Folter im Rechtsstaat

RAV-Presseerklärung "Es sind Fälle vorstellbar, in denen auch Folter oder ihre Androhung erlaubt sein können, nämlich dann, wenn dadurch ein Rechtsgut verletzt wird, um ein höherwertiges Rechtsgut zu retten."
Geert Mackenroth, Vorsitzender des Deutschen Richterbundes am 20. 2. 2003 im Tagesspiegel Mit seiner Äußerung hat sich Herr G eert Mackenroth aus dem Kreis demokratischer Richter verabschiedet. Der Deutsche Richterbund, der etwa 8.000 Richterinnen und Richter in der Republik als Mitglieder zählt, sollte sich die Frage stellen, ob er sich von einem Vorsitzenden mit rechtsstaatswidrigen Vorstellungen repräsen-tieren lassen möchte.
Sollte es der Richterbund nicht wissen: Die Folter ist menschenrechtswidrig. Sie wird durch das Grundgesetz ohne Ausnahme verboten. Eine Rechtsgüterabwägung, wie sie Herr Mackenroth vorschlägt, sieht das Grundgesetz nicht vor. Entsprechend ist die Folter als Vernehmungsmethode verboten. Ein unter Folter erlangtes Geständnis darf in einem Strafverfahren nicht verwertet werden; dies gilt uneingeschränkt auch dann, wenn ein Vernommener etwa der Verwertung der unter Folter erlangten Aussage zustimmt. Gedanke, der hinter diesem Verbot steckt, ist, dass die Bürgerinnen und Bürger vor dem Staat in Kernbereichen absolut geschützt werden müssen.
Die Forderung nach der Zulassung der Folter dokumentiert ein überwunden geglaubtes Rechtsverständnis. Im Unterschied zu diktatorischen Staatsformen lebt der demokratische Rechtsstaat davon, dass der Zweck keinesfalls die Mittel heiligt. Die Bundesrepublik ist durch die Unterzeichnung der Antifolterkonvention und anderer internationaler Konventionen völkerrechtlich gebunden und glücklicherweise insoweit vor konventionswidrig denkenden und urteilenden RichterInnen geschützt.
Nicht vor Folter geschützt sind jedoch diejenigen Beschuldigten, bei denen die Staatsgewalt auch aufgrund der Äußerungen von Mackenroth glaubt, ein höherwertiges Rechtsgut retten zu müssen und dies auch folternd zu dürfen. Hannes Honecker
Rechtsanwalt/Geschäftsführer RAV
20. Februar 2003