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Strafverfahren gegen G8-Gegner wegen „Autobahnblockade“ in Rostock-Laage eingestellt – Betroffene erstatten Anzeige gegen die ermittelnden Polizeibeamten wegen Freiheitsentziehung

Pressemeldung 1.11.2007

Die Staatsanwaltschaft rügt das pauschale Vorgehen der Polizei gegen 98 Mitfahrer der Pkws, die bei einer angeblichen Autobahnblockade festgenommen wurden. Die mittlerweile aufgelöste Sonderbehörde Kavala und das Innenministerium Mecklenburg-Vorpommerns hielt sich nicht an die rechtlichen Vorgaben der Staatsanwaltschaft Rostock und überzog willkürlich mutmaßliche Gipfelgegner mit Ermittlungsverfahren.

Am 6.Juni 2007 waren 98 Personen auf der BAB vom Flughafen Laage nach Rostock von der Polizei auf einen Parkplatz geleitet und dort festgenommen worden. Der Vorwurf lautet, sämtliche 98 festgenommenen Personen hätten gemeinsam mit insgesamt 23 Fahrzeugen versucht, eine Autobahn zu blockieren und sich damit der "kollektiven Nötigung" und eines gefährlichen Eingriffs in den Straßenverkehr schuldig gemacht. Alle Betroffenen waren mehr als 2 Stunden gefesselt in einem Polizeikessel auf dem Parkplatz festgehalten und dann in die Gefangenensammelstelle Industriestraße verbracht worden. Dort waren sie in Massenkäfigen verwahrt worden. Im Kessel und später in der Gefangenensammelstelle war ihnen der Kontakt zu den AnwältInnen des anwaltlichen Notdienstes verweigert worden. Erst kurz vor Mitternacht war ein Teil der Betroffenen sukzessive entlassen worden, ohne dass sie einen Richter sahen. Etwa 15 Personen wurden erst lange nach Mitternacht den Eilrichtern vorgeführt, die dann die Freilassung verfügten, weil gegen alle Betroffenen nichts vorlag.

Die ehemalige Sonderpolizeibehörde Kavala leitete entgegen der rechtlichen Einschätzung der Staatsanwaltschaft Rostock gegen alle Betroffenen ein Ermittlungsverfahren ein. Die Staatsanwaltschaft verfügte darauf am 5. September 2007 die Einstellung der Verfahren.

Sie führt in ihrer Einstellungsverfügung aus:

"Ein Blockieren dieser Autobahn ist bereits möglich, wenn nur zwei Fahrzeuge ihre Geschwindigkeit bis zum Stillstand verringern (...). Nicht ermittelt worden ist, warum aber genau 23 Fahrzeugführer aktiv an dem Abbremsen und dem "Hindernis bereiten" beteiligt gewesen sein sollen.

Unverständlich (...) ist weiterhin, warum gegen 86 Fahrzeuginsassen Strafanzeige wegen Mittäterschaft erstattet worden ist. Es heißt dazu in der Strafanzeige lediglich, dass diese "durch ihre Passivität" das Handeln der anderen Fahrzeugführer billigten."

Der Einstellungsvermerk führt weiter aus, dass "demonstrative Blockaden" nur dann Nötigung darstellen können, wenn Gewalt gegen Dritte ausgeübt wird. Die Ausübung von Zwang als Mittel zur Erregung von Aufmerksamkeit für politische Ziele sei zwar im einzelnen umstritten, setzt aber eine "Verwerflichkeit" im Verhältnis von Zweck und Mittel voraus, die hier nicht ersichtlich gewesen sei.

Die Staatsanwaltschaft hat daher die Einstellung aller Verfahren im Zusammenhang mit der vermeintlichen Autobahnblockade angeordnet.

Noch immer führt das Innenministerium Mecklenburg-Vorpommerns in seinen Abschlußberichten diese Ermittlungsverfahren als Beweis der "Gewaltbereitschaft" der Gipfelgegner auf. Augenscheinlich nutzten Innenministerium und seine ehemalige Sonderbehörde Ermittlungsverfahren auch gegen rechtliche Bedenken zur Sanktionierung von Gipfelgegnern und zu politischen Zwecken.

Einige der Betroffenen haben nun eigene Strafanzeigen wegen Freiheitsberaubung gegen die Polizei einreicht. Auch sind noch Verfahren vor dem Amtsgericht Rostock, dem Landgericht Rostock und dem Verwaltungsgericht Schwerin wegen nachträglicher Feststellung der Rechtswidrigkeit der Freiheitsentziehung, der Fesselung und der Käfighaltung noch anhängig.


Kontakt:
Rechtsanwältin Ulrike Donat
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