Vorstandsbrief

Liebe Kolleginnen und Kollegen,
auf der Mitgliederversammlung am 7. Dezember 2002 in Berlin hielt Prof. Dr. Fritz Sack aus Hamburg einen bemerkenswerten kriminalpolitischen Vortrag zum Thema "Governing Through Crime", der zu einer ebenso spannenden Diskussion unter den etwa zwanzig erschienenen Mitgliedern führte. Wir hoffen, den Beitrag noch schriftlich nachliefern zu können.
Vereinspolitisch wurde kontrovers über die Fachanwaltskurse und Fortbildungen diskutiert. Vor allem die zivil- und arbeitsrechtlich ausgerichteten Vereinsmitglieder forderten vom Vorstand, mehr Kurse anzubieten. Diese seien fachlich notwendig als Gegengewicht zu herkömmlichen Fortbildungsveranstaltungen und wichtig für die Kommunikation unter alten Mitgliedern; sie seien aber auch für die Gewinnung neuer Mitglieder bedeutsam.
Der Vorstand erläuterte die Entscheidung, Fachanwaltskurse nur noch dann stattfinden zu lassen, wenn die Kosten durch die entsprechende Zahl von Interessenten gedeckt werden können. Einigkeit bestand darüber, dass die Fachanwaltskurse besser, vor allem individueller beworben werden müssen und dass mehr Fortbildungen stattfinden sollten. Daher sind an dieser Stelle noch einmal alle potentiellen ReferentInnen und InteressentInnen von Fortbildungen aufgerufen, ihr Interesse der Geschäftsstelle kundzutun.
Ein neuer Vorstand wurde gewählt. Die einzige Veränderung gegenüber dem alten Vorstand ist die Wahl des jungen Kollegen Christian Avenarius aus Leipzig, der schwerpunktmäßig als Strafverteidiger tätig ist und der RAV-Aktivitäten in der Region Leipzig und Dresden entfalten will. Der ausgeschiedene Kollege Rainer Ahues hatte für den neuen Vorstand nicht mehr kandidiert (siehe die nachfolgende Liste der aktuellen Vorstandsmitglieder).
Die ersten Kritiken zum neuen Erscheinungsbild des Infoheftes und der Homepage sind positiv. Nun sind alle gefragt, diese Medien mit Inhalten zu bestücken. Wir, das sind vor allem Hannes Honecker und ich, bemühen uns redlich - nichts desto trotz sind all diejenigen, die an einer regelmäßigen oder temporären Mitarbeit an der Redaktion des Info und der Homepage interessiert sind, aufgerufen, ihr Interesse auch zu bekunden. Wir weisen außerdem auf das kleine Prospekt zur Vorstellung des Vereines, inklusive Beitrittsformular in aktualisierter Form hin, das bei der Geschäftsstelle erhältlich ist. Der RAV hätte nämlich neue Mitglieder durchaus nötig, da letztes Jahr eine ganze Reihe Kolleginnen und Kollegen den Anwaltsberuf an den Nagel hingen oder aus anderen Gründen die Mitgliedschaft kündigte. (Auf die zu erwartende Nachfrage: nur eine Handvoll Kollegen gaben inhaltliche Gründe für die Kündigung an.) Da wir aber unseren Haushalt im wesentlichen von Mitgliedsbeiträgen bestreiten, wäre es nicht schlecht, wenn jüngere Kolleginnen und Kollegen - auch solche mit Abneigungen gegen Vereinsmeierei - von einer Mitgliedschaft im RAV überzeugt werden können.
Wir bitten, das diesem Informationsbrief beigelegte neue überarbeitete Faltblatt an interessierte Kolleginnen und Kollegen weiterzugeben.
Mit freundlichen kollegialen Grüßen Wolfgang Kaleck, Rechtsanwalt

Aktuelle Vorstandsmitglieder

1. Vorsitzender Kaleck, Wolfgang, Rechtsanwalt 10405 Berlin, Immanuelkirchstraße 3-4 Tel.: (030) 446 792 16, Fax: (030) 446 792 20 Stellvertretende Vorsitzende:
Dierbach, Doris, Rechtsanwältin
22303 Hamburg, Barmbeker Str. 17-19
Tel.: (040) 270 22 17, Fax: (040) 279 20 51 weitere Vorstandsmitglieder:
Avenarius, Christian, Rechtsanwalt
04275 Leipzig, August-Bebel-Straße 64
Tel.: (0341) 305 54 90, Fax: (0341) 305 54 99 Demski, Ulf, Rechtsanwalt
17489 Greifswald, Käthe-Kollwitz-Straße 4
Tel.: (03834) 573 10, Fax: (03834) 573 115 Lemke, Martin, Rechtsanwalt
20357 Hamburg, Schulterblatt 124
Tel.: (040) 431 351 30, Fax: (040) 432 517 60 Pohl, Kay-Thomas, Rechtsanwalt u. Notar
10707 Berlin, Olivaer Platz 16
Tel.: (030) 884 20 60, Fax: (030) 884 20 655 Reinhard, Wolf-Dieter, Rechtsanwalt
20255 Hamburg, Osterstraße 122
Tel.: (040) 402 211 Würdinger, Andrea, Rechtsanwältin
10777 Berlin, Motzstraße 1
Tel.: (030) 215 68 03, Fax: (030) 215 68 13 Geschäftsführer:
Honecker, Hannes, Rechtsanwalt
10783 Berlin, Bülowstraße 10
Tel.: (030) 217 560 03, Fax: (030) 217 560 05

