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Urteile des Verwaltungsgerichts Schwerin zu rechtswidrigen Freiheitsentziehungen in den G8-Käfigen von Rostock

Pressemitteilung vom 5.10.2010
3 Jahre nach dem G8-Gipfel in Heiligendamm bestätigt das Verwaltungsgericht Schwerin in einer Vielzahl anhängig gemachter Klagen, dass die Ingewahrsamnahmen und die Haftbedingungen rechtswidrig waren und  Betroffenen zu Unrecht Telefonate mit Vertrauenspersonen und RechtsanwältInnen verweigert wurden. „ Die Gerichtsurteile bestätigen unsere Rechtsauffassung. Die Ingewahrsamnahmen waren von Beginn an rechtswidrig und die Inhaftierung in ‚Käfigen’ über einen längeren Zeitraum verstößt gegen die Menschenwürde. Das Vorgehen der verantwortlichen Polizeibehörden war in den überwiegenden Fällen willkürlich und wurde ohne jede Tatsachengrundlage sogar noch trotz gegenteiliger Richterentscheidungen fortgesetzt“ kommentiert Rechtsanwältin Britta Eder aus Hamburg. Bereits während des G8-Gipfels waren die Haftbedingungen in den Gefangenensammelstelle vom Anwaltlichen Notdienst, verschiedenen Menschenrechtsgruppen und dem RAV kritisiert worden. Die Polizei nutzt käfigartige Gefangenensammelstellen weiterhin bei Großdemonstrationen wie etwa den Castortransporten. Hintergrund: Mehr als 1100 Menschen waren während des G8-Gipfels in Rostock und Umgebung festgenommen und zu großem Teil in „Käfigen“ eingepfercht worden. Die „Käfige“, die in größeren Hallen auf nacktem Steinboden aufgestellt worden waren, waren überfüllt und nicht einmal mit Pritschen ausgestattet, so dass die Gefangenen auf dem blanken Boden liegen mussten. Rund um die Uhr wurden sie dort mit Hilfe von Videokameras überwacht. Einige der Betroffenen blieben auch in den „Käfigen“ noch mittels sog. Kabelbindern gefesselt. Ausreichend Trinkwasser oder Toilettengänge wurden verweigert, das Licht brannte 24 Stunden am Tag. Zudem wurde in vielen Fällen der Rechtsschutz vereitelt, Anwaltstelefonate lange Zeit verhindert, Haftrichter zu spät oder überhaupt nicht konsultiert. In ca. 95 % der Fälle, in denen eine Vorführung erfolgte, veranlassten die Haftrichter sofortige Entlassungen. 14 GlobalisierungskritikerInnen aus Hamburg, Niedersachsen, Sachsen-Anhalt, Brandenburg und Bayern hatten nach dem G8-Gipfel beim Verwaltungsgericht Schwerin Klagen wegen rechtswidriger Freiheitsentziehung, Fesselung, unmenschlichen Haftbedingungen und Verweigerung von Anwaltskontakten während ihrer Inhaftierung eingereicht. Zudem wurde Strafanzeige wegen Freiheitsberaubung u.a. gegen den Leiter der Gefangenensammelstelle gestellt. Gerichtsurteile: Im Laufe der anhängigen Verfahren hatte das Verwaltungsgericht Schwerin bereits vor einigen Monaten gegenüber den Prozessbeteiligten darauf hingewiesen, dass es die Rechtsauffassung der Kläger teile und ihre Klagen begründet sein dürften. Auch hinsichtlich der Art und Weise der Behandlung der KlägerInnen im Gewahrsam bestehe wohl ein Anspruch der KlägerInnen auf Feststellung der Rechtswidrigkeit. In Folge dessen erkannte auch die Polizeidirektion  Rostock an, dass die Klagen zu Recht erhoben wurden. Das Verwaltungsgericht Schwerin hat daraufhin sog. Anerkenntnisurteile erlassen und nicht nur festgestellt, dass die Ingewahrsamnahme als solches rechtswidrig waren, sondern darüber hinaus, „dass die Art und Weise der Behandlung im Gewahrsam, insbesondere die Unterbringung, die Videographie und die Fesselung der Klägerin wie auch die verspätete Gewährung bzw. Nichtgewährung eines Telefonats mit einer Person des Vertrauens rechtswidrig gewesen ist.“ Die Betroffenen werden nun durch ihrer Rechtsanwältinnen und Rechtsanwälte die Geltendmachung von Schadensersatzansprüchen prüfen lassen. Neben der Rehabilitierung ging es den Betroffenen bei den Feststellungsklagen auch darum, die Desinformationspolitik seitens der Polizei und des Schweriner Innenministers Lorenz Caffier (CDU) zu thematisieren und eine solche Praxis in Zukunft zu verhindern. Insbesondere Innenminister Caffier hatte nach dem G8-Gipfel mehrfach gegenüber Medien und Parlamentsausschüssen versucht, die Massenverhaftungen als legitim darzustellen, die unmenschlichen Haftbedingungen zu bagatellisieren sowie die Fesselung in den Gefangenensammelstellen und die Verweigerung von Anwaltskontakten zu leugnen. „Solch einem unverantwortlichen Handeln und einer derart menschenrechtswidrigen Praxis erteilten die Gerichte eine klare Absage“, kommentiert Britta Eder. Der RAV fordert die Polizei und die weiteren verantwortlichen Stellen in den Innenministerien des Bundes und der Länder auf, diese Entscheidungen ernst zu nehmen und bei Großereignissen, wie beispielsweise den bevorstehenden Massenprotesten gegen Atommüll-Transporte ins niedersächsische Gorleben, die Grundrechte protestierender Bürgerinnen und Bürger zu wahren. Für Rückfragen steht Ihnen Rechtsanwältin Britta Eder, Tel-Nr. 0176-207 56 46 oder 040/32033756 zur Verfügung. Pressemitteilung: Urteile des Verwaltungsgerichts Schwerin zu rechtswidrigen Freiheitsentziehungen in den G8-Käfigen von Rostock (PDF)