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Nach Solingen: Friedrich Merz’ Forderungen juristisch nicht haltbar

Pressemitteilung vom 30. August 2024

Nach dem Messerangriff in Solingen am vergangenen Freitag warnt der Republikanische Anwältinnen- und Anwälteverein (RAV) vor der Verbreitung juristisch falscher Behauptungen durch Politiker*innen wie Friedrich Merz. Der CDU-Vorsitzende hat zahlreiche Einschränkungen des Asylrechts gefordert, die mit höherrangigem Recht nicht vereinbar, moralisch falsch und politisch brandgefährlich sind.

„Damit befeuert Merz einen extrem rechten Diskurs, in dem es an jeglichem Respekt für Rechtsstaatlichkeit, völkerrechtlich bindende Konventionen und internationale Verträge fehlt“, erklärt Berenice Böhlo, Rechtsanwältin im Bereich Asyl und Migration sowie Mitglied des RAV-Vorstands. „Unter geltendem EU-Recht ist es im Schengen-Raum zum Beispiel gar nicht möglich, sämtliche Grenzen zu kontrollieren, wie Merz es verlangt. Ebenso wenig mit Art. 16a GG und der Genfer Flüchtlingskonvention vereinbar ist es, Menschen aus bestimmten Ländern pauschal das Asylverfahren zu verweigern oder sie pauschal abzuschieben.“

Der RAV spricht sich klar dagegen aus, zum Zweck von Abschiebungen mit Regimen wie dem der Taliban in Afghanistan zu verhandeln, die Terroranschläge als Mittel der Politik akzeptieren, die ihre Bevölkerung, vor allem Frauen und Mädchen, brutal verfolgen, unterdrücken und töten.

“Die Merz’schen Forderungen sind auch moralisch falsch”, ergänzt Rechtsanwalt und RAV-Vorstandsmitglied Dr. Björn Elberling, “weil sie pauschal ganze Gruppen von Menschen rassistisch abwerten, weil Merz Taten von einzelnen Mitgliedern einer sehr heterogenen Gruppe zum Anlass nimmt, allen Mitgliedern dieser Gruppe Schutz vor Verfolgung und Tod verweigern zu wollen, weil er damit das absolute Minimum an Achtung der Menschenwürde von Menschen, die anders sind als er, unterschreitet.”

Hinzu kommt: Um Merz’ Vorschläge umzusetzen, müsste Deutschland nicht nur das Grundgesetz ändern und aus der Genfer Flüchtlingskonvention austreten, sondern auch aus der Europäischen Union – denn diese Dinge sind auch in der EU-Grundrechtecharta verankert.

Migrations-Expertin Böhlo weist darauf hin, dass den Vorschlägen keine ausreichende Aufklärung des Sachverhalts vorangegangen sei, sodass diese die Realitäten im Bereich Migration völlig verkannten. „Das ist reiner Populismus ohne Faktengrundlage. Doch statt lautem Geschrei und Symbolpolitik brauchen wir jetzt seriöse Lösungen im Rahmen einer rechtsstaats- und menschenrechtskonformen Politik sowie eine kompromisslose Verteidigung des Rechts und der Demokratie.“

Die Fachwelt weiß, dass Merz‘ Vorschläge sich ohnehin kaum umsetzen lassen, er liefere also keine Lösungen, sondern lediglich neuen Treibstoff für rechtsradikale Erzählungen und Kampagnen. Ähnliche Mechanismen waren bereits in vorangegangene Debatten zu beobachten, in denen CDU-Chef Merz „Vorschläge“ zur Auslagerung von Asylverfahren formuliert hatte – Stichwort "Ruanda-Modell" und "Albanien-Modell“.

„Damit stärkt er die Kräfte, die auf eine Zerstörung der Demokratie hinarbeiten“, kritisiert Böhlo und weist in diesem Kontext erneut auf die extreme Rechte hin, die sich in der AfD, aber auch in anderen Gruppen formiert und von der eine sukzessive steigende Zahl rassistischer Gewalttaten ausgeht.

Der RAV kritisiert zudem entschieden die Berichterstattung des Axel-Springer-Verlags über eine Rechtsanwaltskollegin, die den Verdächtigen des Angriffs in Solingen asylrechtlich vertreten haben soll. Rechtsanwalt Dr. Peer Stolle, Vorsitzender des RAV, erklärt dazu: “Das ist eine mediale Hetze gegen eine Rechtsanwältin, die einfach ihrer beruflichen Tätigkeit nachgegangen ist. Die Verfolgung von Mandanteninteressen ist Kernaufgabe von Rechtsanwält*innen und im Übrigen auch berufsrechtlich in § 1 der Berufsordnung für Rechtsanwälte vorgeschrieben. Anwaltliche Tätigkeit dient der Verwirklichung des Rechtsstaats. Wer dies in Zweifel zieht, sägt an den Grundfesten unserer Verfassung."

Aus Sicht des RAV handelt es sich bei dem Angriff in Solingen um eine entsetzliche Tat, die weder Politiker*innen noch Medien für ihre eigenen Ziele nutzen sollten, so wie etwa AfD und CDU es derzeit tun – das ist pietät- und respektlos. Der RAV spricht allen Betroffenen und Hinterbliebenen sein tiefes Beileid aus.


Kontakt:

 

Berenice Böhlo, Rechtsanwältin in Berlin und Mitglied im RAV-Vorstand:

E-Mail: info@aufenthaltundsoziales.de

 

Dr. Peer Stolle, Rechtsanwalt und RAV-Vorstandsvorsitzender

E-Mail: stolle@dka-kanzlei.de

Telefon: 030-446 79 216