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Keine Sicherheit im Heim

RASSISTEN ALS WACHSCHÜTZER IN BRANDENBURGER FLÜCHTLINGSUNTERKÜNFTEN

Hannes Püschel 

Wer über längere Zeit Kontakt mit in Heimen lebenden Asylbewerber*innen hat, ob als Rechtsvertretung, ehrenamtliche Unterstützung, Mitarbeitende in einer Beratungsstelle oder einfach auch nur als Besucherin oder Besucher, kommt früher oder später mit ihnen in Kontakt oder hört Geschichten über sie: die in den Heimen tätigen Mitarbeiter, es sind vorwiegend Männer, von Wachschutzunternehmen.
Diese haben im Mikrokosmos ›Heim‹ eine große Machtposition inne.(1) Sie können entscheiden, wer das Heim als Besucherin oder Besucher betritt oder nicht, und sie treten neben den Sozialarbeiter*innen als Aufsichtspersonen und Verantwortliche für die Einhaltung der Hausordnung auf. Faktisch erhöht sich ihre reale Machtstellung noch durch die Unkenntnis vieler Geflüchteter über die Organisation des Asylverfahrens und der Unterbringung von Asylbewerber*innen. Dass die Betreiber der Heime und die dort tätigen Mitarbeiter*innen mit der Entscheidung über Asylanträge nichts zu tun haben, ist vielen, die dort wohnen müssen, nicht bekannt. Gerade aufgrund des z.B. durch eine Uniformierung hoheitlich erscheinenden Auftretens der Wachschützer kommt es häufig vor, dass Geflüchtete glauben, bei diesen handele es sich um staatliche Bedienstete, die Einfluss auf ihre Asylverfahren hätten. Die unter diesen Bedingungen vorfindbare Spannbreite des Auftretens gegenüber den Heimbewohnenden und des Umgangs mit ihnen ist groß. Da gibt es die nebenbei ›Sozialarbeit‹ betreibenden, ansprechbaren und hilfsbereiten Mitarbeiter*innen, es gibt ignorante, die nicht sehen und hören, was um sie herum passiert, und es gibt jene, die ihre Macht ausnutzen. Da wird u.a. sich als Heimpolizei aufgespielt, mit Hinweis darauf, man könne Einfluss auf das Asylverfahren nehmen, sexuell belästigt oder die Arbeitskraft von Geflüchteten ausgenutzt. Und es gibt gewalttätige Rassisten, die eine Gefahr für die physische und psychische Unversehrtheit der Heimbewohner*innen darstellen. Letzterer Umstand sorgt aktuell im Land Brandenburg für Besorgnis.

NAZIS, ROCKER UND (K)EIN RECHTSSTAAT?

Nach einigen Vorfällen – so wurde z.B. in Potsdam ein vor Ort bekannter Neonazi als Wachschützer in einem Wohnverbund für Geflüchtete eingestellt, und in Cottbus gab es den, bisher nicht bestätigten, Vorwurf, Wachschützer hätten bei einem Überfall auf ein Heim den Angreifern die Tür geöffnet und den Bewohner*innen nicht zur Seite gestanden –, nahmen sich zwei Mitglieder der Linkspartei im Brandenburger Landtag, Andrea Johlige und Matthias Loehr, des Themas an. In einer Kleinen Anfrage erkundigten sie sich bei der Landesregierung nach den Arbeitsbedingungen und der Rolle von Rechtsextremisten im Sicherheitsgewerbe des Landes Brandenburg. Die Antwort(2) der Landesregierung sorgte für Aufmerksamkeit in den regionalen Medien. So sind den Behörden im Süden Brandenburgs 20 aktive Sicherheitsunternehmen bekannt. Bei 13 von diesen bestehen Überschneidungen mit dem Fußball-, Rocker- oder ›PMK‹- Milieu (PMK, Politisch Motivierte Kriminalität, sprich Rechtsextremismus). Angesichts dessen, dass in der Region um Cottbus in den letzten Jahren eine starke und dicht miteinander verwobene Subkultur aus Neonazis, Fußballfans, Kampfsportlern und Rockern entstanden ist, kann man davon ausgehen, dass das Wachschutzgewerbe im Süden Brandenburgs fest in der Hand gewaltgeneigter Rechter ist. Für Kenner*innen der Materie ist dies keineswegs überraschend. Das Bewachungsgewerbe ist gekennzeichnet durch niedrige Löhne und das manifeste Risiko, regelmäßig mit Gewalt konfrontiert zu werden. Besondere Qualifikationen sind für den Einstieg in diesen Berufszweig nicht erforderlich. Strukturell zieht es damit einen hohen Prozentsatz von Menschen an, die mit der Ausübung von Gewalt wenig Probleme und auf dem sonstigen Arbeitsmarkt eingeschränkte Chancen haben. Zusätzlich, so stellt die Landesregierung Brandenburg in der Antwort auf die Kleine Anfrage fest, bietet »[d]ieses Tätigkeitsspektrum [...] Rechtsextremisten eine Vielzahl an Möglichkeiten, rechtsextremistisches Gedankengut in den öffentlichen Raum zu transportieren oder repressiv auf Andersdenkende und auf Bürger ausländischer Herkunft einzuwirken. Eine Tätigkeit im Bewachungsgewerbe ist für Rechtsextremisten auch auf Grund der Uniformierung und der Bewaffnung sowie der Ausübung von Macht und Dominanz attraktiv«.(3) Doch die Fokussierung der Diskussion allein auf die Spezifika der Wachschutzbranche geht am Problem vorbei.

