Extraordinary Renditions und der Military Commissions Act

Morton Sklar Am 13. Juli 2006 hat die "Word Organisation for Human Rights USA" einen förmlichen Antrag an das US-Justizministerium gerichtet, ein unabhängiges Gremium einzurichten, das Ermittlungen bezüglich aller möglichen Verstöße gegen US-Strafgesetze, die von Personen begangen worden sind, die an der Verbringung des Terrorismus verdächtigter Häftlinge ins Ausland beteiligt oder diese vorbereitet haben, wo die Häftlinge Verhörungen unter Anwendung von Folter und anderen grausamen, unmenschlichen und herabsetzenden Maßnahmen unterzogen wurden.

Verpflichtung der US-Justizbehörden zur Einleitung von Ermittlungen wegen der Rendition-Fälle

Wir haben diesen Antrag als Reaktion auf zahlreiche, verlässliche Berichte und gestützt auf umfangreiches Urkundenmaterial, welches die Beteiligung von Beamten, Angestellten und Vertragspartnern der US-Regierung an "extraordniary renditions" oder Urteilssprüchen zur Folterung nahe legt. Diese öffentlich zugänglichen Berichte weisen auf konkrete Ereignisse hin, die ernsthafte Verbrechen im Sinne der Strafbestimmungen der USA darstellen, wie z.B. Folter (18 U.S.C. §§ 2340-2340A), Verschwörung (conspiracy) Folterungen zu begehen (18 U.S.C. § 2340A(c)), Entführungen (18 U.S.C. § 1201), schere sexuelle Nötigungen (18 U.S.C. § 2241), und schwere Körperverletzungen (18 U.S.C. § 113). Dennoch hatte das Justizministerium zum Zeitpunkt der Einreichung unserer Strafanzeige keine Strafverfolgungsmaßnahmen im Bezug auf die Straftaten im Zusammenhang mit den "extraordinary renditions" eingeleitet und hat dies auch bis dato nicht getan. Die Benennung eines unabhängigen Gremiums zur Ermittlung derartiger Verbrechen wird vom "Ethics in Government Act", 28 U.S.C. §§ 591-599 angeordnet. Der US-Congress hat dieses Gesetz verabschiedet, um Strafermittlungen gegen hohe Regierungsbeamten zu ermöglichen und auf diese Weise das Gleichgewicht zwischen den Verfassungsorganen zu sichern und Straflosigkeit zu verhindern. Bezüglich der "extraordinary reditions" behaupten Berichte von Menschenrechtsorganisationen und Journalisten, dass ranghohe Beamte des Weißen Hauses, des Justizministeriums, anderer Ministerien und der Geheimdienste beteiligt waren, die in Frage stehenden Verbrechen geplant, autorisiert und/oder begangen haben, was die Notwendigkeit unabhängiger Ermittlungen umso mehr begründe. Gemäß 28 U.S.C. §§ 591-599 ist der Generalbundesanwalt zur Einleitung von Vorermittlungen verpflichtet, um die Notwendigkeit eines unabhängigen Gremiums zur Verhinderung eines Justizirrtums zu prüfen, wenn folgende Voraussetzungen gegeben sind: (1) dem Generalbundesanwalt liegen Anhaltspunkte vor, dass ein Verbrechen i.S.d. Bundesgesetze begangen wurde,
(2) diese Straftat ist von einem der im Gesetz enummerativ aufgeführten hochrangigen Amtsträger begangen worden, und
(3) die dem Generalbundesanwalt vorliegenden Informationen sind hinreichend konkret und stammen aus einer verlässlichen Quelle. Zusätzlich autorisiert das Gesetz den General Bundesanwalt, die gerichtliche Anordnung eines unabhängigen Ermittlungsgremiums anzufordern, um ähnliche Anschuldigungen gegen niederrangige Beamte einzuleiten, wie zum Beispiel gegen am "Reditions"-Programm beteiligte CIA-Beamte, sofern dies im öffentlichen Interesse ist. Sofern die Vorermittlungen genügend Hinweise liefern, die weitere Ermittlungen rechtfertigen, oder wenn die Vorermittlungen nicht innerhalb von neunzig Tagen zu einem Ergebnis kommen, muss der Generalbundesanwalt nach dem Gesetz die "Special Division of the Federal Court of Appeals for the District of Columbia Circuit" um die Ernennung eines unabhängigen Ermittlungsgremiums anrufen. Für den Fall, dass der Generalbundesanwalt oder Mitarbeiter des Justizministeriums mit den Tatvorwürfen in Verbindung stehen, verlangt 28 U.S.C. § 591(d)(2) von den betroffenen Personen innerhalb von dreißig Tagen eine schriftliche Versicherung, dass sie sich die Ermittlungsarbeiten nicht beeinflussen werden.

