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Der Fall Distomo vor dem Internationalen Gerichtshof in Den Haag

Veranstaltung, Hamburg, 22.4.2010
Vor dem Internationalen Gerichtshof in Den Haag geht es in dem Verfahren "Bundesrepublik Deutschland vs. Republik Italien" um die grundlegende Frage, ob von Kriegs- und Menschheitsverbrechen Nazi-Deutschlands betroffene Menschen das Recht haben, direkt gegen Deutschland zu klagen und ihre Ansprüche gegen deutsches Staatseigentum - auch im Ausland - zu vollstrecken. Einer der zu verhandelnden Fälle betrifft das am 10. Juni 1944 von deutschen SS-Einheiten verübte Massaker an 218 Bewohnerinnen und Bewohnern des griechischen Dorfes Distomo. Klagen in Griechenland haben bereits im Jahr 2000 zu einem rechtskräftigen Entschädigungsurteil über 28 Millionen Euro geführt. Gezahlt wurde nichts. Die Bundesrepublik Deutschland als Rechtsnachfolgerin des Deutschen Reiches will in Den Haag ihre Rechtsansicht durchgesetzt wissen, wonach sie durch die "Staatenimmunität" vor individuellen Entschädigungsansprüchen der Opfer der von Wehrmacht und SS-Polizeieinheiten verübten Massaker sowie der Verschleppung zur Zwangsarbeit geschützt sei. Die "Staatenimmunität" darf aber nicht als Trick zur Entschuldung Nazi-Deutschlands missbraucht werden. Sollte Deutschland in Den Haag verlieren, wäre für die Überlebenden der NS-Verbrechen und die Angehörigen der Ermordeten der Weg frei, ihre Entschädigungsansprüche vor den Gerichten ihrer Herkunftsländer durchzusetzen. Das Verfahren hat aber auch für aktuelle kriegerische Auseinandersetzungen Bedeutung, in denen Zivilpersonen zu Schaden kommen, wie etwa in Ex-Jugoslawien oder in Afghanistan. Sollte Deutschland dagegen gewinnen, wären die zivilen Opfer von Kriegs- und Völkerrechtsverbrechen möglicherweise dauerhaft rechtlos gestellt. Dies könnte geradezu als Freibrief für kriegerische Aggressionen verstanden werden. Rechtsanwalt Martin Klingner berichtet über den Hintergrund des Verfahrens, über die politische Auseinandersetzung um die Entschädigungsfrage sowie über die Möglichkeiten praktischer Solidarität mit den Forderungen der Opfer und Überlebenden der NS-Verbrechen. Gezeigt wird außerdem ein kurzer Film, der im Juni 2009 bei einer Reise zu den Gedenkfeiern in Distomo entstanden ist. Der Referent vertritt die Familie Sfountouris aus Distomo in ihrem Entschädigungsverfahren vor dem Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte und ist im Arbeitskreis Distomo aktiv. Der AK-Distomo unterstützt die Entschädigungsforderungen von NS-Opfern, insbesondere aus Griechenland, Italien und Slowenien, setzt sich aber auch für die Verfolgung und Bestrafung von NS-Tätern ein.   Informationsveranstaltung am Donnerstag, 22.4.2010 um 19.30 Uhr Centro Sociale, Sternstraße 2, 20357 Hamburg (U3 Feldstraße)
  Veranstalter: AK-Distomo und Republikanischer Anwältinnen- und Anwälteverein e.V.   Weitere Infos unter www.nadir.org/nadir/initiativ/ak-distomo/ und unter www.rav.de/projekte/keine-staatenimmunitaet-fuer-kriegsverbrechen/