Sie sind hier: RAV > PublikationenInfoBriefeInfobrief #101, 2008 > Editorial

Editorial

Vor Ihnen/Euch liegt die erste Ausgabe des Informationsbriefs in neuem Gewand. Vom Format gleich geblieben hat Farbe Einzug gehalten und wird
dies in Zukunft verstärkt tun. Das neue Layout ist luftiger und – wie wir denken – lesbarer. Dadurch werden sich der Gebrauchswert und die Attraktivität des Infobriefs hoffentlich vergrößern. Die Neugestaltung des Infobriefs geht einher mit einem Relaunch der Internetpräsenz des RAV. Momentan wird daran gearbeitet, die bisherigen Inhalte in die neue Form zu überführen. Mit dem Start der neuen Website ist in nächster Zeit zu rechnen. Sie wird sich nicht nur in der Gestaltung unterscheiden, sondern auch im Aufbau.
An der inhaltlichen Konzeption des Infobriefs hat sich derweilen noch nichts geändert. Er ist – wie in der Vergangenheit – eine Mischung aus vertiefender Analyse, Berichterstattung und Informationen verschiedenster Art.

In der Ausgabe 101 widmen wir uns im Schwerpunkt dem Kongress »Sicherheitsstaat am Ende«, der am 23. und 24. Mai 2008 in Berlin stattfand. Als »Kongress zur Zukunft der Bürgerrechte« angekündigt und vom Herausgeberkreis des Grundrechtereports veranstaltet, sollten auf der Tagung
Bilanz über den Stand der Bürgerrechtsbewegung in Deutschland gezogen und ein Ausblick versucht werden. Über das Konferenzgeschehen berichtet Sven Lüders, Geschäftsführer der Humanistischen Union. Das Fazit des zweitägigen Austausches von Wolfgang Kaleck sowie die Betrachtung von Tobias Singelnstein und Peer Stolle fallen eher zwiespältig aus. Beleuchtet der eine den Stand der Bürgerrechtsbewegung aus der Sicht einer engagierten Advokatur, weisen Singelnstein und Stolle auf Beschränkungen der bundesdeutschen Bürgerrechtsbewegung hin, die ihrer Ansicht nach notwendige Brückenschläge und politische Erweiterungen verunmöglichen. Vor
welchen Herausforderungen dabei das Spektrum der BürgerrechtlerInnen steht, zeigt der Beitrag von Volker Eick. In seinen Ausführungen geht
er der Frage nach, welche Folgen eine »Sicherheitsarchitektur zwischen Kommunitarismus und Kommerz« nach sich zieht.

Von einer weiteren Tagung berichtet Sebastian Scharmer außerhalb des Schwerpunkts. Das Komitee für Grundrechte und Demokratie lud vom 19. bis zum 21. September nach Bonn ein. In Kooperation mit der Holtfort-Stiftung standen im Zentrum dieser »öffentlichen Anhörung« der Austausch und die Verständigung über die aktuelle Entwicklung der Gefängnispolitik und
die Bedingungen des Knastalltags.

Welche Auswirkungen die historische Niederlage der CSU bei den bayrischen Landtagswahlen am 28. September haben wird, ist derzeit noch unklar. Fest steht, sie ist auf einen Koalitionspartner angewiesen. Ihre Bereitschaft, sich
an der Regierung zu beteiligen, hat die FDP des Freistaats erklärt – mahnt aber Korrekturen bei zwei Maßnahmen der »Inneren Sicherheit« an: die Online-Durchsuchungen durch Polizei und Verfassungsschutz sowie das bayerische Versammlungsrecht. Was dabei im Fall des Versammlungsrechts auf dem Spiel steht, zeigt Andrea Lex.

Detlev Beutner und Jörg Eichler weisen auf Allmachtsfantasien ganz anderer Art
hin. Dabei geht es nicht nur um die Verfahrensführung eines Richters am Amtsgericht Zittau, sondern auch um das Verhalten der zuständigen
Staatsanwaltschaft und ihren Umgang mit der »Sperrberufung«.

