Gegen die Zerstörung des Rechts und den grenzenlosen Ausverkauf der Menschenrechte von Schutzsuchenden
Für das Recht, Rechte zu haben
Für das Recht auf ein individuelles und effektives Verfahren – Zugang zum Recht – für alle
Am 8. Juni 2023 haben die Innenminister*innen der EU einen Frontalangriff auf den Rechtsstaat beschlossen. Die Inhaftierung von Schutzsuchenden, die Rechtlosstellung durch die Fiktion der Nicht-Einreise, die Hinnahme von massenhaften refugees in orbit[1] und Abschiebungen in vermeintlich sichere Drittstaaten werden als alleinige Antwort auf Verfolgung und Flucht, auf Kriege und Krisen der Gegenwart formuliert. Statt individuelle und effektive Asylverfahren zu stärken, werden Vereinbarungen mit autokratischen und rassistischen Regimen wie der Türkei und Tunesien vorangetrieben.
Die Bundesregierung versucht, die Reform durch unwahre Behauptungen zu beschönigen, und bezeichnet sie als „Verschlechterung für wenige“ und „Verbesserung für viele.“ Tatsächlich können alle Schutzsuchenden durch die Anwendung des Drittstaatenkonzepts in das Grenzverfahren einbezogen werden – auch die vor den Taliban flüchtende afghanische Familie; auch eine Jina Amini, wenn sie vor ihrer Ermordung hätte flüchten können. Tatsächlich können alle Schutzsuchenden einschließlich Kinder inhaftiert werden. Allen Schutzsuchenden droht ein Schnellverfahren, in dem keine individuelle Prüfung stattfindet und effektiver Rechtsschutz nicht besteht.
Pushbacks, Haft und Verfahrensunrecht prägen bereits jetzt die Behandlung von Schutzsuchenden an den europäischen Außengrenzen. Anstatt diese Verbrechen zu bekämpfen, werden sie nun unter Mitwirkung der deutschen Bundesregierung legalisiert.
Wir stellen fest: Die Bundesregierung will sich in unvergleichlicher Geschichtsvergessenheit daran beteiligen, wie tragende Pfeiler des Rechtsstaats über Bord geworfen werden. Das aus den Lehren des Nationalsozialismus geborene Flüchtlingsrecht ist kein hehrer Grundsatz. Es geht um ein fundamentales Menschenrecht, das mit einem effektiven Verfahren flankiert werden muss. Schutzansprüche und Verfahrensrechte haben verfassungsrechtlichen und völkerrechtlichen Rang. Anstatt diese Rechte zu achten und zu schützen, betreibt die Bundesregierung eine Politik der Gewalt und der Abschottung – und wird damit den rechten und rassistischen Diskurs in Deutschland und die politische Rechte stärken statt schwächen, sie wird die Gefahr rassistischer Übergriffe erhöhen statt mindern.
Das Recht auf Schutz und das Recht auf Rechte gilt für alle – jedwede Klassifizierung von Geflüchteten sowie die Inhaftierung und Isolation in Lagern ist ein Bruch mit rechtsstaatlichen Verfahren, in jedem Einzelfall!
Wir sind auf neue Rechtskämpfe vorbereitet: Menschenwürde und Menschenrechte sind unteilbar!
[1] refugee in orbit ist eine geflüchtete Person, die zwar nicht direkt in ein Land zurückgeschickt wird, in dem sie möglicherweise verfolgt wird, der aber Asyl verweigert wird oder die keinen Staat finden kann, der bereit ist, ihren Antrag zu prüfen, und der auf der ständigen Suche nach Asyl von einem Land zum anderen pendelt.
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