GE-Ident: Zweckbestimmung - Abschiebung

Rüdiger Jung Seit einigen Jahren macht eine neue Abteilung des LKA Berlin immer wieder von sich Reden und verbreitet besonders unter kurdischen Migranten aus dem Libanon Angst und Schrecken: die GE-Ident.

Die Gemeinsame Ermittlungsgruppe Identität wurde gegründet aus Mitarbeitern des LKA und der Berliner Ausländerbehörde. Unabhängig von dem konkreten Deliktsvorwurf sollen mehr als zehn Beamte der GE-Ident alle tatsächlichen bzw. vermeintlichen Straftaten aufklären, die im Zusammenhang mit angeblichen Identitätstäuschungen von Ausländern stehen, die diese zur Erlangung von Aufenthaltstiteln und/oder Sozialleistungen begangen haben sollen. Die Besonderheit dieser Gemeinsamen Ermittlungsgruppe liegt in ihrem Zweck und den damit verbundenen einseitigen Ermittlungen: Die Zusammenarbeit von LKA und Ausländerbehörde dient der Beendigung des Aufenthalts der Betroffenen in Deutschland und nicht allein der Aufklärung von Straftaten. Dies unterscheidet diese Sonderkommission von anderen Kommissionen.

Absoluter Schwerpunkt dieser Arbeit ist die Zielgruppe der Kurden, die zur Zeit des libanesischen Bürgerkrieges in die BRD flohen. Fast flächendeckend versucht die GE-Ident, diesem Personenkreis nachzuweisen, sie seien keine Kurden aus dem Libanon, sondern türkische Staatsangehörige, die die deutschen Behörden betrogen und belogen hätten.

Für die GE-Ident reicht es aus, ein türkisches Geburtenregister aufzutun, in dem die Betroffenen eingetragen sind. Dabei arbeitet die GE-Ident bei ihrer "Aufklärungsarbeit" gänzlich unbeleckt von historischen Fakten, die das Phänomen der so genannten Doppelregistrierung sowohl in der Türkei, als auch im Libanon, erklärlich machen:

Mit dem Ende des Osmanischen Reiches setzten mehrere Fluchtwellen der arabischsprachigen kurdischen Volksgruppe der Mahalmi ins heutige Syrien und den heutigen Libanon ein. Die in den Libanon emigrierten Kurden, die auch dort nicht Fuß fassen konnten, sahen sich zu Beginn des libanesischen Bürgerkrieges in den 1970er Jahren genötigt, sich an ihre Herkunft zu erinnern und sich Fluchtwege aus dem Libanon zu verschaffen, etwa durch eine – inhaltlich unrichtige – Registrierung in der Türkei. Der Eintrag in die Datei wurde dann oft von mehr oder weniger weit entfernten Verwandten oder Bekannten in der Türkei organisiert.

Die Zielvorgabe – den Nachweis der türkischen Identität – vor Augen, arbeitet die GE-Ident mit enormem Verfolgungseifer, der leider durch wenig Objektivität und Sachkenntnis gekennzeichnet ist. Falls es dem LKA gelingt, türkische Registerauszüge über kurdische Flüchtlinge zu erhalten, dann ist für die GE-Ident der Fall klar: Wer mit anderem Namen, anderem Geburtsort und anderen Geburtsdaten in einem türkischen Geburtenregister auftaucht, dessen "wahre" türkische Identität ist demnach bewiesen. Das führt die GE-Ident dann zu dem Schluss, dass der betreffende Ausländer die deutschen Behörden von Anfang an getäuscht hat, egal, ob er bei der Einreise bzw. zur Zeit seiner angeblichen Registrierung in der Türkei Kleinkind war oder ob für diese Kinder Original-Geburtsurkunden aus dem Libanon vorliegen oder nicht. Das geht soweit, dass Kinder libanesischer Kurden, die hier in der Bundesrepublik geboren wurden, aber - aus welchen Gründen auch immer - mit falschen Geburtsorten und -namen in einem türkischen Geburtenregister auftauchen, plötzlich durch die Arbeit der GE-Ident nicht nur ihre eigene Identität, sondern sogar ihre deutsche Staatsangehörigkeit verlieren.

All diesen, teilweise seit über 25 Jahren in Deutschland aufhältigen Familien droht die Entziehung ihres Aufenthaltes und, wenn sie schon eingebürgert sind, die Rücknahme ihrer Einbürgerung.
Die GE-Ident überzieht nun eine Vielzahl dieser Flüchtlinge, die auf eine solch bizarre Art und Weise nach einem jahrzehntelangen Aufenthalt in Deutschland zur Türken gemacht werden, mit Ermittlungsverfahren wegen Betruges, Verstoßes gegen das Aufenthaltsgesetz und Urkundsdelikten. Dazu entsprechend wurden bei der Staatsanwaltschaft Berlin in einem Extra-Dezernat, der Abteilung 68, besondere Staatsanwälte eingesetzt, die sich nur mit solchen Fällen befassen.

Die GE-Ident betreibt darüber hinaus auch eine massive einseitige Öffentlichkeitsarbeit. Jedes mal, wenn es ihr gelingt, einen Kurden, dem eine Registrierung in der Türkei nachgewiesen werden konnte, abzuschieben, wird das Landeskriminalamt breit in der Berliner Presse zitiert, in der es dann heißt, dass es dank GE-Ident wieder gelungen sei, die "wahre" Identität eines Kurden nachzuweisen und diesen in sein "Heimatland" abzuschieben. Es fehlt dann auch nicht der Hinweis auf die angeblich zu Unrecht gezahlten Sozialleistungen.

So ist die GE-Ident zur gehätschelten Sondertruppe von LKA, Ausländerbehörde und Staatsanwaltschaft geworden, mit der auf fatale Art und Weise Stimmung gegen vermeintlich kriminelle Ausländer gemacht wird und die ganze Familien über drei Generationen von Großeltern bis Enkelkindern mit Ausweisung und Abschiebung bedroht. Dass die GE-Ident die die Augen vor den historischen Fakten verschließt, liegt in der Zweckbestimmung der Zusammenarbeit zwischen LKA und Ausländerbehörde. Sie wird zur einseitig ermittelnden Behörde. Zumeist gelingt es erst im Strafverfahren, diese Voreingenommenheit herauszuarbeiten. Oft sind dann schon die betroffenen Kurden, weil die Staatsanwaltschaft bei diesem üblen Spiel mitmacht, unter Berufung auf die „festgestellte“ türkische Identität abgeschoben.