Wir begrüßen grundsätzlich die gesetzgeberische Bestrebung, nach nunmehr sieben Jahren auch das Gebührenrecht der Anwaltschaft an die allgemeine Inflationsrate anpassen zu wollen. Der Regierungsentwurf beschreibt zurecht einleitend, dass die Kosten für den Kanzleibetrieb in den letzten sieben Jahren erheblich gestiegen sind und eine Anpassung der Gebühren daher geboten ist.
Auch wenn die Regelungen hinter den Forderungen der Anwaltschaft und der Bundesrechtsanwaltskammer zurückbleibt (vgl. gemeinsame Stellungnahme des DAV und der BRAK v. 31.07.2020 – Stellungnahme Nr. 40/2020), ist ihnen das Vorhaben, die Anwaltsvergütung insgesamt anzuheben und durch die Änderungen im Antragsverfahren von Prozesskostenhilfe den Zugang von Bürger*innen zum Recht zu erleichtern, größtenteils gelungen.
Umso unverständlicher ist vor diesem Hintergrund allerdings, dass im Bereich des Mietrechts mit der Änderung des § 41 Abs. 5 GKG de facto eine Kostensenkung verabschiedet werden soll. Zurecht lehnt die Anwaltschaft und die Bundesrechtsanwaltskammer in ihrer gemeinsamen Stellungnahme (a.a.O.) eine solche Änderung ab.
Dem können wir uns aus nachfolgenden Überlegungen nur anschließen:
(1) Die geplante Deckelung des Streitwertes bei Mängelfeststellungsklagen in § 41 Abs. 5 GKG ist nicht geeignet, den gesetzgeberischen Zweck zu erfüllen.
Es liegt auf der Hand, dass eine Deckelung des Streitwertes von Mängelfeststellungsklagen auf den Jahreswert (derzeit beträgt dieser nach BGH-Rechtsprechung den 3,5-fachen Jahreswert) unmittelbar auch zur Folge hat, dass die streitwertabhängige Vergütung der Anwält*innen sinkt.
Angesichts dessen, dass die anwaltliche Vergütung im Wohnraummietrecht bereits jetzt schon unter der Durchschnittsvergütung für die Bearbeitung zivilrechtlicher Angelegenheiten liegt, ist eine weitere Gebührensenkung nicht mehr tragbar. So hat der Kollege Rechtsanwalt Thomas Lutz auf dem diesjährigen Deutschen Mietgerichtstag in Dortmund veranschaulicht, wie sehr die Vergütung der Anwält*innen, die insbesondere Mieter*innen vertreten, hinter der der Kolleg*innen aus den anderen zivilrechtlichen Rechtsgebieten zurückliegt: Beispielhaft führte er aus, dass im Jahr 2018 die Durchschnittsvergütung für zivilrechtliche Angelegenheiten vor den Amtsgerichten bei 395,00 € netto lag. Die Vergütung arbeitsrechtlicher und verkehrsrechtlicher Angelegenheiten lag wegen der durchaus hohen Streitwerte mit 1.530,00 € und 650,00 € über diesem Durchschnitt. Die Vergütung in mietrechtliche Angelegenheiten lagen dagegen nicht nur unter der Vergütung der Kolleg*innen, sondern sogar noch unter dem Durchschnitt. Die Streitwerte der häufigsten Mandate im Wohnraummietrecht (Betriebskosten, Mängelbeseitigungen, Modernisierungen und Mieterhöhungen) liegen oft am unteren Ende der Streitwerttabelle, so dass die Vergütung der Anwält*innen oft nicht über 307,00 € netto hinauskommt.
(2) Die geplante Deckelung wird den Zugang zum Recht von Mieter*innen einschränken.
Der Regierungsentwurf verkennt die Tragweite des anwaltlichen Gebührenrechts auch außerhalb der Anwaltschaft. So geht die Vergütung von Anwält*innen – gerade im Bereich des Wohnraummietrechts – oft Hand in Hand mit der Gewährleistung des Zugangs zum Recht. Denn die Kehrseite von niedriger Anwaltsvergütung ist oft auch ein niedriges Bearbeitungsniveau. Können sich Anwält*innen nicht mehr leisten, Fälle mit geringen Streitwerten aber hohem Aufwand zu bearbeiten, wird die Bereitschaft sinken, diese angemessen sorgfältig zu bearbeiten. Kolleg*innen, die in ihrem Bearbeitungsstandard keine Abstriche machen möchten, wären sogar gezwungen, derartige Fälle konsequent abzulehnen.
Die Leidtragenden sind dabei oftmals jedoch nicht die Anwält*innen, sondern diejenigen, die auf anwaltliche Hilfe angewiesen sind. Dabei trifft es die finanziell Schwachen insbesondere, da diese sich kostspielige Honorarvereinbarungen, die ohnehin eher selten auf Mieter*innenseite zu finden sind, nicht leisten können. Daran ändert sich selbst dann nichts, wenn sie Anspruch auf Prozesskostenhilfe haben oder sogar auf eine Rechtsschutzversicherung zurückgreifen können. Denn diese rechnen ebenfalls streitwertbezogen nach dem Rechtsanwaltsvergütungsgesetz und dem Gerichtskostengesetz ab – zusätzliche Honorarkosten werden nicht übernommen.
