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Ref.Entwürfe eines Gesetzes zur Reform des Mietspiegelrechts und zu einer Verordnung über den Inhalt und das Verfahren zur Erstellung und zur Anpassung von Mietspiegeln sowie zur Konkretisierung der Grundsätze für qualifizierte Mietspiegel

Stellungnahme des AK Mietrecht im RAV, 29.10.2020

Wir begrüßen die geplante Reform, denn sie stärkt die Mietspiegel, die in der Praxis bei der Feststellung der ortsüblichen Vergleichsmiete wichtig sind. Diese stellt die Grenze bei der Grundmietenerhöhung dar und ist Ausgangspunkt für die Mietpreisbremse.

Mietspiegel sind darüber hinaus wichtig für die Bestimmung der angemessenen Mieten nach SGB II/XII. Nur die angemessenen Mieten werden in der Regel von den Jobcentern im Rahmen des Arbeitslosengeldes II oder von den Sozialämtern im Rahmen der Grundsicherung übernommen.

In der jüngeren Vergangenheit gab es jedoch viel Streit um die Anforderungen an die Erstellung der Mietspiegel. In der Regel wurden die qualifizierten Mietspiegel von Seiten der Vermieter*innen mit dem Einwand angegriffen, sie seien nicht nach anerkannten wissenschaftlichen Grundsätze erstellt. Denn nur bei Einhaltung dieser Grundsätze wird bisher gesetzlich vermutet, dass die im Mietspiegel aufgeführten Werte die ortsübliche Vergleichsmiete abbilden. Die Wahrung dieser Grundsätze muss jedoch die Partei beweisen, die sich auf den Mietspiegel beruft. Für Mieter*innen ergeben sich daraus ganz erhebliche Kostenrisiken. Wenn das Gericht nicht doch im Wege der Schätzung die Mietspiegel notfalls auch als einfachen Mietspiegel anwendet, findet die Bestimmung der ortsüblichen Vergleichsmiete über Sachverständigengutachten statt. Diese Gutachten sind gleichfalls teuer und ihr Ergebnis kaum voraussehbar. Aber gerade darauf kommt es bei Mieterhöhung und Mietpreisbremse an. Durch eine exakte für beide Parteien im Vornherein bestimmbare Miethöhe kann Streit vermieden werden. Ein unwirksamer Mietspiegel nützt niemandem. Er schafft Rechtsunsicherheit und zwingt die Mieter*innen, aus Angst vor den Kosten eines Rechtsstreits einer höheren Miete zustimmen, auch wenn diese über der ortsüblichen Vergleichsmiete liegt. Das treibt die Erhöhung der ortsüblichen Vergleichsmiete weiter an. Für Bezieher*innen von Leistungen nach SGB II/XII führt das bei Überschreiten der Angemessenheitskriterien dazu, dass sie einen Teil der Miete aus dem existenzsichernden Regelsatz zahlen müssen oder ein Verlust der Wohnung droht.

Daher bedarf es dringend einer Stärkung des Mietspiegels. Die im Referentenentwurf dargestellte Lösung scheint dazu geeignet zu sein. Die nähere Bestimmung der Kriterien bei der Aufstellung der Mietspiegel, der Datenmenge und der Merkmale ist wichtig. Allerdings bedarf es in der Praxis einer ausreichenden Datenmenge. Die Anordnung von Auskunftspflichten ist daher folgerichtig.

Dagegen ist die Verlängerung der Frist zur Erstellung von Mietspiegeln zu überdenken. Außerdem sollten größere Gemeinden verpflichtet werden, einen qualifizierten Mietspiegel aufzustellen.

A. Vermutung und Beweiswirkung

Der Entwurf setzt richtigerweise bei den Beweisregeln an. Das wird zu einer Beschleunigung der Verfahren führen.

Der Gesetzentwurf sieht eine Staffelung vor:

  • Wenn Vorgaben der Mietspiegel-VO eingehalten werden, gilt der Mietspiegel als nach wissenschaftlichen Gründen erstellt.
  • Wenn Interessensverbände und die Behörde zugestimmt haben, wird die Erstellung nach wissenschaftlichen Gesichtspunkten vermutet.
  • Wenn der Mietspiegel nach wissenschaftlichen Grundsätzen erstellt wurde, wird vermutet, dass die dort angeführten Mieten die ortsüblichen Vergleichsmieten abbilden.
     