Thematisch und geografisch schlägt HannesHonecker eine Brücke von Deutschland hin zur Frage des Menschenrechtsschutzes im interna-
tionalen Rahmen, wenn er die von Khaled El Masri vor dem Verwaltungsgericht Berlin eingereichte Klage resümiert. Rund 9.000 Kilometer südöstlich von Berlin hat die juristische Aufarbeitung der Herrschaft der Roten Khmer in
Kambodscha (1975-79) vor dem internationalen Gericht in Phnom Penh (Extraordinary Chambers in the Courts of Cambodia) begonnen. Die
erstmalige Beteiligung von zahlreichen Opfern als NebenklägerInnen mit vollen prozessualen Rechten in einem internationalisierten Strafgericht stellt laut Silke Studzinsky »eine ungeheure Herausforderung dar«. Sollte dieses experimentelle Projekt gelingen, könnte Kambodscha eine Vorreiterrolle für künftige internationalisierte und internationale Tribunale spielen.

Eine Pionierfunktion hat schon heute die Entscheidung des obersten italienischen Gerichtshofs, über die Martin Klingner berichtet, dass griechische NS-Opfer in Italien Entschädigungsansprüche gegen Deutschland durchsetzen können.

Abgerundet wird der Infobrief in seiner 101. Ausgabe durch unsere Fortbildungsangebote am Ende des Heftes.
An dieser Stelle möchten wir nicht versäumen, alle Interessierte zu unserer kommenden Vorstandssitzung und Mitgliederversammlung
Ende November in Berlin einzuladen. Auf ihr wird eine neue Etappe des RAV eingeleitet werden. Nach neun Jahren wird Wolfgang Kaleck nicht mehr als Vereinsvorsitzender zur Verfügung stehen. Nach dem Ausscheiden von ins-
gesamt vier weiteren Vorstandsmitgliedern kandidieren vornehmlich jüngere KollegInnen für den Vorstand. Damit wird jedoch nicht sogleich eine Änderung der Arbeit des Vereins einhergehen, wollen doch vor allem die KollegInnen
nun die Verantwortung übernehmen, die ohnehin schon seit Jahren über Arbeitsgruppen und den erweiterten Vorstand in die Politik des RAV
hineinwirken. Die neuen KandidatInnen seien gleichwohl kurz vorgestellt.
Berenice Böhlo vertritt den Verein in der EDA und ist dort in der Kommission Ausländerrecht vornehmlich mit der europäischen Dimension des Ausländerrechts an den EU-Außengrenzen beschäftigt. Franziska Nedelmann hat sich insbesondere im Arbeitskreis Ausländerrecht betätigt, aber auch den Anwaltlichen Notdienst in Heiligendamm mit aufgebaut. Peer Stolle beschreibt seit Jahren die Entwicklungen in der Politik der »Inneren Sicherheit« und hat sich maßgeblich am Aufbau des Anwaltlichen Notdienstes in Heiligendamm beteiligt. Karen Ullmann gehört seit Langem zu den Expertinnen
des Vereins im Polizei- und Freiheitsentziehungsrecht und engagiert sich im Anwaltlichen Notdienst im Wendland.
Aus dem bisherigen Vorstand kandidieren Andrea Würdinger, Martin Lemke, Wolf Dieter Reinhard, Gabi Heinecke und können so für die Kontinuität der Vereinsarbeit sorgen. Auf der Sitzung wird der scheidende Vorsitzende Wolf-
gang Kaleck einen Abschiedsvortrag halten. Wir hoffen, dass zahlreiche KollegInnen zur Mitgliederversammlung und Wahl des neuen Vorstandes sowie zur Diskussion am 28. November 2008 kommen werden.

Viel Anregung bei der Lektüre wünschen,
Martin Beck und Hannes Honecker