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Der ›Tag des bedrohten Anwalts‹: Honduras(1)

Europa setzt sich für Ermordete, Bedrohte und Verfolgte ein(2)

DINA MEZA

Am 22. Januar 2016 kam es vor der honduranischen Botschaft in Berlin zu einem Protest, bei dem Ursula Groos, Geschäftsführerin des Republikanischen Anwältinnen- und Anwältevereins, dem Botschafter Ramón Custodio eine Petition in Solidarität mit den bedrohten und ermordeten Anwältinnen und Anwälten, Richterinnen und Richtern sowie anderen juristischen Berufsgruppen überreichte. Am selben Tag wurde in vielen anderen europäischen Hauptstädten diese Petition überreicht.
In Honduras werden tausende von AnwältInnen und MenschenrechtsverteidigerInnen bedroht, weil sie mit ihrer Arbeit für die fundamentalen Rechte der Opfer eintreten. Diese Bedrohung endet in der Mehrheit der Fälle mit ihrer Ermordung, so wie es im Fall von Dionisio Díaz Garcia war, dem ›Anwalt der Armen‹. Er trat für die Einhaltung der Arbeitsrechte von privaten Sicherheitsleuten ein, deren Arbeitgeber weder die gesetzlichen Verpflichtungen, noch die vereinbarten Lohnzahlungen einhielt. Díaz wurde am 4. Dezember 2006 – als er auf dem Weg war, die Unterlagen von Sicherheitsleuten von SETECH in Augenschein zu nehmen – ermordet. Um 13 Uhr sollte die Anhörung vor dem Arbeitsgericht stattfinden. Das Verbrechen ist bis heute ungestraft.
Ein anderer ermordeter Anwalt ist Antonio Trejo, der die Rechte der Bauernbewegung von Aguán, Movimiento Unificado Campesino del Aguán (MUCA), rechtlich vertrat. Er gehörte zu den Anwälten, die eine Strafanzeige wegen Vaterlandsverrats gegen den Nationalen Kongress gestellt hatten. Der Kongress hatte eine Gesetzgebung verabschiedet, die das Errichten von Charter Cities oder ›Zonen für Arbeit und wirtschaftliche Entwicklung‹, Zonas de Empleo y Desarrollo Económico (ZEDE), erlaubt und somit die nationale Souveränität gefährdet. Er wurde am 23. Oktober 2012 ermordet, als er gerade eine Kirche verließ. Er hatte mehrmals angezeigt, dass er Todesdrohungen erhielt und  im Vorfeld erklärt, dass im Falle seiner Ermordung der Großgrundbesitzer Miguel Facussé verantwortlich sein würde. Seine Anzeige wurde von der Generalstaatsanwaltschaft nie verfolgt, die seinen Tod dann aber eventuell hätte verhindern können. 

WELLE VON GEWALTVERBRECHEN 

»Mit den (oben genannten) Protesten soll auf die Welle von Gewaltverbrechen gegen Anwältinnen und Anwälte sowie gegen in anderen juristischen Berufen Tätige in Honduras aufmerksam gemacht werden. Die Situation, der sie sich in Honduras stellen, ist ernst. Zwischen 2010 und 2015 hat die Interamerikanische Menschenrechtskommission (IAHRC) 91 Morde an Anwältinnen und Anwälten registriert«, wird in der Petition hervorgehoben. Die Gewalt beeinträchtigt negativ das öffentliche Leben in Honduras. Die Hauptgründe für die Gewalt liegen in der Armut, der Arbeitslosigkeit, dem Drogenhandel, der Frauen­feindlichkeit und in den schwerwiegenden Defiziten bei der Aufklärung und Verfolgung dieser Verbrechen, in die auch Staatsbedienstete involviert sind (also an den Verbrechen beteiligt sind bzw. diese decken).
Darüber hinaus liegen Beweise für die Einschüchterung von Zeuginnen und Zeugen, Richterinnen und Richtern sowie Anwältinnen und Anwälten vor. Wegen des Protests gegen den 2009 durchgeführten Staatsstreich wurden eine Richterin und drei Richter unrechtmäßig entlassen, wofür der honduranische Staat durch den Interamerikanischen Menschenrechtsgerichtshof im Jahr 2015 verurteilt wurde.
In der Petition heißt es weiter, der politische Druck von Autoritäten hohen Ranges, einschließlich der Generalstaatsanwaltschaft, liegt auf den StaatsanwältInnen und RichterInnen, die Fälle verfolgen, in denen die Polizei involviert ist. »Sowohl die Europäische Vereinigung von JuristInnen für Demokratie und Menschenrechte in der Welt (EJDM) und die Stiftung Day of the Endangered Lawyer, als auch die Organisationen von AnwältInnen und Juristinnen, die die Initiative unterstützen, fordern nachdrücklich die Übernahme der Verantwortung durch die honduranische Regierung für den hier beschrieben Zustand«.(3)
Die bisherigen Initiativen auf internationaler Ebene zum Schutz der in der Rechtspflege für Menschen- und Bürgerrechte Tätigen bleibt ein anhaltender, aber von großer Solidarität getragener Kampf, der fortgesetzt werden wird. 

Dina Meza(4) ist eine honduranische Menschenrechtsverteidigerin und Journalistin, die seit mehr als zehn Jahren wegen ihres Engagements und ihrer Recherchen immer wieder bedroht wird. Von der Interamerikanischen Menschenrechtskommission wurden für sie besondere Schutzmaßnahmen gefordert, die durch den honduranischen Staat nicht gewährt werden. Übersetzung aus dem Spanischen von Daniela Dreißig. Daniela Dreißig ist Politikwissenschaftlerin und Mitglied des Berliner Kollektivs ›Menschenrechtskette Honduras‹, Cadena de Derechos Humanos Honduras (CADEHO).

Fußnoten
(1) Der ›Tag des bedrohten Anwalts‹ wurde 2010 im Gedenken an vier Anwälte und einen Gewerkschafter eingeführt, die 1977 durch spanische Faschisten in Madrid ermordet wurden. Dieser Tag wird am oder um den 24. Januar jeden Jahres begangen.
(2) Spanisches Original unter: http://www.pasosdeanimalgrande.com/index.php/en/denuncias/item/1193-en-el-dia-del-abogado-amenazado-europa-se-moviliza-por-los-profesionales-asesinados-amenazados-y-acosados-en-honduras/1193“-en-el-dia-del-abogado-amenazado-europa-se-moviliza-por-los-profesionales-asesinados-amenazados-y-acosados-en-honduras.
(3) Die in der Petition formulierten Forderungen finden sich unter  www.rav.de/fileadmin/user_upload/rav/veranstaltungen/Petition_-_DAY_OF_THE_ENDANGERED_LAWYER_2016__ENG_.doc.pdf.
(4) Vgl. http://www.casa-amnesty.de/laender/hnd/pdf/pm_dina_meza_press_awards_2012.pdf.