Diese Regelung ist zwar kompliziert, aber notwendig. Es bleibt allerdings das Risiko, dass einzelne Verbände den Mietspiegel nicht anerkennen und damit über die Aufstellung des Mietspiegels nach wissenschaftlichen Grundsätzen Beweis erhoben werden müsste.
Nach unserer Auffassung sollte es daher ausreichen, dass die Mehrheit der beteiligten Mieter*innen- und Vermieter*innenverbände zugestimmt hat.


B. Verlängerung der Zeiträume für Erstellung der Mietspiegel von zwei auf drei bzw. vier auf fünf Jahre

Die Orientierung bei der Fortschreibung an den Index für Nettokaltmieten ist sinnvoll. Die Bestimmung, dass die nach dem Landesrecht zuständigen Behörden die Mietspiegel aufstellen, erscheint nach der Föderalismusreform 2006 zwingend.

Die Verlängerung der Fristen für die Mietspiegelerstellung von zwei auf drei Jahre sollte nochmals überdacht werden. Die Mietspiegel dienen der Bestimmung der ortsüblichen Vergleichsmiete, jeweils bezogen auf bestimmte Zeitpunkte. Bei den Mieterhöhungen geht es um den Zugang der Erklärung und bei der Mietpreisbremse um den Vertragsschluss. Je älter der Mietspiegel, desto unklarer ist, ob der Mietspiegel die ortsübliche Vergleichsmiete noch abbildet. Viele Gerichte schlagen schon jetzt einen sog. Stichtagszuschlag auf den Mietspiegelwert, wenn die Mieten zwischenzeitlich stark gestiegen sind.

Nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofes obliegt es dem Tatrichter, anhand aller zu beachtenden Umstände des Einzelfalls zu beurteilen, ob es bei Heranziehung eines Mietspiegels zur Bildung der Einzelvergleichsmiete sachgerecht erscheint, auf den sich danach ergebenden Wert einen Stichtagszuschlag vorzunehmen. (BGH, Urteil vom 15.3.2017 – VIII ZR 295/15)

Dabei darf als Schätzmethode für den Stichtagszuschlag nur dann die lineare Interpolation zwischen den für die Wohnung der Beklagten bekannten Werten zweier aufeinander folgender Mietspiegel verwendet werden, wenn von einer annähernd linear verlaufenen Mietpreissteigerung ausgegangen werden kann. (ebenda)

Von den Instanzengerichten wird im unterschiedlichen Maße davon Gebrauch gemacht. Wie dies und ob dies geschieht, ist für Mieter*innen nicht voraussehbar. Wenn es geschieht, dann üblicherweise zu Lasten der Mieter*innen, da in der Regel die Mieten steigen und ein Aufschlag zu den im Mietspiegel ermittelten Werten vorgenommen wird. Daher erscheint es sinnvoller, die Zeiträume für die Aufstellung oder Fortschreibung der Mietspiegel zu verkürzen, statt sie zu verlängern. Zudem sollte der Zeitraum zwischen dem Stichtag der Erhebung und der Veröffentlichung begrenzt werden. In Berlin lag dieser in den letzten Jahren bei fast neun Monaten. In dieser Zeit ist eine fundierte Beratung zu Mieterhöhungen wegen der Ungewissheit über die neuen Mietspiegelwerte faktisch nicht möglich. Um Rechtssicherheit für die Mieter*innen zu erreichen, sollte dieser Zeitraum nicht mehr als die Überlegungsfrist – also zwei bis drei Monate – betragen.

Eine taggenaue Feststellung der Miethöhe ließe sich mit sogenannten Mietenkatastern erreichen, die auch eine Vollerfassung aller Wohnungen ermöglichen. Das Land Berlin plant derzeit, ein solches Kataster einzuführen. Die Mietpreise aller Wohnungen sollen von den zuständigen Behörden erfasst werden. Dies böte einen umfassenden Überblick über die in einer Gemeinde gezahlten Mieten. Aufgrund der besseren Datenlage wäre ein Kataster dem Mietspiegel überlegen. Im Gesetz sollten diese Mietenkataster dem qualifizierten Mietspiegel gleichgestellt werden. Auch für sie müssten verbindliche Parameter der zu erhebenden Daten wie Größe, Lage, Baujahr und Ausstattung der Wohnung, des Gebäudes und des Wohnumfeldes festgelegt werden. Auch beim Mietenkataster sollten Verbände der Mieter*innen und Vermieter*innen beteiligt werden, z.B. bei der Auswahl der Ausstattungsmerkmale.

