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Die hier im folgenden dokumentierte Resolution wurde am Sonntag, den 26.3.2017, vom RAV beim 41. Strafverteidigertags in Bremen eingebracht und dort ohne Gegenstimmen mit 2 Enthaltungen verabschiedet:
Resolution zur Lage in der Türkeiverabschiedet durch das Plenum des 41. Strafverteidigertages am Sonntag, 26. März 2017
Mit dem für den 16. April 2017 geplanten Referendum steuert die AKP-regierte Türkei auf eine Autokratie zu, die allein auf Staatspräsident Erdoğan zugeschnitten ist: An die Stelle der parlamentarischen Demokratie soll nun ein ›Präsidialsystem‹ à la AKP treten, in dem sich die Legislative, Exekutive und Judikative nicht mehr gegenseitig kontrollieren, sondern einem (all)mächtigen Staatspräsidenten unterstehen. Rechtsexperten der Venedig-Kommission des Europarates warnten Ende Februar 2017 ausdrücklich vor der Durchführung des Referendums, zumal angesichts des seit Juli 2016 geltenden Ausnahmezustandes sämtliche Kontrollsysteme fehlten, um einen demokratischen Rahmen für die Abstimmung zu schaffen.
In der Türkei herrscht ein Klima der Angst, in den kurdischen Gebieten herrscht Krieg. Regierungspolitiker der AKP bedienen sich öffentlich der Symbolik der rechtsextremen ›Grauen Wölfe‹ und bedrohen, verbieten und verhaften die Vertreter*innen der demokratischen Opposition unter dem Vorwand der Terrorbekämpfung. Seit dem Putschversuch im Juli 2016 wurden mehr als 47.000 Personen inhaftiert. Abgeordnete, Bürgermeister*innen, Richter*innen, Staatsanwält*innen, Rechtsanwält*innen, Journalist*innen, Gewerkschafter*innen sitzen zu Tausenden allein wegen ihrer Berufsausübung in Untersuchungshaft. Über 128.000 Menschen wurden entlassen, Medien geschlossen, Vereine – darunter auch diverse Anwaltsvereinigungen – verboten.
Die Rechte der Beschuldigten wurden per Notstandsdekret massiv eingeschränkt. Kontakte zur anwaltlichen Vertretung sind für Festgenommene und Gefangene erst nach fünf Tagen möglich und können überwacht werden. Akteneinsicht wird meist nicht gewährt. Offensichtlich rechtswidrige und allein von der gewünschten politischen Diktion geprägte Anklagen und Verurteilungen stehen auf der Tagesordnung. Eine unabhängige Justiz existiert nicht mehr.
Derzeit befinden sich ca. 300 Rechtsanwältinnen in Haft, insgesamt wird gegen über 700 Anwält*innen strafrechtlich ermittelt (Stand: 16. Februar 2017 ›Arrested Lawyers Initiative‹).
Die Teilnehmerinnen und Teilnehmer des 41. Strafverteidigertags erklären sich solidarisch mit den inhaftierten und den für die Demokratie und Freiheitsrechte kämpfenden Kolleginnen und Kollegen in der Türkei und fordern- die sofortige Freilassung der inhaftierten Rechtsanwält*innen sowie
- aller anderen unter rechtsstaatswidriger Beschneidung ihrer Beschuldigtenrechte inhaftierten Personen,
- die umgehende Einstellung der gegen sie geführten Ermittlungsverfahren und
- die Aufhebung der Verbote gegen die Anwaltsvereinigungen in der Türkei.
Auch in Deutschland dürfen sich Exekutive, Legislative und Judikative keinesfalls zum verlängerten Arm dieser rechtsstaatswidrigen Praktiken machen. Die Teilnehmerinnen und Teilnehmer des 41. Strafverteidigertages fordern weiter:
- Der polizeiliche und geheimdienstliche Informationsaustausch zwischen Deutschland und der Türkei ist unverzüglich zu beenden.
- Die Bundesregierung muss ihre Praxis hinsichtlich der Erteilung von Verfolgungsermächtigungen im Rahmen der sog. ›Terrorbekämpfung‹ revidieren und öffentlich dazu Stellung beziehen, dass es sich bei der Türkei gegenwärtig nicht um einen die Würde des Menschen achtenden Staat handelt, dessen Schutz eine Strafverfolgung in Deutschland rechtfertigen kann.
- Die Gerichte müssen mit großer Sorgfalt prüfen, ob die Verwertung von Dokumenten der türkischen Strafverfolgungsbehörden im Bereich der ›Terrorbekämpfung‹ angesichts der Anwendung von Folter, massiver Beschneidungen von Beschuldigtenrechten und Beweismittelfälschungen überhaupt noch in Frage kommen kann.
Resolution zur Lage in der Türkei (PDF)
Resolution zur Lage in der Türkei
(türkische Fassung, PDF)