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Die Zeit der Ausreden ist vorbei: Aufnahme von Geflüchteten aus Griechenland jetzt – alle rechtlichen Spielräume nutzen!

Gemeinsame Pressemitteilung RAV und FR-Berlin, 11.9.2020

RAV und Flüchtlingsrat Berlin legen Diskussionspapier vor

Die Bilder aus dem niedergebrannten Flüchtlingslager Moria sind schockierend, sie überraschen jedoch nicht: Dass ein Lager, das auf knapp 3.000 Menschen ausgelegt ist, aber mehr als viermal so viele beherbergt, vor einem Großbrand ebenso wenig geschützt werden kann wie vor der Ausbreitung des Corona-Virus, war vorhersehbar. Der Brand von Moria war eine Katastrophe mit Ansage. RAV und Flüchtlingsrat fordern die sofortige und unbürokratische Aufnahme der 13.000 Geflüchteten auf Lesbos durch den Bund und die Länder und schnelle Lösungen für eine Aufnahme aller weiteren Menschen in den griechischen Hotspots. Die Geflüchteten können nicht länger auf »europäische Lösungen« warten.

Wir begrüßen die klaren Worte des Berliner Innensenators Geisel, der eine schnelle Antwort und »eine Lösung auf allen Ebenen und mit allen Instrumenten, die Europa, dem Bund und den Ländern zur Verfügung stehen«, gefordert hat[1].
Und wir unterstützen die Ankündigung des Innensenators, das Nein des Bundesinnenministeriums zu einem Landesaufnahmeprogramm aus den griechischen Lagern nicht hinzunehmen und rechtliche Schritte gegen den Bund zu prüfen[2], denn dies ist der nächste nötige Schritt, wenn das Land Berlin ernsthaft für eine Aufnahme eintreten und nicht nur Symbolpolitik betreiben will.

Eine zeitnahe gerichtliche Klärung ist jedoch nicht zu erwarten, zudem ist der Ausgang ungewiss. Der Rechtsstreit um ein Landesaufnahmeprogramm kann nicht der einzige Weg sein – es ist schnelles und entschlossenes Handeln des Senats und der anderen willigen Bundesländer gefragt. Es müssen alle rechtlichen Möglichkeiten geprüft und sämtliche Spielräume genutzt werden.

In einem heute veröffentlichten Diskussionspapier[3] zeigen RAV und Flüchtlingsrat Berlin verschiedene Möglichkeiten auf, um auf Landesebene aktiv zu werden und Menschen aus den Lagern in Griechenland die Einreise zu ermöglichen, ohne auf ein Einvernehmen des Bundesinnenministeriums angewiesen zu sein.

Zu diesen Möglichkeiten des Aufenthaltsgesetzes zählen unter anderem:

  • Vorabzustimmung der Berliner Ausländerbehörde zum Familiennachzug nach dem Aufenthaltsgesetz in allen Griechenlandfällen ohne das Erfordernis der Lebensunterhaltssicherung
  • humanitäre Aufnahme in Einzelfällen nach § 22 AufenthG
  • Auflage eines Stipendienprogramms für unbegleitete minderjährige Flüchtlinge aus den griechischen Lagern zum Schulbesuch in Berlin
     

Das Diskussionspapier verfolgt nicht das Ziel einer abschließenden rechtlichen Analyse. Vielmehr soll es Handlungsoptionen aufzeigen und als konzeptionelle Anregung für eine weitere Diskussion dienen.

»Der anhaltende Rechtsbruch gegenüber Geflüchteten in Griechenland ist keine Spielwiese für Symbolpolitik und Sonntagsreden. Wenn der Senat seine Analyse der Situation in den griechischen Lagern ernst nimmt, muss er handeln und alle rechtlichen Möglichkeiten ausschöpfen. Es gibt viele ergänzende Alternativen zur bislang im Fokus stehenden Landesaufnahme nach § 23 Aufenthaltsgesetz. Wir erwarten vom Senat, dass er unsere Vorschläge prüft und weiterentwickelt und konkrete Schritte ausarbeitet. Gerne gemeinsam mit uns«, sagt der Berliner Rechtsanwalt Dr. Matthias Lehnert (RAV), der das Papier in Zusammenarbeit mit weiteren Anwält*innen verfasst hat.

Martina Mauer, Mitarbeiterin des Flüchtlingsrats Berlin ergänzt: »Angesichts der dramatischen Situation der Geflüchteten in Griechenland und der Blockadehaltung des Bundesinnenministeriums gegenüber Aufnahmeprogrammen durch die Bundesländer muss der Berliner Senat bereit sein, auch neue Wege zu gehen. Es ist zwar erfreulich, dass Bürgermeister Müller und Innensenator Geisel ihren Unmut gegenüber dem BMI öffentlich und klar geäußert haben, doch es gilt auch hier: Taten zählen mehr als Worte«.

>>> Pressegespräch am Mittwoch, 16.09.2020, 10-11.30 Uhr <<<

Gerne laden wir Sie zu einem Pressegespräch ein mit dem Verfasser des Diskussionspapiers, Dr. Matthias Lehnert, und Co-Autorin Berenice Böhlo, online auf der Videokonferenzplattform Zoom.
Wenn Sie teilnehmen möchten, schreiben Sie uns bitte eine E-Mail an buero@fluechtlingsrat-berlin.de mit dem Betreff »Pressegespräch« und nennen uns das Medium, für das Sie arbeiten. Sie erhalten von uns dann die Zugangsdaten für Zoom.

Pressekontakt:

Dr. Matthias Lehnert, Rechtsanwalt, RAV, Tel.: 030-25298777, lehnert[at]aufenthaltsrecht.net
Berenice Böhlo, Rechtsanwältin, RAV, Tel: 030-247 240 90, boehlo@aufenthaltundsoziales.de
Martina Mauer, Flüchtlingsrat Berlin, Tel: 030-22476311, buero@fluechtlingsrat-berlin.de

Fußnoten

[1] Senatsverwaltung für Inneres und Sport, Pressemitteilung vom 09.09.2020,
https://www.berlin.de/sen/inneres/presse/pressemitteilungen/2020/pressemitteilung.988983.php

[2] Senatsverwaltung für Inneres und Sport, Pressemitteilung vom 10.08.2020,
https://www.berlin.de/sen/inneres/presse/pressemitteilungen/2020/pressemitteilung.973342.php

[3] Download Diskussionspapier,
https://fluechtlingsrat-berlin.de/diskussionspapieraufnahmegriechenland/

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