USA sind heute Gegner der Menschenrechte

Steven Geyer Experten: Europa muss Folterverbot gegen Amerika verteidigen /Hoffnung auf Gerichte. Das vom Völkerrecht vorgeschriebene absolute Folterverbot ist nicht nur gefährdet, sondern de facto bereits abgeschafft - vor allem durch den Anti-Terror-Kampf der USA. Zu diesem Urteil sind Juristen und Historiker bei einer zweitägigen Fachtagung in Berlin gelangt. Nun seien Europa und die Gerichte in der Pflicht. Berlin - "Die USA haben sich vom weltweiten Führer im Kampf für die Menschenrechte während des Zweiten Weltkriegs zum Gegner der Menschenrechte entwickelt", erklärte Alfred McCoy, Geschichtsprofessor der Universität von Wisconsin und international renommierter Folter-Experte. Sogar Berichte des US-Militärs belegten, dass die CIA im Gefangenenlager Guantánamo auf Kuba Praktiken anwenden, die etwa das Rote Kreuz als Folter einstuft: Isolationshaft, gezielte Demütigung und bestimmte Fesseltechniken. McCoy war Hauptredner einer Konferenz zum Folterverbot, die die Menschenrechtsorganisation Amnesty International am Freitag und heutigen Samstag in Berlin veranstaltet. "Wir wollen auf die akute Bedrohung des Folterverbots hinweisen", sagte Dawid Bartelt von Amnesty. Laut McCoy wird das Folterverbot bereits täglich gebrochen - allein in Guantánamo, wo mehr als 400 Menschen interniert sind. Seit das US-Parlament die dortige Praxis jüngst gesetzlich absicherte, sei Druck am ehesten durch internationale Gerichte zu erwarten. Wolfgang Kaleck vom Republikanischen Anwälteverein, der 2004 die US-Regierung wegen Kriegsverbrechen im Irak anzeigte, sieht immerhin eine "kleine Erfolgsgeschichte der juristischen Auseinandersetzungen um Guantánamo": Die USA seien "vorerst damit gescheitert", rechtliche Fesseln abzulegen. In England, Deutschland und vom US-Supreme Court wurden unbefristete und gerichtlich nicht überprüfbare Verhaftungen und Folter als Vernehmungsmethode untersagt. "Es liegt nun an Europa, sich auf Basis seiner Menschenrechts-Charta für das Völkerrecht einzusetzen, auch gegen die USA", sagt McCoy. Die Missachtung des Folterverbots durch die USA weiche sonst die Standards auf: "Es besteht eine Verbindung zwischen dem Präzedenzfall USA und der Debatte um Ausnahmen, wie in Deutschland im Fall Daschner geschehen, als ein Polizeivizepräsident dem Verdächtigen mit Gewalt drohte." Derweil bestätigte das Internationale Rote Kreuz (ICRC) am Freitag in Genf, erstmals mit 14 mutmaßlichen Anführern des Terrornetzes El Kaida gesprochen zu haben, die seit vier Jahren im Gefangenenlager Guantánamo inhaftiert sind. Darunter sei auch Chalid Scheich Mohammed gewesen, der die Anschläge vom 11. September geplant haben soll. * Frankfurter Rundschau vom 14. Oktober 2006, Nachdruck mit freundlicher Genehmigung von Verlag und Autor.