DER VERANTWORTUNG WIRD SICH  ENTZOGEN

Mit der Entscheidung, Asylbewerber*innen auch über lange Zeiträume in großen Heimen unterzubringen, werden die betroffenen Menschen einem erhöhten Risiko ausgesetzt, Opfer von Gewalt zu werden. So sind Asylbewerberheime immer wieder Ziel rechter Attacken. Neben der grundlegenden rassistischen Motivation, dürfte bei der Zielwahl für viele Täter*innen  eine Rolle spielen, dass sie die Heime als Symbole der Flüchtlingspolitik der Bundesregierung ansehen. Doch nicht nur von außerhalb der Heime droht Gefahr. Aus der Heimunterbringung selbst resultiert eine Vielzahl von Gewalttaten. Ausschlaggebender Faktor ist dabei zuvorderst die gemeinsame Unterbringung einer großen Anzahl Menschen, viele davon aufgrund von Kriegs- und Fluchterfahrungen traumatisiert, bei oft extrem reduzierter Privatsphäre, ohne eine ausreichende Betreuung und Unterstützung bei der Wahrnehmung grundlegender Rechte und ohne Zugang zu therapeutischer oder ähnlicher Hilfe. Neben eskalierenden Auseinandersetzungen in und um gemeinschaftlich genutzte Räumlichkeiten, v.a. Küchen und Sanitärbereiche, besteht insbesondere für Frauen und Kinder ein erhöhtes Risiko, Opfer sexualisierter Gewalt zu werden. Je nach Zusammensetzung der Heimbewohner*innen kommt es zudem zu islamistischen und homophoben Gewalttaten. Das angewandte Maß an Gewalt ist dabei zum Teil sehr hoch. So hat es in Brandenburg in den letzten drei Jahren mindestens vier vollendete Tötungsdelikte im Kontext von Gemeinschaftsunterkünften gegeben. Im Wissen um diese seit langem bekannten Umstände müsste aus der Entscheidung, Geflüchtete längerfristig in Gemeinschaftsunterkünften unterzubringen, auch die Schlussfolgerung resultieren, in den Heimen Bedingungen zu schaffen, die das Gewaltrisiko minimieren. Dabei käme ausreichend adäquat geschultem und ausgewähltem Personal eine zentrale Rolle zu. Doch dies geschieht nicht. Der aus der hoheitlichen Entscheidung darüber, wo und wie Geflüchtete zu leben haben, resultierenden Verantwortung wird sich staatlicherseits entzogen. Die Unterbringung wird vom Bund über die Länder an die Landkreise und kreisfreien Städte delegiert; diese suchen sich in der Regel externe Träger, die den Betrieb der Unterkünfte übernehmen. Erfolgt schon die Auswahl der Heimträger häufig in intransparenten Verfahren, so ist die Personalauswahl bzw. die Beauftragung von Wachschutzfirmen als Subunternehmen und deren Personalauswahl der öffentlichen Kontrolle fast völlig entzogen. Tatsächlich findet im Land Brandenburg eine effektive Heimaufsicht, nicht nur bezogen auf den Bereich Wachschutz, sondern umfassend mit Blick auf alle Lebensbedingungen in den Heimen, nicht statt. Dabei hat sich das Land Brandenburg eine Selbstverpflichtung auferlegt, Gewalt und Rassismus entgegenzutreten. Die 2013 als Staatszielbestimmung in Artikel 7a der Landesverfassung aufgenommene sogenannte Antirassismusklausel – »Das Land schützt das friedliche Zusammenleben der Menschen und tritt der Verbreitung rassistischen und fremdenfeindlichen Gedankenguts entgegen« – findet bezogen auf die Heimunterbringung keine Anwendung.