Die Länder können dann selbstverständlich selbst entscheiden, ob sie für bestimmte Gemeinden Mietenkataster einrichten.


C. Ausweitung von Mietspiegeln

Gemeinden ab einer Größe von 100.000 Einwohner*innen sollten verpflichtet werden, einen qualifizierten Mietspiegel aufzustellen. Dies muss gerade für Gebiete gelten, in denen der Wohnungsmarkt angespannt ist. Insbesondere die Mietpreisbremse kann nur dann effektiv geltend gemacht werden, wenn ein Mietspiegel existiert. Andernfalls lassen sich die erforderlichen Daten vorgerichtlich nur durch ein teures Sachverständigengutachten ermitteln. Dies wird allerdings von keiner Rechtsschutzversicherung bezahlt. So werden Mieter*innen davon abgehalten, ihre Rechte aus den Regelungen der §§ 556 d ff. BGB geltend zu machen.

Die Streichung der Bezugnahme auf Vergleichswohnungen als Begründungsmittel für Gebiete, in denen ein qualifizierter Mietspiegel aufgestellt wurde, wird von uns begrüßt.


D. Was muss noch geregelt werden?

1. Kündigung wegen Zahlungsverzuges

Leider wird auch mit diesem Gesetzesentwurf nicht das Problem der Abwendung von ordentlichen Kündigungen wegen Zahlungsverzuges gelöst. Bereits mehrfach wurde darauf aufmerksam gemacht, dass der Bundesgerichtshof in zahlreichen Urteilen die Auffassung vertritt, der Gesetzgeber habe nur die Abwendung der außerordentlichen, d.h. fristlosen Kündigung wegen Zahlungsverzug gewollt, nicht jedoch die Abwendung üblicherweise zeitgleich ausgesprochener fristgemäßer Kündigungen. Solange der Gesetzgeber auch weiterhin zu dieser Frage schweigt, wird diese Rechtsprechung weiter gestärkt. Mieter*innen, die in Zahlungsschwierigkeiten geraten sind, können auch weiterhin nur die fristlose Kündigung gem. § 569 BGB abwenden, nicht aber die hilfsweise ebenfalls erklärten fristgemäße Kündigung. Sie verlieren in der Konsequenz je nach Länge des Mietverhältnisses nach 3, 6 oder 9 Monaten die Wohnung, auch wenn sie gleich nach Erhalt der Kündigung die Schulden ausgeglichen haben. Der Hinweis des BGH (Urteil vom 10.10.2012 – VIII ZR 107/12) auf die Einzelfallumstände und ein womöglich „mildere Licht“ schafft weder Beratungs- noch Rechtssicherheit.

Hier ist der Gesetzgeber aufgefordert, endlich zu handeln.

2. Regelungen zur Miethöhe

Die jetzt angestrebte Reform sollte zum Ausgangspunkt für weitere längst fällige Veränderungen im Mietrecht genutzt werden.

Im Miethöherecht wären folgende Reformen dringend angezeigt:
Für die Ermittlung der ortsüblichen Vergleichsmiete sollten alle Mieten einbezogen werden und nicht nur diejenigen der letzten sechs Jahre.

Die Mietpreisbremse sollte verstetigt werden. Die Befristung muss aufgehoben werden.

Die Ausnahmen (umfangreiche Modernisierung) und die Einschränkungen (Modernisierung und Vormiete) müssen gestrichen werden.

Als Sanktion für einen Verstoß gegen die Regelungen zur Mietpreisbremse sollte dann nur noch die ortsübliche Vergleichsmiete geschuldet werden und nicht die ortsübliche Vergleichsmiete plus 10 %.

Aus Praktikabilitätsgründen muss die Rügeobliegenheit gestrichen werden.