Das Justizministerium Gonzales hat kein Ermittlungsverfahren eingeleitet

Trotz der im "Ethics in Government statute" eindeutig geregelten Verpflichtungen und Fristbestimmungen, hat uns das Justizministerium weder über irgendwelche Maßnahmen zur Einleitung der von uns beantragten Ermittlungen informiert, noch hat es die Angelegenheit an die "Special Division of the Federal Court of Appeals for the District of Columbia Circuit" weitergeleitet, wie es das Gesetz verlangt, wenn weitere Untersuchungen notwendig oder anderen falls aussichtslos erscheinen. Unser Antrag von 2006 bezüglich der "reditions" ist nicht unsere erste Bemühung bei Justizministerium um die Einleitung notwendiger Ermittlungen im Zusammenhang mit "redition to torture" und anderen im "Krieg gegen den Terror" begangenen Menschrechtsverletzungen gewesen. Zwei Jahre zuvor, am 24. Juni 2004, haben wir eine Beschwerde eingereicht, in der wir die Einleitung von Ermittlungen und Strafverfolgungsmaßnahmen gegen die Verantwortlichen für Folterungen terrorverdächtigter Häftlinge im Irak und in Afghanistan und anderenorts forderten. Obwohl es einige Strafverfahren gegen niederrangige Personen gab, die beschuldigt wurden, an Folterungen von Häftlingen teilgenommen zu haben, ist keiner der höher-rangigen US-Regierungsbeamten oder der Offiziere, die auch mit den Straftaten im Zusammenhang standen, angezeigt worden.

Der Military Commissions Act schafft Immunität für militärische Amtsträger

Seitdem wir diesen Antrag gestellt haben, hat die US-Regierung die Misstände verstärkt, indem sie den "Military Commissions Act" [im folgenden MCA, Anm. der Übersetzerin] erlassen hat. Das im Oktober 2006 in Kraft getretene Gesetz enthält Regelungen, die zivilen und militärischen Amtsträgern Immunität gegen Strafverfolgung und Schadensersatzklagen wegen an mutmaßlichen Terroristen begangenen Straftaten verleihen sollen. Um diesen Zweck zu erreichen, beschränkt der MCA die Anwendbarkeit des War Crimes Act, 18 U.S.C. § 2441 - ein US-Gesetz, das die Verletzung des gemeinsamen Artikel 3 der Genfer Konventionen kriminalisiert - auf eine sehr geringe Anzahl von Verbrechen. Dementsprechend sind Straftaten, die im Zusammenhang mit Anti-Terror Maßnahmen stehen und die nach Völkergewohnheitsrecht als Kriegsverbrechen eingestuft werden, nach US-Recht strafrechtlich nicht mehr relevant. Darüber hinaus entzieht Section 7(a) des MCA den Gerichten die Zuständigkeit für sämtliche Verfahrensschritte "gegen die Vereinigten Staaten oder deren Amtsträger, die in irgendeinem Zusammenhang mit der Inhaftierung, Verlegung, Behandlung, Gerichtsverfahren oder Haftbedingungen eines Ausländers stehen, der von den Vereinigten Staaten gefangen genommen wurde und der von den Vereinigten Staaten als ordnungsgemäß festgesetzter feindlicher Kämpfer eingestuft worden ist oder eine derartige Einstufung zu erwarten ist." Section 7(b) weitet rückwirkend diese Unzuständigkeitsbestimmung auf Kriegsverbrechen und Verbrechen gegen die Menschlichkeit aus, die an seit dem 11. September 2001 Inhaftierten begangen wurden. Section 5(a) des MCA bestimmt weiterhin, dass sich "keine Person auf die Genfer Konventionen als Anspruchsgrundlage berufen kann". Diese Regelung wird durch die Ergänzung in Section 8 (b) des MCA verstärkt, die es militärischen und zivilen Regierungsbeamten ermöglicht, sich mit der Behauptung wirkungsvoll gegen straf- oder zivilrechtliche Vorwürfe wegen Kriegsverbrechen und anderen schweren Menschrechtsverbrechen ausländischer Strafhäftlinge mit der Begründung zu verteidigen, sie hätten aufgrund rechtlichen Hinweises gehandelt oder wären diesem gefolgt. Wenn diese Bestimmungen des MCA wie beschrieben angewendet werden, kann jedes zivil- oder strafrechtliche Verfahren gegen Regierungsbeamten oder gegen die US-Regierung selbst wegen Verletzung international anerkannter Menschenrechte ohne Sachverhaltsprüfung sofort abgewiesen werden. Genau dies scheint die Bush-Regierung zu tun. Einen Tag nachdem das MCA durch die Unterzeichnung des Präsidenten in Kraft getreten ist, hat die US-Regierung angefangen, anhängige habeas corpus-Klagen von in Guantánamo Bay inhaftierten Häftlingen unter Hinweis auf die Bestimmungen des MCA einzustellen. Hierbei wurde auf die Unzuständigkeit der Gerichte, über die geltend gemachten Ansprüche zu entscheiden, und insbesondere auf die Unanwendbarkeit der Genfer Konventionen hingewiesen. AM 13. Dezember 2006 stimmte ein "U.S. District Court" der Regierung insoweit zu, als es feststellte, dass der MCA dem Gericht die Zuständigkeit entzogen habe, über Ansprüche von Guantánamo-Häftlingen zu entscheiden.