KEINE ISOLIERTE FEHLENTWICKLUNG

Theoretisch bestünde zwar die Möglichkeit, Rechtsextremisten von der Tätigkeit in Flüchtlingsunterkünften auszuschließen. Gemäß § 34a Abs. 1 GewO ist die Tätigkeit im Bewachungsgewerbe erlaubnispflichtig. Diese Erlaubnis ist zu verweigern, wenn die betreffende Person nicht über die erforderliche Zuverlässigkeit verfügt. Gemäß § 34a Abs. 1 S. 3 Nr. 3 GewO i.V.m. § 3 BVerfSchG ist die erforderliche Zuverlässigkeit bei einer rechtsextremen Betätigung nicht gegeben. Die Überprüfung der Zuverlässigkeit stützt sich gemäß § 34a Abs. 1 S. 5 , Abs. 1a S. 3 GewO auf Auskünfte aus dem Bundeszentralregister sowie eine polizeiliche Stellungnahme, in Brandenburg des Landeskriminalamtes; zudem besteht die Möglichkeit einer Anfrage bei den Verfassungsschutzbehörden. Diese hat ab dem 1. Januar 2019 als Regelabfrage zu erfolgen, wenn die Person in Asylunterkünften oder bei Großveranstaltungen arbeiten soll. Von der begrenzten Vertrauenswürdigkeit des Verfassungsschutzes abgesehen, werden hier zwei Probleme wirksam. Offensichtlich nehmen die lokalen Gewerbeämter ihre Kontrollfunktion häufig nur sehr oberflächlich und ungenügend war. Zum anderen setzen Anfragen bei der Polizei und Einsicht ins Bundeszentralregister voraus, dass rechte Straftäter staatlicherseits auch als solche erkannt wurden. Die immer noch stattfindende Entpolitisierung rechter Gewalttaten in Ermittlungsverfahren und vor Gericht ist dem jedoch abträglich. In Südbrandenburg kommt hinzu, dass dort die Wartezeiten auf Gerichtsverfahren, gerade auch bei rechten Straftaten, mittlerweile so lang sind, dass von einer faktischen Straflosigkeit für rechte Gewalttäter*innen gesprochen werden muss. Es zeigt sich so, dass die Tätigkeit gewalttätiger Rechter als Wachschützer in Flüchtlingsunterkünften keine Folge einer singulären und isolierten Fehlentwicklung im Wirtschaftszweig Wachschutz ist, sondern Ausdruck umfassender gesellschaftlicher und politischer Probleme im Umgang mit Geflüchteten.

Hannes Püschel ist Mitarbeiter der Opferperspektive. Opferperspektive e.V. ist die Beratungsstelle für Betroffene rechter Gewalt und rassistischer Diskriminierung in Brandenburg. Zwischenüberschriften wurden von der Redaktion eingefügt.

Fußnoten
(1) Der Text basiert auf Erfahrungen, die Mitarbeiter*innen der Beratungsstelle für Betroffene rechter Gewalt der Opferperspektive e.V. bei der Beratung von in Heimen lebenden Flüchtlingen in den letzten drei Jahren gesammelt haben.
(2) https://www.parlamentsdokumentation.brandenburg.de/starweb/LBB/ELVIS/parladoku/w6/drs/ab_8200/8257.pdf.
(3) Ebenda, S. 2.