Hans Litten zum 100. Geburtstag
Die Veranstaltung als solche belegt noch einmal sehr deutlich, dass die Auseinandersetzung um den Nationalsozialismus, Juristen im Nationalsozialismus und Rechtsanwälte als Opfer und dem Widerstand gegen den Nationalsozialismus nicht mehr nur auf kleine innerhalb der Anwaltschaft marginalisierten Gruppen beschränkt ist. Noch 1988 hatten die damals eher isolierten, aber durchaus wirksamen Organisationen RAV und VDJ in Dachau, der letzten Station Hans Littens, den ersten Hans-Litten-Preis an die Rechtsanwältin Felicitas Langer/ Tel-Aviv und Barbara Hüsing/ Hamburg überreicht. Auf der Berliner Veranstaltung war der damals Beteiligte Kai Thomas Pohl, noch heute Vorstandsmitglied des RAV in seiner Eigenschaft als Präsident der Rechtsanwaltskammer Berlin zu hören. Heute residiert das Verbändehaus, dem „Littenhaus“ mit der Berliner und der Bundesrechtsanwaltskammer und dem DAV in der Berliner Littenstrasse. Die Berliner Anwaltskammer hat mit der 1998 erschienenen Untersuchung zum Schicksal der jüdischen Anwälte in Berlin nach 1933 von Simone Ladwig-Winters einen starken Impuls für eine Serie von Veranstaltungen, Ausstellungen und Untersuchungen in anderen Städten gegeben.
In diesem Zusammenhang ist auf ein letztes Jahr erschienenes Buch von Hans-Jürgen Schneider, Erika Schwarz und Joseph Schwarz „Die Rechtsanwälte der Roten Hilfe Deutschlands. Politische Strafverteidiger in der Weimarer Republik, Bonn 2002, hinzuweisen. Die Rote Hilfe Deutschland hatte 1932 359.811 Einzel- und über 651.281 Kollektivmitglieder. Sie organisierte Rechtshilfeschulungen, erstellte Broschüren und unterstützte die zahlreichen Gefangenen der von der bürgerlichen Klassenjustiz der Weimarer Republik „wegen ihrer revolutionären Tätigkeit Verfolgten“ sowie ihre Familienangehörigen. Ein erheblicher Teil der ausgeschütteten Gelder ging für die Verteidigung und den Rechtschutz bei Prozessen drauf. Das Buch enthält zunächst eine Einleitung zur Geschichte und dem Wirken der Roten Hilfe Deutschlands. Es stellt in der gebotenen Kürze die für die Linke im allgemeinen und das revolutionäre Proletariat im besonderen verheerende Situation der Justiz in der Weimarer Republik dar und verweist dabei zurecht auf die grundlegende Studie des Kollegen Heinrich Hannover (gemeinsam mit Eilisabeth Hannover-Drück. Politische Justiz 1918-1933). Einige ausgewählte Prozesse und Aktionen der RHD werden geschildert. Am Ende findet sich in Faksimile die legendäre, fast 100.000-mal verkaufte Rechtshilfe-Broschüre des Rechtsanwaltes Felix Halle „Wie verteidigt sich der Proletarier in politischen Strafsachen vor Polizei, Staatsanwaltschaft und Gericht?”. Kernstück des Buches ist jedoch die Zusammenstellung von Biografien von den etwa 300 im Rahmen der Roten Hilfe tätigen Anwälten zusammengestellt. Die Autoren haben in Zusammenarbeit mit der noch heute aktiven Roten Hilfe das Archiv der RHD ausgewertet und einen sehr verdienstvollen Beitrag zur Geschichtsschreibung der linken und engagierten Anwaltschaft geleistet. Die Kürze vieler – trotz Recherche – kurzer Biografien zeigt, wie nötig es wäre, das Schicksal der vielen wegen ihrer Berufsausübung, ihrer jüdischen Abstammung und ihres politischen Kampfes gestorbenen und verschollenen in Einzeluntersuchungen aufzuarbeiten. Der Anfang ist mit der vorliegenden Untersuchung gemacht, die im Übrigen einen weiteren Tiefpunkt der Geschichte nicht verschweigt: Der eben erwähnte Felix Halle wurde am 3.11.1938 in Butowo bei Moskau im Rahmen stalinistischer Säuberungen erschossen und war damit kein Einzelfall.