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#unteilbar

EDITORIAL

Berenice Böhlo, Volker Eick, Ulrich v. Klinggräff

Noch immer befinden wir uns in einem Zustand zwischen Euphorie und Erschöpfung, zwischen nachhaltiger Begeisterung und beginnender Nachbetrachtung. Mit knapp einer Viertelmillion Demonstrierender in Berlin am 13. Oktober sind nicht nur zahlenmäßig sämtliche Erwartungen weit übertroffen worden. Das gilt auch für die Organisationen und Einzelpersonen, die das Bündnis getragen und unterstützt haben: Es ist von einer überwältigenden Breite gewesen.
 Die Demonstration – sie reiht sich ein in den proklamierten ›Herbst der Solidarität‹, der etwa ›#ausgehetzt‹ in München, die ›Seebrücke‹-Initiative bundesweit und in Berlin, das ›We’ll Come Unitet‹-Bündnis in Hamburg und einige Initiativen mehr umfasst – hat gezeigt, dass es sehr viele Menschen gibt, die erkannt haben, dass diese Gesellschaft an einem Scheideweg steht und über alle unsere Unterschiede hinweg Einigkeit darin besteht, dass wir die Schockstarre überwinden und gemeinsam für eine offene und solidarische Gesellschaft kämpfen müssen. Der 13.10.2018 hat in diesem Sinne Mut – und ziemlich gute Laune – gemacht.
 Und auch wenn noch nicht entschieden ist, wie genau es mit #unteilbar weitergehen soll, eines ist zumindest für die unmittelbar Beteiligten klargeworden: Selbst, wenn – wie derzeit – nationalistisch-völkische Hetze auf der Straße und in den Parlamenten einerseits und technokratisch exekutierte Menschenfeindlichkeit auf vielen Regierungsbänken andererseits, Hand in Hand gehen: die gesellschaftliche Mehrheit stellen diese Kräfte bisher nicht dar. Eine der großen Herausforderungen besteht darin, die Mehrheit für eine solidarische Gesellschaft wieder handlungs- und damit durchsetzungsfähig zu machen, also erfolgreich um eine progressive Diskursverschiebung, um gesellschaftliche Hegemonie zu kämpfen.
 Der RAV gehörte zu den Gruppen, aus denen heraus die #unteilbar-Demonstration organisiert worden ist. Unser Engagement resultiert aus der Erkenntnis, dass es sich bei den gesellschaftlichen Verschiebungen auch um einen Kampf um Rechte handelt, dass man den Kampf um das Recht nicht von anderen gesellschaftlichen Auseinandersetzungen entkoppeln, sondern diese nur zusammenführen kann – und muss. Nicht nur die Opposition der extremen und militanten Rechten, sondern auch Teile der Regierungsparteien stellen zunehmend zentrale Grund- und Freiheitsrechte, das Recht, Rechte zu haben, wie es Hannah Arendt einst formulierte, in Frage.
 Vor diesem Hintergrund kam im RAV das Bedürfnis auf, nicht nur einen eigenen Aufruf zur Demonstration zu verfassen (der nachfolgend dokumentiert ist), sondern auch mit einem eigenen Lautsprecherwagen an der #unteilbar-Demonstration teilzunehmen und befreundete Organisationen einzuladen, sich mit Redebeiträgen zu beteiligen. Diese Initiative wurde breit aufgegriffen – und die Beiträge sind, da nicht alle im Block rund um den RAV-Lautsprecherwagen mitlaufen und die Beiträge hören konnten, hier nachfolgend dokumentiert.
 Für die Vereinigung Demokratischer Juristinnen und Juristen (VDJ) sprach Dieter Hummel ohne Redemanuskript (und damit hier auch ohne Dokumentation), Caroline Keller von NSU-Watch, die zum Verhältnis von NSU und Verfassungsschutz sprechen wollte, sowie das FORUM Justizgeschichte schafften es leider zeitlich nicht zu unserem Lautsprecherwagen. Wir danken allen Rednerinnen und Rednern, aber auch ausdrücklich dem RAV-Kollegen Federico Traine und ›seinem‹ Team für ihre unermüdliche Organisation rund um den Lautsprecherwagen.

Berenice Böhlo und Ulrich von Klinggräff sind Rechtsanwält*innen in Berlin, Volker Eick ist Berliner Politikwissenschaftler; alle drei sind Mitglied im (erweiterten) Vorstand des RAV und waren – neben sehr vielen anderen – an der Organisation der #unteilbar-Demonstration beteiligt. Die in die Texte eingestreuten Bilder (in der Online-Version nur im PDF zu sehen) stammen von Katrin Voß aus unserer Geschäftsstelle, von Christian Ditsch und einigen seiner Photographie-Kolleginnen und -kollegen, deren Namen wir leider nicht alle eruieren konnten; dabei sind wohl John MacDougall (afp) und Christoph Soeder (dpa): auch ihnen sei gedankt.