Orbans und Kaczinskis unkritisch akzeptiert oder gar hofiert werden. Die rechtspolitischen Ansichten der AfD und derjenigen, die ihnen opportunistisch aufgeschlossen sind, stehen den Bürgerrechten und damit den Werten der Vereinigung Berliner Strafverteidiger unvereinbar gegenüber. »Die AfD«, so heißt es im Programm dieser Partei, »fordert einen ›sicherheitspolitischen Befreiungsschlag‹, um den Schutz der Bürger an erste Stelle zu setzen. Andere Belange haben sich dem unterzuordnen«. Dieser »sicherheitspolitische Befreiungsschlag« beinhaltet u.a. die Anwendung des Erwachsenenstrafrechts auf alle Beschuldigten ab  dem 18. Lebensjahr, die Absenkung des Strafmündigkeitsalters auf zwölf Jahre, die Ausweitung des Strafbefehlsverfahrens auch auf schwere Delikte, die Abschaffung der Möglichkeit von Urteilsaufhebungen und Zurückweisung zur Neuverhandlung, Abschaffung der Revision, die Überführung von alkoholkranken, drogenabhängigen oder psychisch kranken Straftätern in die Sicherungsverwahrung, die Ausweitung der Haftgründe für die Anordnung von Untersuchungshaft, die Unterstellung von Entscheidungen über Vollzugslockerungen und Urlaube unter die Staatsanwaltschaft und der Verlust – also der Entzug – der Staatsbürgerschaft bei »bestimmten Delikten«. Schon diese unvollständige Aufzählung macht deutlich, was gemeint ist, wenn es heißt: »Andere Belange haben sich dem unterzuordnen«. Die Freiheitsrechte gehören zum Wesen der liberalen rechtsstaatlichen Demokratie; Beschuldigtenrechte sind ihr Seismograph. Es ist der Maßnahmenstaat, der aussondert, wegsperrt und abschiebt, der von oben nach unten durchregiert und zwar auch durch die Gerichte. Letztlich soll der Leviathan des »gesunden  Volksempfindens«  entfesselt werden. Die Vereinigung Berliner Strafverteidiger ist unparteiisch. Seit ihrer Gründung als älteste Vereinigung der Bundesrepublik im Jahr 1951 hat sie sich keiner Partei angedient. Die Vereinigung Berliner Strafverteidiger ist zwar politisch unparteiisch – sie ist aber nicht unpolitisch. Dort, wo es um Beschuldigtenrechte geht, kann die Vereinigung nie unparteiisch sein. Das schließt das Berufsverständnis von Strafverteidiger*innen grundsätzlich aus. Parteilich sein bedeutet in diesem Sinne, für die Freiheit und die Rechte von Beschuldigten einzustehen, weil der Kampf für die Rechte eines oder einer Beschuldigten immer auch ein Kampf mit dem staatlichen Strafanspruch ist, der jede und jeden treffen kann. Die schärfste Trennlinie zwischen Bürger und Staat verläuft noch immer durch den Gerichtssaal. Strafverteidigung hat dafür zu streiten, dass das Recht nicht zu einem bloßen Herrschaftsinstrument wird und Gesetz nicht zu Unrecht. Jede*r Beschuldigte, der oder die sich unter dem Vorwurf, eine Straftat begangen zu haben, der Übermacht des Staates ausgesetzt sieht, muss daher kompetent, gewissenhaft und engagiert verteidigt werden. Dies ist einer der Grundsätze, die heute wie zur Zeit der Gründung der Vereinigung gelten und von dem aus wir für bessere Verteidigungsbedingungen eintreten. Er gilt für alle – selbst für die Feinde der Freiheit. Der Vorstand der Vereinigung Berliner Strafverteidiger hält es deshalb für notwendig auf Selbstverständliches hinzuweisen: dass die Strafverfolgung sich rechtsstaatlichen Anforderungen und verfassungsrechtlichen Prinzipien unterzuordnen hat. Nicht umgekehrt. Die zitierten Positionen und Aussagen der neuen und alten Rechten sind mit den Grundsätzen der Vereinigung Berliner Strafverteidiger ebenso unvereinbar wie Sympathie für selbige. Sie greifen an, wofür wir einstehen.

Berlin, 21.03.2019

Der Vorstand