Rechtmäßigkeit des Krieges

Interview mit Dieter Deiseroth Die IALANA fordert die Bundesregierung auf, in der Vollversammlung der Vereinten Nationen die Einholung eines Rechtsgutachtens des Internationalen Gerichtshofs (IGH) zur Rechtmäßigkeit eines Krieges gegen den Irak zu beantragen. Art. 96 Abs. 1 der UN-Charta sieht ein solches Vorgehen ausdrücklich vor. Der RAV unterstützt diese Aufforderung.
Durch dieses Vorgehen würde eine Entscheidung getroffen über die von einigen Staaten behauptete Rechtmäßigkeit eines Präventivkrieges sowie des Einsatzes militärischer Gewalt, ohne eine diesen Einsatz ausdrücklich autorisierende Resolution des UN-Sicherheitsrates.
Mit einem solchen Rechtsgutachten würde die Bundesregierung auch eine Antwort auf die Frage erhalten, welche rechtlichen Bewertungen sie bei einer Entscheidung über eine indirekte Unterstützung eines Irakkrieges, z. B. durch Genehmigung von Überflugrechten, Zugrundelegen muss.
Angesichts der sich aus Art. 26 Abs. 1 des Grundgesetzes und § 80 des Strafgesetzbuches ergebenden drastischen Folgen einer Unterstützung eines völkerrechtswidrigen Angriffskrieges (Mindestfreiheitsstrafe von 10 Jahren) sollte die Bundesregierung ein hohes Interesse an der Klärung dieser Frage haben.
Dr. Dieter Deiseroth (Richter am Bundesverwaltungsgericht in Leipzig) ist u.a. Mitglied des Wissenschaftlichen Beirates der internationalen Juristenvereinigung IALANA, die sich für ein weltweites Verbot von Massenvernichtungsmitteln einsetzt. Wir drucken ein Interview ab, das die Tagesschauredaktion am 24. 3. 03 mit ihm führte.   tagesschau:
Wie bewerten sie den aktuellen Umgang der Bundesregierung mit völkerrechtlichen und verfassungsrechtlichen Fragen? Deiseroth:
Die Regierung ist in einer heiklen Situation. Es ist absolutes Neuland, dass sich die deutsche Regierung im Verein mit anderen Regierungen und zunehmender internationaler Unterstützung gegen einen ihrer Haupt-Verbündeten in einer wichtigen Frage wendet. Dabei müssen heikle politische Fragen geklärt und abgewogen werden, ohne gegen geltendes Recht zu verstoßen. Die Regierung versucht hier, die Balance zu halten.
Es gibt international eine breite Übereinstimmung, dass der Krieg der USA gegen den Irak völkerrechtswidrig ist. Allerdings berufen sich die Rechtsbrecher auf die Rechtmäßigkeit ihres Handelns. Sinnvoll wäre es, in dieser Frage eine gerichtliche Entscheidung, vor dem Internationalen Gerichtshof herbeizuführen. Die UN-Generalversammlung könnte die Völkerrechtsmäßigkeit eines solchen Krieges klären lassen. Vor diesem Gericht könnte diese Frage - die in der Bundesregierung offenbar nicht völlig geklärt ist - erörtert und entschieden werden. Das ist relativ leicht möglich, es gibt entsprechende Vorarbeiten. Ein solcher Beschluss könnte diese oder nächste Woche, wenn die Generalversammlung zusammentritt, gefasst werden. Der Internationale Gerichtshof würde innerhalb sehr kurzer Zeit ein Rechtsgutachten, eine advisory opinion vorlegen, das in der UN-Charta ausdrücklich vorgesehen ist. tagesschau:
Was für eine Relevanz hätte ein solches Gutachten in Zeiten des Krieges? Deiseroth:
Es klärt die Rechtslage. Ein alter Grundsatz, der bereits bei den Römern formuliert wurde, lautete zwar: "Unter den Waffen schweigen die Gesetze". Diesen Zustand haben wir aber in einer langen historischen Entwicklung weitgehend überwunden. Das Kriegführen ist grundsätzlich einem Einzelstaat verboten, es gibt nur zwei Ausnahmen, entweder Selbstverteidigung oder Ermächtigung durch den UN-Sicherheitsrat. Wenn das nicht vorliegt, handelt es sich um einen verbotenen Krieg. Missachtet ein Staat das, ist er ein Rechtsbrecher und muss sich dafür öffentlich kritisieren lassen und verantworten. Die UN-Charta zu übergehen und schwerwiegend zu verletzen hält aber auf Dauer kein Rechtstaat durch, weil er sich innerstaatlich und international rechtfertigen und an seinen eigenen Maßstäben messen lassen muss. Das Gespräch für die Tagesschau führte Anke Schwarzer. Wir bedanken uns bei der Tagesschauredaktion für die freundliche Genehmigung des Abdrucks.

tagesschau:

Die Diskussion um einen möglichen Abzug deutscher Soldaten aus AWACS-Maschinen ist in vollem Gange. Sehen Sie in der deutschen Beteiligung an AWACS-Flügen rechtliche Pflichten verletzt?