Es fehlt der Wille die Verantwortlichen der Folterungen zur Verantwortung zu ziehen

Die erfolgreichen Bemühungen des Justizministerium, Immunitätsgewährleistungen in den MCA einzubeziehen, zeigen den fehlenden Willen, Personen, die für das Planen, Anordnen oder Ausführen der "extraordinary renditions" verantwortlich sind, oder andere hochrangige Verantwortungsträger für die Folterungen von mutmaßlich terrorverdächtigen Häftlingen im Irak und in Afghanistan und anderenorts zur Verantwortung zu ziehen. Dieser Eindruck wird durch die Nichteinleitung unabhängiger Ermittlungen bezüglich der aufgeführten, nach dem US-Recht strafbaren Menschrechtsverbrechen durch das Ministerium und dessen Bemühungen, anhängige Verfahren von mutmaßlich terrorverdächtigen Häftlingen einzustellen, verstärkt. Aus diesem Grund unterstützt unsere Menschrechtsorganisation die Anzeigenerstattung bei der Staatsanwaltschaft in Deutschland und in anderen Nationen als einzige Möglichkeit, Ermittlungen bezüglich der Vorgesetztenveranwortlichkeit von hochrangigen zivilen und militärischen U.S.-Amtsträgern für Folterungen und andere schwerwiegenden Menschenrechtsverbrechen, die im Zusammenhang mit den Anti-Terror-Maßnahmen begangen werden, durchzuführen und mittels derer zum jetzigen Zeitpunkt Gerechtigkeit und Verantwortlichkeit für diese Verbrechen gewährleistet werden kann. Zwischenüberschriften von der Redaktion * Morton Sklar ist Geschäftsführers der "Word Organisation for Human Rights USA", einer Nichtregierungsorganisation für Menschenrechte mit Sitz in Washington D.C., die gleichzeitig das Menschenrechtsgruppen-Netzwerk "World Organisation Against Torture" in den USA repräsentiert. Sklar war Richter an einem der beiden internationalen Gerichten der "Organisation of American States" (OAS) von 1996 bis 2005. Der Beitrag ist ein gekürztes so genanntes Affidativ, das der Verfasser der Strafanzeige, Wolfgang Kaleck als Expertengutachten gegenüber der Bundesanwaltschaft eingereicht hat.