Im Rahmen der Mieterhöhung sollte die Kappungsgrenze weiter flexibilisiert werden. Derzeit darf die Miete alle drei Jahre um 20 % bis zur ortsüblichen Vergleichsmiete erhöht werden. In Gebieten, in denen die Versorgung der Bevölkerung mit Wohnraum zu angemessenen Bedingungen besonders gefährdet ist, kann die Landesregierung derzeit die Kappungsgrenze von 20 % auf 15 % durch Verordnung reduzieren. Aber auch diese Absenkung reicht oft nicht aus, Mieter*innen vor Verdrängung zu schützen. Deswegen sollten die Landesregierungen die Möglichkeit erhalten, flexibler auf die Entwicklungen des Wohnungsmarktes zu reagieren. Sie müssen ermächtigt werden, diese Kappungsgrenze durch Verordnung noch weiter abzusenken. Bei Bedarf sollten die Länder die Möglichkeit haben, einen zeitlich befristeten Mieterhöhungsstopp zu erlassen.

3. Kündigung wegen Eigenbedarfs

Die Personengruppen, für die Eigenbedarf geltend gemacht werden kann, sollten endlich auf Verwandte ersten Grades, Ehe- und Lebenspartner*innen beschränkt werden. In der Rechtsprechung wurde dieser Personenkreis immer weiter ausgeweitet. So kann Eigenbedarf mittlerweile auch für Nichten und Neffen, Cousinen und Cousins oder getrenntlebende geschiedene Ehepartner*innen angemeldet werden. Über § 573 Abs. 1 BGB wird auch eine Kündigung für Au-pair-Beschäftigte ermöglicht. Aber nicht nur der Personenkreis, sondern auch die Art der Nutzung wurde ausgeweitet. So urteilten die Gerichte, dass auch die Nutzung einer Wohnung nur als Zweitwohnung an einem Wochenende im Monat Eigenbedarf rechtfertigen kann. Auch gewerblicher Eigenbedarf kann geltend gemacht werden.

Diese Ausuferungen gilt es gesetzlich einzuschränken.

Darüber hinaus sollte Eigenbedarf unmittelbar nach dem Erwerb einer vermieteten Wohnung (sog. gekaufter Eigenbedarf) ausgeschlossen werden. Erwerber*innen, die die Wohnung in Kenntnis des bestehenden Mietverhältnisses kaufen, sind nicht schutzwürdig. Mieter*innen haben die Möglichkeit, bei Abschluss eines Mietvertrages die Risiken einer Eigenbedarfskündigung abzuwägen und mit den Vermieter*innen abzusprechen. Bzgl. eines Erwerbers/einer Erwerberin haben sie jedoch keine Einflussmöglichkeiten.

Bereits auf der Tatbestandsebene sollte eine Interessenabwägung zwischen dem Erlangungsinteresse der Vermieter*innen und dem Verbleibewunsch der Mieter*innen vorgenommen werden.

4. Verhältnis von ordentlicher und außerordentlicher Kündigung

Der Dualismus zwischen ordentlicher und außerordentlicher Kündigung muss durch die Streichung der ordentlichen Kündigung für Vertragsverletzung beendet werden. Dann würden die Mieterschutzvorschriften wie die Möglichkeit der Schonfristzahlung für alle Kündigungen gelten. Außerdem sollte eine Zahlungsverzugskündigung erst nach vorheriger – erfolgloser – Mahnung ausgesprochen werden dürfen.

Weiterhin sollten Vertragsverletzungen im Vertragsverhältnis geklärt werden. Wegen Vertragsverstößen – außerhalb des Zahlungsverzuges – darf nur gekündigt werden, wenn das inkriminierte Mieter*innenverhalten als Vertragsverstoß gerichtlich festgestellt und dieses vertragswidrige Verhalten dennoch fortgesetzt wird.

Außerdem sollte

  • jede*r Mieter*in einen Anspruch auf eine Mietschuldenfreiheitsbescheinigung haben;
  • ein Umwandlungsverbot in besonders belasteten Gebieten gelten;
  • § 5 WiStrG reaktiviert und die Mietpreisüberhöhung bußgeldbewehrt werden.
     

Berlin, 29. Oktober 2020

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