Die geplante Änderung wird deshalb dafür sorgen, dass weniger Kolleg*innen solche Fälle bearbeiten können und noch weniger Mieter*innen sich eine solche Bearbeitung gegen angemessene Vergütung leisten können, so dass diese Fälle insgesamt abnehmen werden. Das löst die mietrechtlichen Probleme jedoch nicht, sondern verhindert lediglich, dass solche von den Gerichten mithilfe rechtlicher Beistände geklärt werden.
In der Praxis kommt hinzu, dass viele Mieter*innen rechtsschutzversichert sind. Entweder haben sie eine private Rechtsschutzversicherung oder sie sind Mitglieder in einer der über 300 örtlichen Mieterverein in Deutschland und genießen hierüber einen Prozessrechtsschutz. Die Zahl der Rechtsschutzversicherungsverträge steigt jährlich auf derzeit 22 Millionen. Ebenso wie im Bereich des Arbeits- und Verkehrsrechts sind Rechtsstreitigkeiten umfassend versicherungsfähig. Dies ist auch ein Grund für die im Vergleich zu anderen Rechtsbereichen relativ hohe Zahl an Verfahren. ›Selbstzahler‹, die dann eben auch nicht prozesskostenhilfeberechtigt sind, machen den weitaus kleineren Teil der mietrechtlichen Mandantschaft aus. Aber nicht nur sie, sondern allen Mieter*innen wird hierdurch der Zugang zum Recht erschwert, denn sie sind es, die die Klagen anstrengen müssen. Das kann nicht gewollt sein.
(3) Die geplante Kostensenkung nutzt entgegen dem Bemühen des Gesetzgebers den Gerichten, den Rechtsschutzversicherungen und den Vermieter*innen.
Mit dem Sinken der Fallbearbeitung im Bereich der Mängelfeststellungsklagen werden zwar möglicherweise die Gerichtsverfahren in diesem Bereich sinken und eine Entlastung der Gerichte zu beobachten sein. Dieser Effekt ist jedoch angesichts der bedenklichen Erschwerung des Zugangs zu gerichtlichem Rechtsschutz zulasten der Mieter*innen nicht gerechtfertigt.
Auch den Rechtsschutzversicherungen kommt die geplante Änderung zu Gute: Diese müssen in Zukunft entweder geringere Kosten als bisher decken oder bekommen solche Fälle aufgrund sinkender Bearbeitung wesentlich weniger auf den Tisch. Dies hat eine direkte Kostenersparnis zur Folge, steht aber den berechtigten Interessen der Mieter*innen als Versicherungsnehmer*innen diametral entgegen.
Von der Abnahme der Durchsetzung von Mieter*innenrechten profitieren schlussendlich auch Vermieter*innen, die nun weniger Gerichtsverfahren fürchten müssen. Die Intension der Gesetzesänderung war aber eine andere.
(4) Die geplante Kostensenkung verfehlt ihren sozialpolitischen Zweck.
Die geplante Änderung ist damit insgesamt ein Angriff auf die sozial Schwachen und verfehlt ihren sozialpolitischen Zweck. Sozial schwache Gruppen werden stärker als zuvor von der Teilhabe am Recht ausgegrenzt. Bereits in der Vergangenheit konnte beobachtet werden, wie bestimmte Bereiche des Wohnraummietrechts aufgrund unausgeglichener Kostenregelungen systematisch vom Recht abgeschnitten wurden: Im Bereich der Betriebskosten ist es bereits der Status quo, dass nur noch wenige Kolleg*innen solche Mandate bearbeiten, weil sie finanziell belasten.
Auch auf dem letzten Deutschen Mietgerichtstag 2020 in Dortmund wurde thematisiert, wie besorgniserregend die Entwicklung der anwaltlichen Vergütung im Wohnraummietrecht – insbesondere auf Mieter*innenseite – ist. Auch hier ist man zu dem Ergebnis gekommen, dass die Qualität der anwaltlichen Arbeit – so sie denn überhaupt noch stattfindet – massiv sinken wird zum Nachteil derer, die gute anwaltliche Arbeit nicht bezahlen können.
(5) Die Erreichung der angemessenen Anwaltsvergütung und der Teilhabe von sozial Schwachen am Recht kann anderweitig sichergestellt werden.
Langfristig sollte die Deckelung für bestimmte Mietrechtliche Streitigkeiten (§ 41 Abs. 5 GKG) gestrichen und nicht erweitert werden. Eine angemessene Vergütung dürfte auch ohne eine solche Deckelung gewährleistet sein. Die Einführung von Beitragsrahmengebühren statt der starren Gebührendeckelung könnte die fehlerhafte Relation zwischen Vergütung und Aufwand angemessen ausgleichen und ist zu begrüßen. Die Erleichterung des Zugangs zu Prozesskostenhilfe ist in diesem Zuge notwendig, um sozial Schwache den Zugang zum Recht zu erhalten.
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