Vorspann

Das RAV-Info erscheint ein paar Tage später als geplant. In unserem ursprünglichen Konzept hatten wir vorgesehen, einige der Juristenerklärungen gegen den seinerzeit nur drohenden Irakkrieg zu veröffentlichen und zu ihrer Verbreitung aufzufordern.1 Zwei (von vielen) Stellungnahmen werden wir nachfolgend abdrucken. Die juristischen Argumente gegen den Krieg und auch gegen die Nichtbeteiligung/Beteiligung der Bundesrepublik (siehe dazu noch einmal den Artikel von Deiseroth im Info 89) sind nach dem Kriegsbeginn dieselben wie zuvor. Allerdings - und dessen sollten wir uns bei dieser Gelegenheit bewußt werden- ist uns unsere Ohnmacht nie deutlicher vor Augen geführt worden. Wir müssen einmal mehr feststellen, dass die Gerechtigkeit und selbst das geltende Recht im Konfliktfall der Macht weichen müssen. Der RAV-Vorstand engagierte sich schon während des Kosovo-Krieges 1999 mit juristischen Argumenten gegen diesen - damals noch gegen die Regierung Schröder-Fischer und ihre Unterstützer. Der damalige Krieg wurde als "humanitäre Intervention" kategorisiert und zumindest im Nachhinein von vielen Völkerrechtlern für völkerrechtskonform gehalten. Die meisten der damaligen Kriegsbefürworter sind heute Gegner des Irakkrieges. Die überwiegende Anzahl der Juristen, insbesondere der Völkerrechtler, halten den aktuellen Irakkrieg für völkerrechtswidrig. An dieser Stelle endet dann die Einigkeit zwischen der Bundesregierung und den meisten Kriegsgegnern: an dem Punkt nämlich, wo die Konsequenzen aus dem Befund der Völkerrechstwidrigkeit zu ziehen sind. Ein völkerrechtswidriger Krieg ist eindeutiger als andere Kriege ein Verbrechen. Die Beteiligung an einem Verbrechen verstößt gegen nationales und internationales Recht, insbesondere auch gegen Straftatbestände. Es wäre daher an der Zeit, diese Frage juristisch eingehender zu untersuchen und entsprechende Schritte einzuleiten. Die Einreichung der "üblichen" Strafanzeigen wegen Vorbereitung eines Angriffskrieges ist symbolisch gut gemeint, wird aber dem Problem wenig gerecht. Generalbundesanwalt Nehm hat die aktuelle Anzeigenserie wie schon 1999 in kürzester Zeit eingestellt. Es wäre schön, wenn sich im RAV und anderen Anwalts- und Juristenorganisationen Menschen fänden, die die Problematik im nationalen Recht aufarbeiten. Noch nüchterner muss man als Anwalt, bzw. als juristisch Informierter werden, wenn man sich den Verantwortlichen dieses Krieges zuwendet. Wenn überhaupt, wird der vielfache Menschenrechtsverletzer Saddam Hussein und einige seiner Getreuen als militärisch Besiegte sich vor einem Gericht zu verantworten haben. Schon dies gilt nur eingeschränkt : Denn wer rechtzeitig die Seiten wechselte, wie der für die Giftgaskampagne gegen die kurdische Stadt Halabja 1988 verantwortliche Ex-General Nizar Al-Kazaraji, scheint beim Nachkriegsmachtpoker im Irak ebenso gute Karten zu haben wie es der notorischen Menschenrechtsverletzer General Dostum im heutigen Afghanistan hat.

Vor wenigen Tagen sind die Richter des Internationalen Strafgerichtshofes in Den Haag vereidigt worden. Es wird sich zeigen, ob sich dort nur diejenigen Menschenrechtsverbrecher aus der Peripherie wiederfinden, die bei den Mächtigen der Metropolen in Ungnade gefallen sind.
Bush und die Seinen, die Chefs der Koalition der Willigen von den Salomon-Inseln bis Großbritannien haben noch größere Chancen ohne ein internationales Strafverfahren davonzukommen - es sei denn, ja, es sei denn unsere Kollegen und Freunde in Spanien und Großbritannien, die seit Wochen juristische Schritte gegen die Herren Aznar und Blair vorbereiten, sind erfolgreich. Unsere Unterstützung sollte ihnen gewiss sein. Daneben sollten die Verletzungen der Genfer Konventionen bei allen Kriegsparteien thematisiert und ihre Ahndung betrieben werden. Es gibt also durchaus eine Menge für engagierte Anwältinnen und Anwäkte zu tun, um der Gerechtigkeit oder zumindest dem Recht gegenüber der Macht zum Durchbruch zu verhelfen. Bisher geben wir Fußnoten zur Geschichte ab, es liegt an uns wie wirksam wir und unsere Argumente werden. Wolfgang Kaleck
26.03.2003

Fussnoten

1 Sie sind auf der RAV-Homepage
www.rav.de abgedruckt.